Donnerstag, 30. August 2012

Isabel Allende / Portrait in Sepia

 
Verlag: Suhrkamp, 2012
Seitenzahl: 587
 ISBN-10: 3518463845
Gebunden Kleinformat:  10,00 €


Klappentext
Aurora del Valle, aufgewachsen im pompösen Haus ihrer Großmutter, hat eine bewegte Kindheit und Jugend zwischen dem Europa der Belle Époque, Kalifornien und Chile hinter sich. Je mehr sie aber von der Welt kennenlernt, umso deutlicher wächst in ihr das Bedürfnis, aus eigener Kraft zu leben. Eine Kamera, die sie als Kind geschenkt bekommt, wird ihr zum Mittel der Suche nach ihrer persönlichen Wahrheit. Als sie auf einem Foto, das sie selbst gemacht hat, mit dem Verrat des Mannes konfrontiert wird, den sie liebt, entschließt sie sich, das Geheimnis ihrer Vergangenheit zu erforschen. 


Autorenportrait im Klappentext
Isabel Allende, 1942 in Lima/Peru geboren, arbeitete lange Zeit als Journalistin und verließ Chile nach dem Militärputsch 1973. Seit 1988 lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien. An den überwältigenden Erfolg ihres ersten Romans "Das Geisterhaus" konnte sie mit weiteren Bestsellern wie "Eva Luna", "Fortunas Tochter" und "Paula" anknüpfen. Heute gilt Isabel Allende als die erfolgreichste Autorin der Welt.

Von Isabel Allende habe ich schon recht viele Bücher gelesen. Sie schreibt ziemlich gute historische Romane über die politische Unterdrückung Südamerikas (Chile, Peru, u.a.) und über den Kampf von Menschenrechten, aber auch über die Sklaverei in den Vereinigten Staaten. Das Beste, das mir von ihr gefallen hat, war Die Stadt unter dem Meer. Und das Buch Das Geisterhaus habe ich vor mehr als zwanzig Jahre gelesen und etwa vor einem Jahr ein zweites Mal. Ich besitze es auch zwei Mal... .

Nun bin ich auf dieses Buch gespannt, die ersten einhundert Seiten habe ich schon verspickt... . Wollte eigentlich erst morgen damit beginnen, aber meine Ungeduld war doch ein wenig zu groß.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 60
Gelesene Bücher 2011: 86

Freitag, 24. August 2012

Markus Zusak / Die Bücherdiebin (4)

VIERTE UND LETZTE BUCHBESPRECHUNG ZUR O. G. LEKTÜRE
 (VON S. 399 - 584)
Ich habe ein passendes Bild gefunden zum Inhalt des Buches. Oder besser gesagt, was die Wetterthematik zwischen Max und Liesel betrifft, (s. dritte Buchbspr.). 
Es gibt wirklich viele Helden in dem Buch. Liesel, Hans Hubermann und seine Frau Rosa, Rudi Steiner, Max, dessen Familienname ich mir einfach nicht merken konnte, und die Bürgermeistersfrau Ilsa Hermann. Sie sind für mich alle Helden... . Werde mich aber dazu nicht ausführlich äußern... .

Interessant ist auch der Erzähler, den ich bisher auch noch  unerwähnt gelassen hatte. Der Erzähler ist eine Personifizierung zu etwas, das allgegenwärtig ist und überall lauert... . Er stirbt erst aus, wenn es keine Lebewesen mehr gibt. Er bewundert die Menschen, die genug Verstand hätten, um zu sterben. Mehr verrate ich nicht.

Beginnen möchte ich jetzt nochmals mit Ilsa Hermann, die in ihrer Bibliothek für Liesel einen Brief hinterlassen hat, aus dem hervorgeht, dass nach dem ersten Einbruch ihre Fußspuren sie  verraten hatten. Es folgt ein kleiner Ausschnitt aus dem Brief:
Ich war froh, dass du dir genommen hast, was  ohnehin dir gehört. Dann begann ich einen Fehler. Ich dachte, es wäre zu Ende.Als du zurückkamst, hätte ich wütend sein sollen, aber ich war es nicht. Das letzte Mal konnte ich dich hören, aber ich beschloss, Dich in Ruhe zu lassen. Du nahmst Dir jedes Mal nur ein Buch, und es wird tausend Besuche dauern, bis sie alle weg sind. Ich hoffe nur, dass du eines Tages an die Haustür klopfen wirst und das Haus auf anständige Weise betreten wirst.  
Selbst Rudi ist nun dahinter gekommen, dass es wohl Absicht war, dass Ilsa Hermann das Fenster zur Bibliothek extra für ihre heimliche Freundin offen hat stehen lassen:
"Du bist gar kein Diebin. (…) Die Frau lässt dich herein. Sie stellt dir sogar Plätzchen hin, Himmel nochmal. Das kann man doch wohl kaum Stehlen nennen. Stehlen, das ist, was die Wehrmacht tut.. Nimm zum Beispiel dein Vater, und meinen." (…) Er trat gegen einen Stein, der metallisch klingt und gegen ein Tor prallte. Rudi ging schneller. "All diese reichen Nazis da oben, in der großen Straße, in der Gelbstraße, in der Heidestraße."
  
Mit der Gelbstraße waren wohl die Juden gemeint, die von den Nazis eingenommen wurden, und die Heidestraße, na, das kann man sich wohl denken.


 Es ist Fliegeralarm, und alle aus der Himmelsstraße, das sind auch die Hubermanns  rennen in den Luftschutzkeller bei den Fiedlers, außer natürlich Max, der im Keller der Hubermanns zurückbleiben musste, was sehr das Gewissen der Hubermanns belastete. (Immer sind es die falschen, die unter Schuldgefühlen leiden).

 Max nutzt die Gelegenheit, um aus dem Keller rauszukommen, und sich nach langer, langer Zeit mal wieder die Gestirne am Firmament zu betrachten, über die er schließlich schrieb:
Von einem Fenster in der Himmelsstraße auf, (...) setzten die Sterne meine Augen in Brand.
Die Menschen in den Luftschutzkellern waren voller Ängste, hielten sich an den Händen, viele waren untröstlich, bis schließlich Liesel ihr Buch auspackte und anfing, vorzulesen. 
Sie wagte nicht auf aufschauen, aber sie fühlte die verängstigten Augen, die an ihr hingen, während sie die Worte ein- und ausatmete. Eine Stimme spielte in ihrem Innern die Noten. Dies, so sagte die Stimme, ist dein Akkordeon.Das reißen der Seite, die umgeblättert wurde, schnitten sie in Stücke.Liesel las weiter.Etwa zwanzig Minuten lang verschenkte sie die Geschichte. Die kleinen Kinder wurden ruhig beim Klang ihrer Stimme, und alle anderen sahen Bilder vom Pfeifer vor sich, der vom Tatort floh. Liesel nicht. Die Bücherdiebin sah nur den Mechanismus der Worte- ihre Körper, die auf dem Papier Lagen, niedergeschlagen, damit sie darüber geben konnte. (…)  

Beim nächsten Fliegerangriff hielten sich die Leute stundenlang im Luftschutzkeller auf. Liesel las ihnen über fünfzig Seiten aus ihrem Buch vor. Für viele war dies die seelische  Rettung, nicht ständig an die existentielle Bedrohung zu denken.

