Donnerstag, 2. August 2012

Erich Maria Remarque / Ein militanter Pazifist (1)


Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Ich habe das Buch heute Morgen auf meinem Dienstweg im Bus zu Ende bekommen. Was es doch für Vorteile hat, kein Auto zu fahren... . 

Mir hat das Buch, eine Denkschrift, ein Plädoyer, sehr gut gefallen, und freue mich, dass ich Remarque richtig eingeschätzt habe. Remarque geht es einzig und allein um die Menschlichkeit, um die Würde des Menschen... . Beides verliert der Soldat im Krieg. Menschlichkeit und die Würde... . 

Kaum dass ein junger Mann erwachsen geworden ist, steht er an der Front und wird mit dem Gräuel eines Krieges konfrontiert:

Bildet euch nicht ein, dass Deutschlands Jugend aus Patriotismus, für "Kaiser und Reich", stirbt und leidet. Das fegt nur aus eurem Herzen heraus. :D Patriotismus haben nur Kriegsgewinnler und Reklamierte! Außerdem ist der Patriotismus, mit dem ihr die Zeitungen füllt, Anzeichen von Heldentum, und kein Zeichen freien Geistes. Ist das denn eine Tat, wenn ich für eine absurde Idee, für eine Dummheit von Staatsmännern, für einen Menschen, dem Geburt und Angewohnheit, die ich längst nicht gutheiße, eine Stellung gaben, mein Leben wage und gebe? Ist dieser Krieg nicht eine totale Verkehrung der Natur? Eine Minderheit diktiert, befiehlt der großen Mehrheit: Jetzt ist Krieg!
Remarque war erst achtzehn Jahre alt, als er im ersten Weltkrieg an den Händen und am Hals durch Granatsplitter schwer verwundet wurde, so schwer, dass Remarque, der eine Musikerkarriere anstrebte, seine beruflichen Ziele in dieser Richtung aufgeben musste. Der Krieg hatte ihn dermaßen geprägt, dass er zu einem Pazifisten geworden ist, und zwar zu einem militanten :D. Eine gewisse Ironie steckt in dieser Bezeichnung...

Gestern hatte ich eine lange Aussprache mit einem Kameraden, (…). Was mir bis dahin unbestimmt vorgeschwebt hatte, bekam festere Gestalt. Nämlich der Gedanke, die Jugend Deutschlands, diese prachtvolle, stahlharte Jugend aufzurufen nach dem Kriege zum Kampfe gegen das morsche und faule und oberflächliche in Kunst und Leben. (…) Sturm gegen veraltete Erziehungsmethoden, (…) Kampf für bessere Lebensbedingungen des Volkes, Bodenreform, vor allem Kampf gegen die drohende Militarisierung der Jugend, gegen den Militarismus in jeder Form seine Auswüchse. (…) Vor allen Dingen: Streben nach innerer Wahrheit und Ernst in allen Dingen, Kampf gegen Kleinigkeiten niederes unter allen Umständen.

Remarque spricht auch oft von einer Gewissensbildung, denn mit einem dumpfen Gewissen ist der Mensch nicht mehr sensibilisiert genug gegen Unrecht und Leid...  . Gewissensbildung auch noch nach dem Kriege. Sich mit diesen Kriegserlebnissen auseinanderzusetzen, statt diese schnell zu vergessen... , nur so könne der Mensch aus der Geschichte lernen. Ich denke dabei auch an Alexander Mitscherlich, der das Buch geschrieben hat: "Die Unfähigkeit zu trauern". Auch er schrieb ähnliches: Wenn der Mensch unfähig ist zu trauern, besteht die Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholt... . Aus Remarques Bücher geht deutlich hervor, dass die zurückgekehrten Soldaten unter dem Erwartungsdruck der Gesellschaft standen. Trauer war nicht erlaubt... . Der zurückgekehrte Soldat befand sich mit seiner Trauer und mit seinen zahlreichen Verlusten allein... .


