Samstag, 26. Mai 2012

Hans Fallada / Damals bei uns daheim 3



Verlag: Aufbau Tb 2011
Seitenzahl: 383
9,99 €
ISBN-10: 3746627893

 Fallada besuchte ein humanistisches Gymnasium und hatte auch in der Schule so manche Schwierigkeiten, allerdings nicht im intellektuellen Bereich, sondern im Sozialverhalten durch andere. Seine Mutter war sehr sparsam, Kleider, die schon längst abgenutzt und löchrig waren, versetzte sie diese immer wieder mit Flicken und die Flicken entsprachen nicht immer der Farbe des Kleidungsstücks. Dadurch wurde Fallada in der Schule gehänselt, hauptsächlich von Jungens, die schlecht lernten und recht auffällig waren. Fallada beschwerte sich bei der Mutter, dass er die geflickten Kleider nicht mehr tragen wolle, doch die Mutter zeigte keinerlei Verständnis, und wies dies als eine vorübergehende Jungenlaune ab und dass Hans keinen Spaß verstehen würde. Fallada argumentierte, dass man ihn nicht auf eine so feine Schule schicken solle, wenn man ihn nicht auch angemessen kleiden könne und er zum Gespött seiner Mitschüler würde… .

Auch mit dem Latein und Griechischprofessor Olearius hatte Fallada seine Probleme, da der Lehrer jeden Schüler verachtete, der seinen Lehren nicht nachkam. Der Professor nahm die Lernschwäche eines jeden Schülers dermaßen persönlich, dass er es dem Schüler mit Hass zu spüren gab. Auch Hans wurde von dem Professor dermaßen negativ eingeschüchtert, dass er vor lauter Angst vor dem Professor nicht mehr richtig lernen konnte. Hans wechselte das Gymnasium. Fallada Vater hatte eine Unterredung mit dem Professor, der ihm Schulängste seines Sohnes schilderte, so attestierte der Professor dem Vater gegenüber ein minderbegabtes Kind:

"Ich muss Ihnen empfehlen, (…) Ihren Sohn sofort vom Gymnasium abzumelden. Schon damit er einem consilium abeundi entgeht, denn ich fühle mich verpflichtet, das mir von Ihnen Mitgeteilte dem Lehrerkollegium zu unterbreiten. Für die Weiterbildung ihres Sohnes halte ich nun freilich eine Volksschule für das höchst Erreichbare, vielleicht wäre noch richtiger eine Anstalt für geistig zurückgebliebene Kinder. Dieses ewige Heulen, diese Unfähigkeit, auch die einfachsten lateinischen Form zu erlernen, scheinen mir auf einen leichten Schwachsinn zu deuten."

Fallada ist mittlerweile fünfzehn Jahre alt, als sein Vater nun anfängt, ihn in seine beruflichen Pläne einzuweihen und einzubinden:

Gewiss, ich hatte Zeiten, da ich jeden Morgen, wenn alle noch schliefen, in Vaters Arbeitszimmer schlich und seine Akten las. Aber mich interessierte nicht so sehr das Juristische wie das Menschliche in ihnen. Mit klopfendem Herzen las sich die Vernehmungsprotokolle des Untersuchungsrichters, eines nach dem anderen, in denen der Beschuldigte leugnet, Ausflüchte macht, seine Unschuld beteuert. (…) In dieser Richtung interessierte mich die Juristerei schon, aber das war ganz und gar nicht das, was Vater wollte. Er suchte mich für die andere Seite des Falles zu interessieren, nicht wie es zu einem Verbrechen gekommen war, sondern was ein Richter nun mit einem solchen Verbrechen anzufangen hat, damit sollte ich mich beschäftigen!

Und hier, so denke ich, hat Fallada sowohl seine Beobachtungen als auch seine Lehren aus den Akten des Vaters gewonnen. Dadurch wurde er geprägt und lernte die Partei des Angeklagten kennen und zu verstehen.

Falladas Vater hat mir eigentlich auch irgendwie imponiert. Aus seiner juristischen Praxis heraus machte er die Erfahrung, dass Prozesse eine langwierige und kostspielige Angelegenheit sei, und er dadurch eher ein Mensch geworden ist, der Konflikte mied und der Harmonie wegen sowohl innerhalb der Familie als auch im Bekanntenkreis Konflikten zu lösen oder zu umgehen wusste. Es wurde ein Beispiel geschildert, als ein Gast angab, Falladas Vater besitze eine Krone, die nicht ihm gehören würde. Daraufhin die Reaktion des Vaters:

"Lieber Mann, Sie dürfen gerne meine Krone mitnehmen. Sie ist mir den Frieden meines Hauses wert.- Denn (…) -ich bin ein alter Richter und weiß, dass Prozesse Menschenfresser sind. Sie verschlingen nicht nur Geld, Glück, Frieden, sie verschlingen auch oft die Protestierenden mit Haut und Haar."

Das fand ich doch auch ein schönes Bild und ich bewundere diesen Mann zu dieser Fähigkeit.

Nun soll es für heute genug sein und freue mich auf morgen auf die weitere Lektüre. 
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"Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen ." (T. Fontane)

UB:
Dickens: Schwere Zeiten
Fallada: Damals bei uns daheim
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Osorio: Mein Name ist Luz
Proust: Sodom und Gomorrha
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 35

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