Dann gibt es noch eine Nachbarin von Hubermanns, deren beide Söhne sich im Krieg befanden. Der eine wurde tödlich verwundet, ihm wurden beide Beine wegbombadiert und die Mutter gerät in eine seelische Starre. Viele Nachbarn, vor allem die Hubermanns, versuchten sie zu stärken, als schließlich auch der heimgekehrte zweite Sohn in eine Krise verfällt, weil die trauernde Mutter ihn als zurückgekehrten Sohn nicht ausreichend gebührte und weil er bei dem Hinfall seines Bruders durch die Bomardements  anwesend war.  Er stellte sich wiederholt die Frage, weshalb er überlebt hat und nicht sein Bruder?

Auch Liesel stellt Fragen:
Wie tröstet man einen Menschen, der so etwas gesehen hatte? Sollte man ihnen sagen, dass der Führer stolz auf ihn war, dass der Führer ihn liebte für das, was er in Stalingrad getan hatte? Wie hätte man das je wagen können? Man konnte nur ihm das Reden überlassen.
Der überlebende Sohn kommt von seinen Schuldgefühlen nicht los, zeigt sich bekümmert darüber, dass die Mutter sich aus dem Schock nicht erholt, ihn als Trost zu begreifen, dass wenigstens er am Leben geblieben ist. Seine Schuldgefühle sind so gewaltig, dass er sich schließlich das Leben nahm, und "weil er hatte leben wollen."
Ziemlich makaber dieses Zitat und in dem Buch wimmelt es nur von solchen Sätzen..., wie z.B. die Schneeflocken verbrannten ihr die Arme... .

Und merkwürdig, dass immer die Falschen Schuldgefühle entwickeln, andere müssten daran ersticken, ohne selbst an sich Hand anlegen zu müssen.

Liesel trauert um ein paar ihrer Freunde, um Rudis Vater, der eingezogen war und vor allem um Max, ich aber nicht verraten möchte, was aus Max  geworden ist. Sie betet an eine höhere Macht:
Macht mich nicht glücklich. Bitte erfüllt mich nicht. Lasst mich nicht glauben, dass aus all dem etwas Gutes entstehen kann. Schaut euch meine Wunden an. Seht ihr diesen Schnitt? Seht ihr den Schnitt in meinem Innern? Seht ihr, wie er vor euren Augen wächst und mich auswäscht? Ich werde auf nichts mehr hoffen. Ich will nicht beten, dass Max am Leben und in Sicherheit ist. Oder Alex Steiner.Denn die Welt verdient sie nicht.

Liesel befindet sich wieder in der Bibliothek von Frau Hermann. Und diesmal hat sie gar nicht vor, schnell wieder zu verschwinden, sondern macht es sich auf dem Boden gemütlich, als sie sich wieder ein Buch aus dem Regal genommen hat:
Sie riss eine Seite aus dem Buch und zerpflückt sie.dann ein Kapitel.Schon bald lagen zwischen ihren Beinen und um sie herum Wortfetzen. Warte. Warum musste es sie geben? ohne sie wäre nichts hiervon wirklich. Ohne Worte wäre der Führer ein Niemand. Es würde keine humpelnden Gefangenen geben, keinen Grund für Trost oder weltliche Raffinessen, auf dass es uns wieder besser gehe.Wozu waren die Worte gut?Dann sagte sie es laut, in dem orange glühenden Raum." Wozu sind Worte gut?"

Liesel schreibt Frau Hermann einen Brief, der so bewegend ist, dass ich auch hier einen kleinen Auszug davon festhalten möchte:

Liebe Frau Hermann,
Wie Sie sehen, war ich wieder in ihrer Bibliothek und habe eines ihrer Bücher kaputtgemacht. Ich war einfach so wütend und so verängstigt, und ich wollte die Worte zum Schweigen bringen. Ich habe von Ihnen gestohlen, und jetzt habe ich ihr Eigentum zerstört. Es tut mir leid. Als Strafe für mich selbst habe ich beschlossen, nicht wieder herzukommen. Aber ist das überhaupt eine Strafe? Ich liebe diesen Ort, und ich hasse ihn auch, weil er voller Worte ist. 


Auf die Reaktion von Frau Hermann war ich recht neugierig, aber ich hatte es im Blut, dass sie außergewöhnlich darauf reagieren würde, dass ich ein wenig neidisch wurde, solch einen Menschen niemals kennen gelernt zu haben. Aber das stimmt ja so nicht, denn ich habe Frau Hermann doch kennenlernen dürfen, auch wenn sie nur eine Literaturfigur ist, ich aber sicher bin, dass der Autor eine bestimmte Person in seinem Kopf hielt, die es einmal gegeben haben muss, was sich auch aus dem Anhang vermuten lässt. Auch ihre Worte haben mich tief berührt, als sie mit einer kleinen Überraschung vor Liesels Haustüre steht:
" (…) ich dachte, dass du, wenn du meine Bücher nicht mehr lesen möchtest, vielleicht selbst eines schreiben willst. Dein Brief war…".  Sie überreichte Liesel das schwarze Buch mit beiden Händen." Du kannst schreiben. Du kannst gut schreiben." Das Buch war schwer, der Einband matt (...) . Und bitte (...)" bestrafe dich nicht selbst wie du in deinem Brief geschrieben hast. Werde nicht so wie ich, Liesel."
Frau Hermann war für mich eine bemerkenswerte Person. Eingenlicht war sie Anhängerin des Nationalsozialismus, auf ihren Klamotten trug sie überall Hakenkreuze aber sie hatte auch eine andere Seite, eine gute Seite, die verschüttet war und die sie durch Liesel wohl wieder wach bekommen hat. Vor ihrer Haustüre stehend war sie schön gekleidet und die Kleider besaßen keine Hakenkreuze mehr. 

Der Autor zeigt uns keine Menschen, die nur gut oder nur böse sind. Nein, alle hatten eine dunkle Seite, dunkle Flecken in der Seele, die man sich nicht erklären kann, aber die überwunden werden wollten, von Menschen, bei denen das Gute überwiegte. 