Auch Familienmitglieder Remarques wurden von dem Krieg bedroht und tödlich getroffen. Im zweiten Weltkrieg wurde Remarques Schwester von den Nationalsozialisten wegen des Widerstandes mit einem Handbeil hingerichtet. Remarque selbst wurde von den Nazis ausgebürgert, er lebte in der Schweiz, wo er aufgrund seiner Popularität ohne Bedrohung leben konnte, während seine geschiedene Frau, die ebenfalls ausgebürgert und staatenlos war, aus der Schweiz ausgewiesen worden wäre, hätte Remarque sie nicht ein zweites Mal geheiratet, um sie vor der Ausweisung zu schützen. Er hatte hier eine richtig gute Tat begangen.

Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, dies dementiert Remarque in seiner Denkschrift vehement, nach dem die Konzentrationslager nach Kriegsende aufgelöst wurden:

"Das Volk der Dichter und Denker, dass es niemals war, - das Volk der Mörder und Henker"-

In der Nachkriegszeit, Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, warf Remarque den Kriegsländern vor, nichts von den Kriegskatastrophen gelernt zu haben, da weiterhin Waffen erfunden und  produziert werden würde ... 

Die Welt liegt weder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten Laboratorien und Fabriken aufs neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu erhalten durch die Erfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball sprengen kann.- Den Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie weniger dafür getan worden als in unserer Zeit.

 Remarque stellt sich oft die Frage, wie Menschen vom Krieg abgeschreckt werden könnten... . Er selbst hegt keinerlei Rachegefühle gegen die Feinde  des Landes, stattdessen aber ruft er: "Nie wieder."
Remarque hegt idealistische Ansichten, und wendet sich mit seinem Appell an die Jugend, und an die Institution Schule, um so viele junge Leute wie nur möglich ansprechen zu können:

Unterricht und Geschichte muss nicht auf die Nation begrenzt werden wie bisher, sondern auf internationale Geschichte erweitert werden, um die Abhängigkeit aller Länder voneinander und damit das Verbrechen des Krieges unter zivilisierten Nationen aufzuzeigen. Die Jugend braucht Helden, aber es gibt genug Helden in der Wissenschaft, der Medizin, Helden des persönlichen Opfers für menschlichen Fortschritt, der Erforschung der Welt, selbst im Sport, um die Generale zu ersetzen. Die schrecklichen Verluste in den Kriegen sollten betont werden - die Verluste an menschlichem Leben, andererseits, durch Zerstörung von Kunstwerken, an nationalem Einkommen etc. Es sollte gezeigt werden, dass, wenn das Geld, das für die Kriege ausgegeben wurde, stattdessen in Fortschritt, Zivilisation und vorrangig tätig investiert worden wäre, die Welt leicht zu etwas wie ein Paradies sein könnte.
Man sollte das mit Tabellen und Fakten untermauern. Man sollte beweisen, dass in einer Zeit, wo ein Flugzeug in wenigen Stunden alle europäische Grenzen überqueren kann, kein Konflikt zwischen europäischen Nation so unlösbar sein kann, dass sie einen Krieg mit seinen Schrecken rechtfertigt. Es sollte gezeigt werden, dass ein zukünftiger Krieg selbst diesen letzten zu einem Kinderspiel machen würde; dass ganze Länder und Völker zerstört werden würden und dass sich ein Krieg noch nie ausgezahlt hat - nicht einmal für den Sieger.

 Remarque selbst hatte mit einer Ausbildung zum Volksschullehrer begonnen, an der er allerdings scheiterte, weil er mit den Vorgaben und mit den veralteten Erziehungsmethoden alles andere als zurecht kam. Er sträubte sich gegen konservative Hierarchien und deren Lehrpläne.

Aus dem Buch geht auch hervor, dass Remarques Bücher keine Erfindungen seien, sondern alles Erlebnisse, die er in seinen Büchern verpackt hat. Er schrieb keine Kriegsbücher, stattdessen schrieb er für die Menschlichkeit. Obwohl aus seinen Büchern schwere Kriegserlebnisse hervorgehen, ist Remarque alles andere als ein Pessimist.

Der Mensch ist gut, trotz allem. Sonst wäre die Atombombe die einzige Lösung.

Mit diesem Zitat beende ich meine Buchbesprechung und freue mich auf weitere Bücher von Remarque, von denen ich mir vor ein paar Monaten einen Vorrat angelegt habe... . 

Anmerkung: Die in Fettdruck hervorgehobenen Textstellen sind durch mich entstanden.

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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 56
Gelesene Bücher 2011: 86





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