Dienstag, 3. Februar 2015

Randy Susan Meyers / Heute und in Ewigkeit (1)


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir recht gut gefallen. Es ist, als habe eine Sozialarbeiterin dieses Werk geschrieben. Lediglich an bestimmten Begriffen habe ich mich gestört gefühlt, Begriffe wie z. B. Penner … angelehnt an der Gossensprache und zählt nicht zum professionellen Wortschatz einer Sozialarbeiterin oder Ärztin. Ich selbst würde nie einen Obdachlosen, Wohnsitzlosen als Penner bezeichnen. Aber wahrscheinlich ist das der Jargon der Übersetzerin. Wer weiß.

Die Autorin habe, lt. Klappentext, aus ihrer eigenen Berufspraxis geschrieben.

Der vorliegende Roman ist ein Debüt und er erzählt im Wechsel aus zwei Perspektiven zwischen den beiden Protagonistinnen Lulu und Merry Zacharia. Die eine ist Ärztin geworden, die andere Sozialarbeiterin/Bewährungshelferin.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Lulu ist zehn, als ihr Vater vor ihren Augen die Mutter ersticht. Jetzt gibt es nur noch sie und ihre Schwester Merry — und niemanden, der sie tröstet. Scheinbar unzertrennlich meistern die beiden in den Folgejahren alle Schwierigkeiten. Doch ihre Geschwisterliebe wird auf eine harte Probe gestellt. Denn während die eine ihren Vater verleugnet, sucht die andere nach Wegen der Versöhnung …
Lulu und Merry Zacharia sind zwei Geschwisterkinder, die aus nicht einfachen Verhältnissen kommen. Der Vater, Alkoholiker, später Mörder, und die Mutter war ebenso sehr mit sich selbst beschäftigt, während die Bedürfnisse der Kinder oftmals zu kurz kamen. Lulu war ein lesebegieriges Kind und wünschte sich zu Geburtstagen und Weihnachten Bücher, bekam aber immer nur Puppen geschenkt ... Das Schicksal, das dieser Familie in den 1970er Jahren ereilt, ist sehr ergreifend. Starker Tobak für die kleinen Mädchen. Aber Realität pur. Das Schicksal holt sich seine Opfer, ohne Rücksicht auf ihr Alter …
Der geschiedene Vater, der die Mutter seiner Kinder mit einem Messerstich tötet, kommt für mehr als dreißig Jahre in den Knast. Die beiden Mädchen tragen das Erbe ihres Vaters, die Mordtat überträgt die Gesellschaft auf die Kinder. In der Schule erfahren sie Diskriminierungen höchsten Grades, auch die Verwandtschaft mütterlicherseits distanziert sich von den Kindern. Auf der Trauerfeier wird viel genuschelt, was die sensible Lulu, gerade mal zehn Jahre alt, mitbekommt:
Ich wünschte, ich hätte den Mut, hinüberzugehen und eine von ihnen am Ärmel zu zupfen. Entschuldigen Sie bitte. Reden Sie über mich? Joes Tochter? Es ist nicht ansteckend, das wissen Sie doch. Ach ja und ich hatte nur Einsen in meinem letzten Zeugnis, danke der Nachfrage. Es gibt übrigens kein Mörder -Gen. Ich weiß das. Ich habe Biologie in der Schule.
Lulu trägt eine große Schuld auf ihren Schultern, da sie, vom Vater überredet, ihn in die Wohnung reingelassen hat, obwohl die Mutter ihm striktes Hausverbot ausgesprochen hatte. Zwischen den Eltern kam es zum dramatischen Eklat, der zum Mord der Mutter führte.

Die Kinder kommen ins Waisenhaus, die Verwandtschaft mütterlicherseits lehnte es ab, die Kinder bei sich aufzunehmen. Und auch im Heim galten die Mädchen als die Mördermädchen.

Lulu verweigert den Kontakt zu ihrem Vater, während Merry sich trotz dieses Verbrechens zu ihm hingezogen fühlte. Sie war zu klein, fünf Jahre alt, um diese grauenvolle Tat reflektieren zu können, ein Verbrechen, das auch ihr gegenüber verübt wurde. In dem Alkoholrausch wandte der Vater das Messer auch gegen Merry, als sie versuchte, die Mutter zu schützen. Merry hatte Glück, dass sie den Messerstich in ihrer Brust überlebt hatte. Später werden die Mädchen in eine Pflegefamilie namens Cohen weitervermittelt. Die schwere Kindheit der Mädchen stimmte besonders Lulu auch gegenüber der Pflegefamilie misstrauisch. Lulu gab Merry ihr Versprechen, dass sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr durchhalten wolle, um aus der Pflegefamilie wieder auszutreten, um für sich und Merry zu sorgen. Eine große Verantwortung, die Lulu auf sich zieht …