Ich habe zu Liesels Pflegemutter noch gar nichts geschrieben. Rosa Hubermann, auch eine bemerkenswerte Person, deren Wortlaute aus vielen Schipfwörtern bestand, aber trotzdem voller (mütterliche) Liebe war. Eine kurze Charakterisierung durch den Erzähler zu Rosa Hubermann:
Wenn sie mich gesehen hätte, hätte sie mich vermutlich "Saukerl" genannt, und ich hätte es ihr nicht übel genommen. Später, nachdem ich Die Bücherdiebin gelesen hatte, wusste ich, dass sie jeden so nannte. "Saukerl". "Saumensch". Besonders diejenigen, die sie liebte. (...) Ihr elastisches Haar war gelöst. Es rieb gegen das Kissen, und ihr Schrankförmiger Körper hatte sich mit dem Schlag ihres Herzens sich erhoben. Und seid versichert, diese Frau hatte tatsächlich ein Herz, und zwar ein größeres, als die meisten Leute vermutet hätten. Da war eine Menge drin, aufgestapelt, meterhoch auf verborgenen Regalen. (...) Sie war die Frau, die einen Juden durchgefüttert hatte, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen, nicht in der ersten Nacht und auch nicht danach. Und sie war eine Frau, die mit ausgestrecktem Arm tief in eine Matratze hineingegriffen hatte, um einem jungen Mädchen ein Skizzenbuch zu geben.

Weiß jemand, warum die Konzentrationslager Konzentrationslager hießen? Nun, die Juden gingen nach Dachau, um sich zu konzentrieren.. . (Schwarzer Humor des Autors).

Ich beende hiermit meine Buchbesprechung und muss sagen, dass mir alle Personen, die Helden dieses Buches, mir sehr ans Herz gewachsen sind. Sie sind mir große Vorbilder... .

Dem Buch gebe ich zehn von zehn Punkten, weil es reich an Fantasie ist, der Ausdruck zwar einfach aber trotzdem niveauvoll, und weil die Geschichte, der Nationalsozialismus, authentisch widergespiegelt wurde.

Anmerkung d. Autorin: Der Fettdruck in den Zitaten ist durch mich hervorgehoben worden.
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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Mittwoch, 22. August 2012

Markus Zusak / Die Bücherdiebin (3)



Dritte Buchbesprechung der o. g. Lektüre

 (von Seite 260 - 399)


Das Buch fesselt mich immer mehr. 
Wer nicht weiß, was (menschliche) Liebe ist, dem empfehle ich unbedingt dieses Buch. Das Buch strahlt so viel Seele aus, je mehr Liebe in ihm wohnt.

Ähnlich wie gestern möchte ich wieder ein paar mir bedeutungsvolle Szenen festhalten.

Ich komme nochmals zurück auf die Bürgermeistersfrau Ilsa Hermann. Die Bücherverbrennung war nicht Grund ihrer Depression, wie sich´s später herausstellte. Sie betrauert noch um ihren vor zwanzig Jahren im ersten Weltkrieg gefallen Sohn, von dessen Tod sie sich nicht wieder erholen konnte. 

Frau Hermann kündigte den Hubermanns den Arbeitsauftrag und wollte Liesel als Entschädigung ein Buch aus ihrer Bibliothek schenken. Liesel zeigte sich erst sprachlos, zeigte ihre Betroffenheit schließlich mit bösen Worten. Ich vermute, dass sie traurig war, dass auch der Kontakt zur Bibliothek abgebrochen wurde. Sie warf Frau Hermann das Buch vor die Füße, weil sie nicht gekauft werden wolle... . 

Sie konnte es nicht ertragen, dass diese einsame, erbärmliche Frau es ihr schenkte. Es zu stehlen schien ihr akzeptabler zu sein. Wenn sie es stahl, dann hatte sie irgendwie - merkwürdigerweise - das Gefühl, es sich verdient zu haben.

Die Worte trafen Frau Hermann, sie reagierte aber darauf nicht. Jedenfalls nicht offensichtlich... .

Nach einer gewissen Zeit sehnte sich Liesel nach der Bibliothek zurück und beschloss mit Rudi, in die Bibliothek einzubrechen, um sich ein Buch zu stehlen. Sie inspizierten das Haus Hermanns und die Eingänge, sowie auch die Fenster. Beim zweiten Rundgang, an  einem anderen Tag, befand sich das Fenster zur Bibliothek im Erdgeschoss offen, so dass Liesel es leicht hatte, einzudringen, und sich das zu nehmen, was sie brauchte. Sie stahl nur ein Buch. "Der Pfeiffer", eigentlich das Buch, das Frau Hermann ihr schenken wollte.
Wenige Tage später wiederholte sie ihren Einbruch, und wieder und wieder, bis sie sich fragte, ob Frau Hermann nicht absichtlich das Fenster offen hielt, extra für ihre kleine Bücherdiebin. Beim nächsten Diebstahl fand sie direkt vor dem Fenster einen DUDEN. Das war dann offensichtlich. Als Liesel sich das Buch stahl, und sie auf dem Heimweg zurück auf das Haus Hermanns schaute, sah sie hinter dem Fenster die Bürgermeistersfrau stehen, die leise und dezent der Liesel zuwinkte. Liesel erwiderte ihren Gruß und grüßte leise und dezent zurück. 

Mich hat diese Szene dermaßen berührt, dass ich es gar nicht mit Worten auszudrücken vermag. Aber es ist ein super Gefühl... . Bin gespannt, wie sich dies nun fortsetzen wird, nachdem Stehlende und Bestohlene nun voneinander wissen.

Max, der noch immer im dunklen Keller lebt, wünscht sich von Liesel die Wetterschau. Sie rennt raus und betrachtet sich den Himmel, als sie schließlich wieder zu Max rennt:

"Der Himmel ist heute blau, Max, und oben hängt eine große, lang gezogene Wolke, die aussieht wie ein Seil. Am Ende hängt die Sonne wie ein gelbes Loch…"

Max wird krank. Die Dunkelheit und die Kälte, sowie auch die Lebensmittelknappheit macht ihm zu schaffen, obwohl die Hubermanns sich so viel Mühe geben, und ihn wenigstens im Winter nachts oben schlafen lassen. Max liegt lange im Koma und Liesel liest ihm aus ihren Büchern vor. Auch sammelt sie Gegenstände von der Straße auf, um sie ihm als Geschenk hinzulegen und davon berichtet, quasi Geschichten über die gefundenen Gegenstände erzählt. Auch die Wetterberichte blieben nicht aus.
Liesel befindet sich gerade draußen, betrachtet sich wieder den Himmel und findet, dass eine Wolke recht ungewöhnlich ausschaut. Liesel holt ihren Vater, um ihm die Wolke zu zeigen:

Er hob  den Kopf und sprach das Offensichtliche aus:  "Du solltest sie Max schenken, Liesel. Vielleicht kannst du sie auf den Nachttisch legen, wie all die anderen Sachen."
Diese schaute ihn an, als ob er den Verstand verloren hätte.
"Wie soll das gehen?"
Er klopfte sanft mit seinen Fingerknöchel gegen ihren Schädel. "Präge sie dir ein. Und dann schreibe sie auf."
(...) Sie stellte sich vor, wie die Wolke von ihrer Hand in seine glitt, durch die Decken hindurch, und sie schrieb es auf ein Stück Papier, auf das sie den runden, flachen Stein legte. 

Liesel beschäftigte sich auch später noch mit dem Himmel, und  träumte vor sich hin, was sich wohl dahinter verbergen würde:

Manchmal stelle ich mir vor, wie es über diesen Wolken aussah. Ich wusste ohne Zweifel, dass die Sonne blond war und die endlose Atmosphäre ein einziges, riesiges blaues Auge.

Was mit dem blauen Auge und der blonden Sonne gemeint sein könnte, das kann man sich aus dem Kontext im Buch herauslesen, da Liesel diese Symbole nun auch auf die politische Lage übertrug. Diese beiden Metaphern blonde Sonne und blaues Auge, haben mir auch recht gut gefallen.

Ich bin nun recht gespannt, wie es in dem Buch weitergeht, deshalb mache ich jetzt hier Schluss.
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Markus Zusak / Die Bücherdiebin (2)


 Zweite Buchbesprechung der o. g. Lektüre

  (bis S. 260)

Ich möchte nun noch zwei Szenen festhalten, zu denen ich gestern Abend nicht mehr gekommen bin. Die Hubermanns halten einen Juden namens Max bei sich versteckt. Der Sohn eines besten Freundes von Hans Hubermann aus dem ersten Weltkrieg. 

Der Kamerad brachte ihm das Spiel auf dem Akkordeon bei, und die Musik schweißte sie noch mehr zusammen. Doch der Kamerad fiel im Krieg. Hans Hubermann suchte seine Familie auf, auch, um ihr das Akkordeon zu übergeben, aber die Frau des Gefallenen überließ ihm das Instrument. Hans Hubermann gab der Familie seine Adresse mit der Bitte, sich an ihn wenden zu dürfen, sollten sie mal in Bedrängnis geraten.

Zwanzig Jahre später stand schließlich der damals zweijährige Sohn Max nun als ein erwachsener Mann vor der Haustüre Hubermanns, um Schutz zu suchen. Max´Familie wurde von der Gestapo längst inhaftiert und die Mutter konnte ihm gerade noch schnell genug die Adresse Hubermanns in seine Brusttasche stecken.

Um sich nicht noch mehr zu gefährden, musste Liesel, die Bücherdiebin, alle ihre kleinen Schätze, drei gestohlene Bücher und zwei von ihren Pflegeeltern geschenkten Bücher verbrennen lassen.

Die kleine Liesel weinte dermaßen herzzerbrechend, dass sogar auch mir die Tränen mitflossen, da ich die Bücherliebe sehr gut aus eigener Erfahrung heraus kenne... .
Aber ich glaube, es ist zu dieser kleinen Bücherverbrennung nun doch nicht mehr gekommen, da, weitere Seiten später, Hans Hubermann Liesel weiterhin aus ihren Büchern vorlas... . 

Nächste Szene: Liesel feiert ihren zwölften Geburtstag, und Max zeigt sich etwas verstimmt darüber, dass er kein Geschenk für seine kleine Freundin hatte. Zwischen ihnen beiden ist so etwas wie eine kleine Freundschaft entstanden. Max  konnte nicht aus seinem Versteck raus, lebte im Keller und besaß kein Geld. Er war in Besitz eines einzigen Buches. Das Buch von Hitler Mein Kampf.  Er riss aus dem Buch einige Seiten heraus, die er mit Farbe weiß pinselte und malte schöne Zeichnungen hinein, und schrieb dazu den passenden Buchtext. Eine kleine Autobiografie über die  Freundschaft von Max und Liesel. Dieses Büchelchen ist auch im Buch mitabgedruckt und es ist nach meinem Geschmack zu urteilen ein sehr schönes geglücktes kleines Werk, womit er nachträglich Liesel überaus positiv überraschen konnte.

Was sich nicht alles aus Mein Kampf machen lässt? Man kann es lesen, oder etwas Neues aus dem Buch kreieren.
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Dienstag, 21. August 2012

Markus Zusak / Die Bücherdiebin (1)


Erste Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 
(bis S. 260)

Ich bin von dem Buch sehr angetan. Ich finde es wahnsinnig, wie so ein junger Autor so authentisch schreiben kann, zumal noch von einer Zeit, die er selber gar nicht miterlebt hat. Wie aus dem Klappentext zu entnehmen ist, ist damit der Nationalsozialismus gemeint, (s.letztes Post.). Die Charaktere und die historischen Ereignisse sind recht authentisch wiedergegeben. 

Die Sprache ist fantasievoll und verspielt. Vom Sprachniveau her erinnert mich Zusak zusätzlich noch an Hans Fallada.

Auf den ersten zweihundertsechzig  Seiten gibt es so viele schöne Szenen, die ich am liebsten alle festhalten möchte. Mal schauen, wie weit ich komme... .

Die Thematik ist wie immer schon im Klappentest wiedergegeben, so dass ich mich jetzt einfach mitten in das Geschehen einreihe... .

Wichtige Romanfiguren sind die Familie Hubermann, die die kleine neujährige Liesel als Pflegekind bei sich aufnehmen. Die Hubermanns haben zwar selbst zwei Kinder, beide sind aber erwachsen und schon aus dem Haus...

 Hans Hubermann junior arbeitete in der Münchener Innenstadt, und Trudi hatte eine Anstellung als Hausgehilfin. Bald schon würden beide in den Krieg ziehen. Die eine würde Munition herstellen, der andere damit schießen.

Der letzte Satz hat mich etwas betroffen gemacht, denn irgendwie steckt darin auch etwas Absurdes.

Auch eine Geschäftsinhaberin Frau Lindner hatte mich beschäftigt. An den Wänden hingen viele Porträts von Adolf Hitler, und sie bediente nur den Kunden anständig, der mit einem akkuraten Hitlergruß ihren Laden betritt. Dass sie so sehr Hitler anhimmelte, macht sich für mich dadurch bemerkbar, dass Hitler quasi die Personifizierung ihres eigenen Menschenbildes darstellte. Ihr inneres Menschenbild wurde nach außen hin lebendig... .