Der Pflegevater, Arzt von Beruf, begleitet Merry nach starken Überwindungen ins Gefängnis, um den Vater zu besuchen. Der Vater legt sich mit Cohen an, hält ihn für überheblich, und kommt mit seiner Mitleidstur, die man von vielen Alkoholikern kennt:
Doktor Cohen stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und sagte leise: >>Mr. Zachariah, Sie haben keinen Grund, mit mir zu streiten. Meine Frau und ich kümmern uns sehr gern um Lulu und Merry. (…) Meine Frau hat sich im Heim sozusagen in die beiden verliebt. Sie gehören jetzt praktisch zur Familie. Ich bin nicht Ihr Feind. Dennoch werde ich mir von Ihnen keine Beleidigungen gefallen lassen.<< 
 >>Sie halten mich für ein Ungeheuer, Doktor. Vielleicht war ich das auch. (…) Ja, ich glaube, ich war ein Ungeheuer von der schlimmsten Sorte. Aber ich war betrunken und außer mir vor Liebeskummer. Sie meinen, das wäre keine Entschuldigung, aber ich verbüßte meine Schuld.<< Doktor Cohen beugte sich vor und sagte wieder leise: >>Es hat den Anschein, als müssten Ihre Töchter ebenso büßen wie Sie.<< 
Lulu entwickelte sich trotz ihrer Probleme zu einer Musterschülerin, die es zu einem Medizinstudium brachte. Mit ihrer Schwester hatte sie ausgemacht, niemandem mehr von ihrer Herkunft zu erzählen. Ihre Eltern seien bei einem Autounfall ums Leben gekommen, der sie zu Waisen machte …
Lulu liebte Bücher nach wie vor über alles. Verbringt die meiste freie Zeit in der Bibliothek: 
Am College kannten mich alle nur als das stille Mädchen, das immerzu lernte. Der Rest der Welt hätte meinen können, dass ich in der Bibliothek wohnte, und so wenig, wie ich mit meiner Zimmernachbarin redete, hätte ich ebenso gut unter einem der Tische im Lesesaal schlafen können. Im zweiten Collegejahr hatte ich eine Wohnung gemietet, so klein und von niemandem gewollt, dass ich sie mir leisten konnte, mit ein bisschen Geld von den Cohens und dem, was ich nebenbei im medizinischen Labor verdiente. 
Merry kämpft mit den vielen Erwartungen ihres Vaters. Klammert sich an ihre Liebe, saugt regelrecht an ihr wie ein ausgehungertes Tier: 
Ein Grinsen breitete sich über Dads Gesicht, dasselbe verdammte Lächeln, jedes Mal. Hab mich lieb! Mach mich glücklich! Lass mich eine Stunde lang Vater sein! 
Merrys Leben kommt dabei zu kurz, die Erwartungen ihres Vaters engen sie ein, sie kann sich davon nicht freimachen. Merry ist von Beruf Bewährungshelferin und setzt sich für Gewaltverbrecher ein. Eigentlich nicht wirklich ein Beruf, den sie freiwillig ergriffen hatte, nein, sie verarbeitet mit ihrem Beruf das Leben ihres im Knast sitzenden Vaters.

Zwischen den Geschwistermädchen, mittlerweile sind beide erwachsen geworden, kommt es häufig zum Disput. Lulu hat es geschafft, eine eigene Familie zu gründen, Merry dagegen noch nicht, da sie von ihrem Vater nicht abgenabelt genug ist. Merry erinnert Lulu immer wieder an ihr Versprechen, sie nicht allein zu lassen, da sie ja nur einander haben. Merry mischt sich immer wieder in die privaten Angelegenheiten ihrer Schwester ein. Doch Lulu fühlt sich überfordert. Aus der Ichperspektive Lulus:
Ich schleuderte das Kissen, das ich an mich gedrückt hatte, auf den Boden und stand auf. Mein Arm zitterte, als ich mit ausgestrecktem Finger auf Merry zeigte. >>Ich kümmere mich um meine Tochter. Ich mache hier die Regel. Das ist meine Familie, und wenn's dir nicht passt, wie ich meine Kinder erziehe, dann ist es wohl an der Zeit, dass du gehst. Such dir selber einen Mann. Kriege deine eigenen Kinder. Hör auf, an meinem Leben zu saugen.<<
Merry, angestiftet von ihrem Vater, kann den Boykott ihrer Schwester, dem Vater gegenüber, nicht akzeptieren. Merry besteht darauf, Lulus Kinder aufzuklären, dass der Großvater nicht tot sei, sondern noch am Leben und im Gefängnis sitzen würde. Lulu lehnt nach wie vor vehement ab, bis es zu einem schrecklichen Ereignis kommt, indem Lulus Mädchen von einem Täter in Gefahr gebracht wird. Wiederholung von Schicksalsereignissen? Das lest selbst.

Das Buch erhält von mir neun von zehn Punkten.

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Wie du Menschen behandelst, ist wichtiger, als wie du aussiehst.
(R. S. Mayers)

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