Selbst die Kinder behandelte sie als Kunden recht unterschiedlich. Liesel, die sich mittlerweile bei den Hubermanns eingelebt hat, hatte einen wichtigen Freund gefunden, namens Rudi Steiner. Rudi war schon der Hitlerjugend beigetreten und kannte sich mit den Zeremonien des Dritten Reichs schon recht gut aus, während diese für Liesel noch recht fremd sind, und sie selbst einige Zeit später in die Hitlerjugend für Mädchen beitritt, aber nicht, weil die Hubermanns Anhänger von Hitler waren, im Gegenteil:

Hans Hubermann konnte keiner Partei beitreten, die andere Menschen derart zu Feindbildern verzerrte.

Als sie beide das Geschäft von Frau Lindner betraten, missglückte Liesel der Hitlergruß und Rudi wies sie darin zurecht. Kurze Zeit später haben die Kinder auf der Straße einen Penny gefunden und gingen in den Laden von Frau Lindner, um sich mit dem Penny ein paar Bonbons zu kaufen, die sie sich untereinander aufteilen wollten. Doch Frau Lindner, der der ungeübte Hitlergruß Liesels noch recht gut in Erinnerung behielt, gab nur ein Bonbon heraus, und zwar an Rudi Steiner. Die Kinder gingen also raus auf die Straße und versuchten das Bonbon in der Mitte durchzuschneiden, allerdings ohne Erfolg. Das Bonbon war viel zu hart, um geteilt zu werden. Also beschlossen sie, sich mit dem Lutschen abzuwechseln. Jeder durfte in jeder Runde zehnmal lutschen, das ging im Wechsel immer hin und her, bis das Bonbon ausgelutscht war.

Diese Szene hat mir auch sehr gut gefallen und zeigt die Tiefe einer Freundschaft dieser beiden Kinder.

Auch wenn Rudi Steiner der Hitlerjugend beigetreten war, so war er von seinem Verhalten her kein wirklicher Nazijunge. Rudi Steiner war ein ganz gewöhnliches Kind, interessierte sich für Fußball und andere sportliche Aktivitäten. Er hatte ein Idol, der Jessen Owens hieß und von der Hautfarbe her schwarz war. Irgendwann begriff er, das Schwarze in der Nazidiktatur auch nicht erwünscht waren, und ohne tatsächlich zu begreifen was er tat, machte er ein Spiel daraus. Mit Kohle bemalte er seine Haut und sein blondes Haar. Unbewusst als Protest. 

Er war der Verrückte, der sich schwarz angemalt und die Welt besiegt hatte.

Das hat mir gut gefallen. Sein Vater, Alex Steiner, ist zwar der NSDAP - Partei beigetreten, weil das alle machten, aber er hegte keinerlei Vorbehalte gegen Juden.
Und Liesel? Liesel war ein verträumtes Mädchen, in

(deren) Erinnerung der Mond in dieser Nacht wie an den Himmel genäht (war). Drumherum waren Wolken gestickt.


Liesel konnte auch gut Fußball spielen und auch Jungen verprügeln. Und sie konnte eine große Begeisterung für Bücher entwickeln, obwohl sie unter erschwerten Bedingungen die Schriftsprache erworben hatte. Ihr Pflegevater Hans Hubermann, der sich sehr liebevoll um seine Liesel kümmerte, brachte ihr dies bei. Die Schule selbst versagte an solchen Kindern, die unter schweren Lebensbedingungen aufwuchsen. Liesel war ein durch viele Todesfälle in der Familie traumatisiertes Kind, bevor sie in die neue Familie kam, und der Pflegevater tat alles, um Liesel aus dem Trauma zu verhelfen. 

Liesel wurde in der Schule wegen ihrer Leseschwäche von Jungen gehänselt, die sie schließlich ordentlich verprügelte, und sich dadurch bei ihnen Respekt verschaffte, auch wenn sie daraufhin von ihrer Lehrerin, eine katholische Ordensfrau, die eigentlich Gott näher stand als irgend ein anderer Mensch, böse mit dem Lineal auf den Hintern verdroschen wurde. Die Lehrerin war nicht in der Lage zu eruieren, was das Mädchen zu ihrer Aggression brachte, denn schließlich verdiente der Lästerer es, bestraft zu werden,  wenn auch auf eine andere Art, als die mit dem Lineal... .

Auf der Seite sechsundneunzig geht es um gewisse Vorlieben der Deutschen im Dritten Reich, die ich gerne mit dem Zitat zum Ausdruck bringen möchte: 

(Das Nazideutschland war) auf eine gewisse Weise Schicksal. Man behauptet, dass das Nazi-Deutschland auf Antisemitismus erbaut wurde, auf einem übereifrigen Führer und einer Nation von mit Hass übervölkerten Heuchler. Aber das alles hätte zu nichts geführt, wenn die Deutschen nicht eine ganz besondere Vorliebe gehabt hätten:
Etwas zu verbrennen.
Die Deutschen liebten es, Dinge zu verbrennen. Geschäfte, Synagogen, Reichstagsgebäude, Häuser, persönliche Gegenstände, die Leichen ermordeter Menschen und natürlich: Bücher. Eine gute Bücherverbrennung war Gold wert - und gab nebenbei all jenen, die eine Schwäche für Bücher hatten, die Gelegenheit, Exemplare zu ergattern, die sie unter normalen Umständen nie in die Hände bekommen hätten. 


Zu diesen Menschen zählte auch Liesel  Memenge. Liesel war bei der Bücherverbrennung dabei, ihr Pflegevater begleitete sie dorthin. Sie näherte sich nach der Verbrennung der Asche zu:

Die Hitze war immer noch stark genug, um sie zu wärmen, als sie bei der Asche stand. Sie griff mit der Hand hinein und wurde gebissen, aber beim zweiten Versuch war sie schneller. Sie packte das Buch, das ihr am nächsten war. Es war heiß, aber es war auch nass, nur an den Ecken verbrannt und ansonsten unverletzt. (…) Aus ihrem Mantelkragen kräuselte sich Rauch. Um ihre Kehle hatte sich ein Band aus Schweiß gelegt. Unter ihrem Hemd wurde sie von dem Buch aufgezehrt.

Eine weitere Szene hat mir gut gefallen. die Szene mit der Bürgermeistersfrau, namens Elsa Hermann. Elsa Hermann wirkt ein wenig depressiv und in sich gekehrt. Sie selbst ist eine große Bücherliebhaberin  und besitzt auch eine große Bibliothek. Ihre Depression erkläre ich mir dadurch, dass sie die Bücherverbrennung schockierte, und sie ihren Protest nicht zum Ausdruck bringen durfte, und so flüchtete sie quasi in ihr Innenleben. Liesel lernte Frau Hermann durch einen regelmäßigen Arbeitsauftrag kennen, den sie durch ihre Pflegemutter für sie tätigte. Frau Hermann beobachtete Liesel dabei, als sie ein Buch aus der Bücherasche angelte. Dadurch kamen die beiden sich ein wenig näher. Immer wenn Liesel bei Frau Hermann des Auftrags wegen auftauchte, zeigte Frau Hermann der Liesel eine Reihe von Buchbänden, die sie sich auf dem Boden sitzend anschauen und durchblättern durfte. Eine verbale Kommunikation fand zwischen den beiden aber (noch) nicht statt. Sie verstanden sich auch nonverbal.

Liesel und Rudi schlossen sich einer jugendlichen Gaunerbande an, die sich ausschließlich auf den Diebstahl von Lebensmitteln verstand. In dieser Bande waren alles Kinder und Jugendliche aktiv, die unter großen Hungergefühlen litten. Die Lebensmittel waren in den Läden rationiert, und reichten nicht für alle aus.... Die Jugendlichen halfen sich aus, indem sie bei den Bauern sich selbst bedienten, um ihren quälenden Hunger zu stillen.  Liesel und Rudi mussten allerdings vor dem Bandenführer Arthur auch eine Mutprobe über sich ergehen lassen, um aufgenommen zu werden:

"Habt ihr schon mal was gestohlen?"
" Klar", brüstete sich Rudi. "Schon oft". Er spielte seine Rolle nicht sehr überzeugend.
Liesel war präziser. "Ich habe zwei Bücher gestohlen",  woraufhin Arthur dreimal kurz schnaubend lachte. (...)
" Bücher kann man nicht essen, Süße."

 Hier schließe ich nun, und hebe mir eine besonders wichtige Szene für morgen auf, platziere sie auf einer separaten Seite, damit die Buchbesprechung nicht zu lang wird. Morgen setze ich mit der Szene fort, als der untergetauchte Jude bei den Hubermanns eine Freundschaft mit Liesel entwickelte und ihr zum Geburtstag ein selbstgemachtes Büchelchen schenkte, das entstanden ist aus Hitlers Buch "Mein Kampf".

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Montag, 20. August 2012

Markus Zusak / Die Bücherdiebin



Klappentext

Molching bei München. Hans und Rosa Hubermann nehmen die kleine Liesel Meminger bei sich auf – für eine bescheidene Beihilfe, die ihnen die ersten Kriegsjahre kaum erträglicher macht. Für Liesel jedoch bricht eine Zeit voller Hoffnung, voll schieren Glücks an – in dem Augenblick, als sie zu stehlen beginnt. Anfangs ist es nur ein Buch, das im Schnee liegen geblieben ist. Dann eines, das sie aus dem Feuer rettet.
Eine Diebin zu beherbergen, wäre halb so wild, sind die Zeiten doch ohnehin barbarischer denn je. Doch eines Tages betritt ein jüdischer Faustkämpfer die Küche der Hubermanns …
»Die Bücherdiebin« erzählt von kleinen Freuden, großen Tragödien und der gewaltigen Macht der Worte. Eine der dunkelsten und doch charmantesten Stimmen und eine der nachhaltigsten Geschichten, die in jüngster Zeit zu vernehmen waren.



Autorenportrait im Klappentest

Markus Zusak, 1975 geboren, lebt und arbeitet in Sydney, spielt Fußball und schreibt Romane, die international für Furore sorgen. Für „Der Joker“ wurde er dutzendfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2007. Sein Roman „Die Bücherdiebin“ stürmte die internationalen Bestsellerlisten über Nacht. Zusaks Bücher wurden bis jetzt in über zwanzig Sprachen übersetzt.


Die Bücherdiebin ist wohl der erste Roman, den er für Erwachsene geschrieben hat, bisher galt Zusak als Jugendbuchautor. Ich selbst habe von ihm noch nichts gelesen, betrete sozusagen Neuland. Aufmerksam wurde ich auf das Buch von Anne gemacht, meiner Literaturfreundin, die hellauf begeistert war, und es ihr gelungen ist, mich mit ihrer Begeisterung abzustecken.. Ich habe gestern Abend ein wenig reingelesen um erste Eindrücke zu sammeln und kann mich noch gar nicht äußern. Manchmal bildet man sich schnell eine Meinung, und manchmal dauert es ein wenig.

Das Buch ist relativ umfangreich und hat knapp sechshundert Seiten, die ich gut nutzen kann, da ich noch Urlaub habe.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

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Samstag, 18. August 2012

Hans Fallada / Wolf unter Wölfen (7)



Siebte und letzte Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

(Seite 1100 - 1235)

Ich habe es nun geschafft, dieses Mammutwerk bis zum Ende durchgehalten zu haben. Ich bin eher Bücher gewöhnt von einem Seitenumfang bis maximal achthundert Seiten, der Durchschnitt liegt aber bei dreihundert bis sechshundert Seiten. Bei den dickeren Büchern ist es manchmal recht ungewiss, ob man auch wirklich diese Ausdauer hat. Es gibt Bücher, die fangen recht spannend an, und zur Mitte hin stellt sich´s anders heraus. Ich breche ungern ein Buch ab, deshalb hebe ich mir die wirklich dicken Bücher immer für meine Urlaubszeit auf. Nun befinden sich noch zwei weitere Bücher, die über tausend Seiten dick sind, in meinem Regal. Eines davon lese ich in meinem nächsten Urlaub, der im Dezember sein wird. 

Fallada gehört ja nun nicht zu den AutorInnen, die viel schreiben, ohne am Schluss wirklich etwas gesagt zu haben.

Für dieses Buch habe ich zehn Tage gebraucht... . 

Nun komme ich zu meiner letzten Buchbesprechung. 

Aus meiner Sicht ist es Wolfgang Pagel, der für mich der wirkliche Held des Romans ist. Womit ich gar nicht gerechnet habe, da er schließlich Wolfgang heißt, und in dem Buch erfährt der Name abgekürzt Wolf eine gewisse Entwertung, auf das ich nun zu sprechen komme. Hi, hoffentlich fühlen sich nun alle Wolfgangs auf dieser Welt nicht auf den Schlips getreten :D. Brauchen sie nicht, da nicht jeder Wolf mit seinem Rudel zieht, seine Opfer sucht und diese zerreißt ... . Wobei der Wolf in dem Buch nicht das Bild eines echten Wolfes entspricht, denn der echte Wolf tötet nur, um zu fressen, und nicht der Todeslust wegen. Nein, es gibt auch andere Wölfe, jemand wie Wolfgang Pagel... , der sich aus dem Rudel schleicht und aufhört, Opfer zu verschlingen, obwohl er satt ist... . 

Nun, da ich mich doch schon mittendrin befinde, was die Begriffsdefinition Wolf betrifft, denn schließlich heißt ja der Roman Wolf unter Wölfen und ich mich bisher noch gar nicht über den Titel ausgelassen habe, hole ich das jetzt nach. Dafür trage ich jetzt auch umso dicker auf :D und unterstreiche das Obengesagte nochmals mit einem Zitat, als es um einen Diener des Hauses Prackwitz geht, der ´sich als hinterhältig und gefährlich erwies, da er sich an die junge Violet heranmachte und sie kriminalistisch behandelte. Aber der Diner ist ja nur einer von vielen, die gut in diese Zeit (1923) reinpassten:

Das ist ein Scheusal, ein Wolf, der mordet, nicht um zu fressen, sondern um zu morden! (…) Vorbei die holde Lüge, die uns so gut schmeckt, vorübergewählt die zärtliche Gestalt der Liebe - Mensch gegen Mensch, Wolf unter Wölfen, musst du dich entscheiden, wenn du dich vor dir selbst behaupten willst-!

Eine jener Figur in dem Buch ist sich ihrer Verbrechen bewusst, sie sich aber so wohl fühlt, dass sie keinerlei Bereitschaft aufbringen möchte dies zu verhindern. Die Rede ist von Negermeier, eine Romanfigur, über die ich mich noch gar nicht ausgelassen habe. Das ist auch gar nicht so wichtig, denn dieser Negermeyer ist auch nur ein Symbol und steht stellvertretend für einen bestimmten Schlag von Mensch. Der Erzähler gibt seine Eindrücke zu diesem Menschen wieder und zitiert ihn:

Aber in seiner Brust scheint nur noch Platz zu sein für diese elende Unruhe, ein weiches, verdammtes Gefühl -: oh, so schwach, (...)! Nein, ich schwöre, ich will mich nicht bessern, ich will mich nicht ändern! Ich war gerade so richtig, wie ich war, mit Zähnen zum Beißen, Wolf unter Wölfen-! 

Wolfgang Pagel fand ich eigentlich die interessanteste Figur in dem Buch, aber da ich nicht so viel verraten möchte, drücke ich mich nur oberflächlich aus. Er hat viel durchgemacht und ist auch einer von den wenigen, der durch diese schwere politische Zeit so geprägt war, aber sein Wesen trotzdem positiv verändert wurde. Nicht so wie bei den anderen, bei denen die Charakterschwächen sich eher durch die schweren Zeiten noch verstärkt haben. Wobei ich Wolfgang Pagel niemals als wirklich fies oder bösartig empfunden habe. Von Anfang an nicht, er hatte eher einen weichen Kern, deshalb passte der Name Wolf nicht wirklich zu Ihm. Er ist ein junger Mensch gewesen, der selbst erst mal Lebenserfahrungen sammeln musste, um sein wahres Wesen zu festigen. Auf den letzten zweihundert Seiten liest sich der Roman wie ein Krimi, in dem Wolfgang Pagel keine untergeordnete Rolle mehr spielt. Er tritt aus dem Hintergrund wieder hervor, als eine wichtige Hauptfigur. Aber es hat ihm auch viel Kraft gekostet, die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als Mensch und nicht als Wolf zu überstehen:

Entmutigt setzte er sich auf einen Strohballen, plötzlich völlig, grenzenlos entmutigt. Es ist oft so, dass ein Mensch viele harte Dinge eine lange Zeit hindurch mutig erträgt, plötzlich wirft ihn dann eine Kleinigkeit um. Pagel hatte mit unveränderter Freundlichkeit viel Schweres in den letzten Wochen ertragen, aber der Gedanke, dass er vom Morgengrauen bis in die Nacht hinein herumlief, tätig war und dass doch Nachlässigkeit, Liederlichkeit, Faulheit zunahmen, der Gedanke, dass fünfzehn Schaufeln, Spaten und Forken in dieser Nacht Rost ansetzen würden, warf ihn um.

Was die Inflation betrifft, so nahmen die Zahlen horrible Formen an, kaum vorzustellen, dass die Menschen plötzlich alle Millionäre wurden und dennoch waren die Millionäre bitterarm. Ziemlich grotesk. Die Menschen konnten mit dem Geld nichts anfangen, und auf ihren Arbeitsstätten bevorzugten sie ihren Arbeitslohn umgewandelt in Naturalien, damit sie wenigstens etwas zu Essen hatten. Doch auch dies erwies sich als schwierig, da die Lebensmittel knapp waren und nicht für alle ausreichten.  Der Dollar stieg immer mehr, nahm astronomische Zahlen an:

Die Zahlen wachsen - das Elend wächst auch. (…) Jetzt sollen bald die Billionenscheine kommen-tausend Milliarden - höher geht's dann nicht mehr!

Höher geht's dann nicht mehr, das ist die Hoffnung vieler Menschen gewesen, doch Pagel ist da ganz anderer Meinung:

"Es gibt nämlich, weiß ich noch von der Schule her, Billiarden, und Trillionen und Quadrillionen und… ."

Zum Ende des Romans hin waren die Verläufe recht angenehm, d.h. der Roman endet optimistisch aber keinesfalls kitschig. Es bestätigt meinen Eindruck, den ich von Fallada habe, dass er sehr gut die Missstände seiner Zeit aufzudecken in der Lage war, aber er tat es, ohne seinen Glauben an den Menschen zu verlieren.

Hier mache ich nun Schluss. Das Kapitel mit Violet war recht spannend, auch was der weitere Lebensweg von Petra Ledig betrifft halte ich mich bedeckt, so wie auch was die  Entwicklungen der anderen Persönlichkeiten und der anderen Themen in dem Buch betreffen.

Spannend fand ich zum Schluss auch die Charakterzüge und Entwicklung von Violets Mutter. Der Rittmeister durchlief am Ende den  bestmöglichen Ausgang... .

Wie hat mir das Buch gefallen? Ich fand es sehr interessant, denn anders als in einem Geschichtsbuch habe ich bei Fallda das Gefühl gehabt, in das Buch gestiegen zu sein und mir die  Inflation erfahrbar gemacht zu haben. Das Schöne an einem Buch aber ist, die Gewissheit zu haben, dass die  Zustände bald aufhören werden, spätestens mit der letzten Seite des Buches... . Ich habe zehn Tage lang die Inflation erlebt... . Aber das Buch hat mich nicht sooo gefesselt, wie mich seine anderen Bände gefesselt haben. Manche Szenen hat er nicht wirklich gut herausgearbeitet, und ich erkläre es mir aber dadurch, dass er das Thema in dem Buch sehr umfangreich behandelt hat..., wovor ich allerdings dann doch große Hochachtung habe... . 

Ich gebe dem Buch acht von zehn Punkten. Acht und nicht mehr, aus oben besagten Gründen. Acht und nicht weniger, da es keine schwarz-weiß-Verläufe gab und die Charaktere recht differenziert beschrieben wurden, was die Qualität eines wirklich guten Buches ausmacht. 

Das nächste Buch, das ich mir in ein paar Wochen von Fallada vornehmen werde, ist der Band Der Trinker. Es geht wohl um ein Sanatorium, in dem psychisch kranke Menschen untergebracht sind, und sie es schwer haben, dort wieder herauszukommen. Das Buch beinhaltet autobiografisches Material aus der Zeit von 1944. Hitler lässt hier grüßen, der für menschliche Schwächen alles andere als Toleranz und Verständnis zeigte.  

Fallada war ja selbst alkoholabhängig... . 

Ich bin sicher, dass dieses Buch mich wieder richtig fesseln wird. :-).

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Freitag, 17. August 2012

Hans Fallada / Wolf unter Wölfen (6)


  Sechste Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

 (Von Seite 950 - 1100)


So langsam neigt sich das Buch dem Ende zu. Habe für morgen noch die letzten 134 Seiten vor mir, dann folgt mein Abschlussbericht.

Ich habe schon öfter mir anhören müssen, dass es noch nie so viele psychisch kranke Menschen geben würde wie zu heutiger Zeit. Ich habe darüber immer schmunzeln müssen, weil ich wusste, dass das Quatsch ist, denn das Leben war zu jeder Zeit auf seine Weise schwierig und herausfordernd.  Fallada bringt das, besonders in diesem Buch, sehr gut zur Geltung. Die meisten auftretenden Figuren sind labil, bis psychisch krank. Er hat das ja auch in seinem Buch begründet, s. Buchbesprechungen weiter unten, das ich nicht wiederholen möchte, es aber einfach auf der Hand liegt, besonders wenn man seine Bücher liest. Man erfährt durch den Autor psychische / psychiatrisch labile Persönlichkeiten, die in keine Geschichtsbücher zu lesen sind. In den Geschichtsbüchern geht es ausschließlich um Fakten und nicht um Menschenschicksale in dieser Form, wie sie im Buch geschildert werden.

Der Rittmeister besuchte aus besonderen Gründen ein Sanatorium und dort wurde er als psychisch krank diagnostiziert, und als jemand, der nur mit einer geringen intellektuellen Begabung gesegnet sei. Er wurde als recht aufbrausend und impulsiv beschrieben. Jemand, der seine Emotionen nicht unter Kontrolle habe, und eine Gefahr für Dritte werden könne.

Der Leutnant, der Liebhaber von Violet, wirkte ein wenig paranoid, starb zum Schluss an einem Suizid, weil er aus meiner Sicht den Druck seiner Vorgesetzten aus dem Militär nicht standhalten konnte.

Violet erfährt die tragische Wahrheit ihres Liebhabers, dass er nie Liebe für sie empfunden habe und er nichts weiter mehr von ihr wissen wolle. Eigentlich ist er wütend auf sie, da sie sich, bezogen auf das versteckte Waffenlager, geschwätzig gezeigt habe. Sie erleidet einen starken Nervenzusammenbruch, der mit Beruhigungsspritzen behandelt wurde. Die Mutter macht sich zum ersten Mal Vorwürfe, zu streng mit ihrem Mädchen umgegangen zu sein und bangt um ihre psychische Gesundheit... . Violet verschwindet, die Mutter bricht zusammen, Rittmeister war vorher schon psychisch auffällig, und nun versucht er nach dem Zusammenbruch seiner Tochter  sich mit Alkohol zu betäuben, aber auch, weil er nun schließlich die Wahrheit ihres Liebhabers erfahren hatte und er einsehen musste, dass er von seiner Tochter belogen wurde... . Eifersüchtig auf Violet, als seine Frau ihm nicht die selbe emotionale Pflege zukommen ließe, was er ihr auch vorwirft und vergisst dabei, dass er ein erwachsener Mann ist, während Violet eine Heranwachsende und die Fürsorge der Eltern dringender benötigt.

Habe ich jemand vergessen, der  nicht psychisch gebrochen ist?  Vielleicht..., evtl. habe ich die Nebenrollen hier im Schriftlichen nicht beachtet... .

Jedenfalls sind diese 150 Seiten recht mühsam zu lesen, da es jede Menge Tragödien gibt. Auch in den Nebenrollen... . 

Unvorstellbar sind für mich nach wie vor die Preise, die von der Inflation diktiert werden, je nachdem wie der Dollar fällt, steigt oder steht, der sich stündlich ändern konnte und mit welchen Summen man es zu tun bekommen hat. Ein Glas Bier kostet in dem Roman zweihundertzweiundvierzig Millionen Mark... .

Nun folgt wieder eine optimistische Einstellung von Fallada, die ein wenig grotesk erscheint zu dem Menschenbild, das er hat aber trotzdem auch einen Wahrheitskern besitzt, auch wenn er dieses Zitat durch seine Romanfigur sprechen lässt

Eigentlich besteht das Leben, genau betrachtet, aus lauter Niederlagen aber der Mensch lebt doch weiter und freut sich am Leben, der Mensch, dieses zäheste, dieses widerstandsfähige aller Geschöpfe… .

Aber es gibt auch eine lustige Textstelle, die zwar ein wenig profan ist, aber trotzdem ganz schön. Die Haushälterin von Prackwitz´ bereitet Wolfgang Pagel Gänseflügel zum Mittagessen zu,  und Pagel mit dem Mahl alles andere als begeistert ist. Auch weil die Haushälterin viel darüber zu klagen hat, dass die Gänse immerzu von Jungen mit Steinen beworfen werden würden, und sie, dadurch, dass die Gänse verletzt wären, gezwungen sei, die Gänse zu schlachten. Aber Pagel interessiert das überhaupt nicht, er möchte kein Gejammere hören, er möchte lieber glücklich sein. Dazu die Reaktion der Hauswirtschafterin:

"Wenn meinen Gänsen darum weiter die Knochen zerschnitten werden sollen, weil Sie glücklich sind, Herr Pagel, (…) dann ist es besser, Sie laufen  unglücklich rum und tun was für die Wirtschaft. Denn dafür sind Sie hier, nicht für Glücklichsein."

 So, das war's jetzt erstmal für heute. Ein paar andere Textstellen hebe ich mir für meinen Abschlussbericht auf.

P.S. Der Putsch ist so eingetroffen, wie ich es vermutet habe, verweise aber zu näheren Details auf das Buch, wobei der Putsch nicht wirklich viel Raum bekommen hat. Wird nur kurz berichtet, da viel auf die einzelnen menschlichen Schicksale eingegangen wurde... . 

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