Mittwoch, 4. Mai 2016

Marian Izaguirre / Als die Träume noch uns gehörten (1)

Lesen mit Anne ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch ist dermaßen originell geschrieben, so viele clevere Ideen, mit denen die Autorin ihr Thema geschmückt hat, finde ich grandios. Man war intellektuell recht gut gefordert. Keine Zeit für Langeweile. Der Roman ist so facettenreich, dass ich beschlossen habe, die Buchbesprechung kurz zu halten. Um nicht zu viel zu verraten, denn ich gönne jeder Leserin und jedem Leser von der ersten bis zur letzten Seite dieselben Genüsse, wie wir sie, Anne und ich, auf geistiger Art erlebt haben.

Man muss intellektuell sehr flexibel sein …

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:

Lola und Matías leben eher schlecht als recht von dem kleinen Buchladen am Ende einer Sackgasse. Da taucht ein geheimnisvolles Buch auf, von dem keiner weiß, wo es herkommt. Matías ist fasziniert von dem Roman. Er stellt ihn, das erste Kapitel aufgeklappt, ins Schaufenster. Jeden Tag wird er eine weitere Seite umblättern. Niemand interessiert sich für das Buch, bis eine geheimnisvolle Frau vor das Fenster tritt und liest. Lola bittet die Fremde hinein. Gemeinsam tauchen sie in die seltsame Geschichte ein. Eine Geschichte, nach der beide nicht mehr dieselben sind wie vorher…

Wenn ich nun den Klappentext mit diesen Hintergründen lese, die mir zur Verfügung stehen, sehe ich die ganze Geschichte vor mir.

Was mir besonders gut gefallen hat, waren nicht nur die kreativen Ideen, sondern auch die geschichtlichen und politischen Hintergründe Spaniens, die die Autorin in ihren Stoff hat mit einfließen lassen. Vor allem die Francodiktatur fand ich recht interessant. Auch hier geize ich allerdings mit weiteren Informationen, obwohl es mir in den Fingern juckt.

Das Originellste an der Geschichte war, dass man zwei Bücher in einem Buch gelesen hat. Und am Ende haben sich die Realitäten vermischt. Rose Tomlins Buch stand auf dem Buchdeckel. Roses familiäre Herkunft ist dermaßen diffus, dass man zu glauben meint, sie sei ein Waisenkind, das nirgends seinen festen Platz in der Gesellschaft hat. Und hier fällt mir wieder der weitere Klappentext ein, der schreibt:

Wenn Kate Morton und Carlos Ruiz Zafón zusammen einen Roman geschrieben hätten, dann diesen!

Ich muss schon zugeben, auch wenn ich kein Fan dieser genannten AutorInnen bin, dass der Klappentext doch recht behalten hat. Nur dass Marian Izaguirre mir doch mehr gelegen hat. Denn sie hat aus diesem Mix einen eigenen Stil entwickelt, wobei ich nicht wissen kann, ob das nicht eher Zufall ist. Vielleicht hat Izaguirre noch nie Zafón gelesen. Und vielleicht auch nicht einmal Morton ... 

Matías und seine zweite Frau Lola bekommen Schwierigkeiten mit der Francoregierung, weil sie z. B. sich nicht an die Vorgaben von Regeln und Normen ihrer Konfession halten konnten und geraten mit der Regierung in einen tiefen Konflikt, der sie existenziell geschwächt hat. Der Autorin ist es gut gelungen, in ihrem fiktiven Roman historische Begebenheiten mit einzubauen. Starre Vorstellungen und Erwartungen von politischen und gesellschaftlichen Lebensweisen kommen hier zum Tragen. Differenz und Vielfalt waren in der Francoregierung nicht erwünscht. Der Leitgedanke war symbolisch gesehen von einer Einheitsgesellschaft geprägt, in der kulturell alle dasselbe tun  und dasselbe denken ...

Weder Kate Morton, noch Ruiz Zafón haben politische Aspekte in ihren Romanen einfließen lassen ... Zumindest nicht in den Büchern, die ich gelesen habe. 


Mein Fazit?

Da der Roman dermaßen gefüllt ist mit so vielen wichtigen Begebenheiten, Fiktion und Realität, hätte ich Lust, das Buch ein zweites Mal zu lesen. Im Austausch mit Anne konnte ich in Erfahrung bringen, dass es ihr auch so erging. Mal schauen, wann wir das zweite Lesen umsetzen werden. Auch Anne ist von dem Buch sehr angetan gewesen. Wenn unser SuB nur nicht so hoch wäre ...

Da Anne immer die Erste ist, die meine Buchbesprechung zu lesen bekommt, bevor ich sie freischalte, habe ich von ihr erfahren, dass Zafón in dem Buch Der Gefangene des Himmels auch politisch gewesen sei. Ein hartes Buch über die Francoregierung. Nun, das wäre jetzt für mich ein Grund, eine Ausnahme zu machen und so beabsichtige ich, auch dieses Buch zu lesen.

Zafón zählt zu Annes LieblingsautorInnen. Ich glaube, mich erinnern zu können, dass sie alle Bücher von ihm gelesen hat, während ich mit dem dritten Zafón-Buch stehengeblieben bin.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

________
Unsere Erinnerung gebe denen das Leben zurück, die es nicht mehr besäßen.
(Izaguirre zitiert Guy de Maupassant)

Gelesene Bücher 2016: 24
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Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86



4 Kommentare:

Querleserin hat gesagt…

Liebe Mirella,
ich habe von Zafón nur einen Roman gelesen: Im Schatten des Windes - vor langer Zeit. War aber recht angetan. Deine Besprechung hat mich sehr neugierig gemacht...werde es auf jeden Fall auf meine Liste setzen.
liebe Feiertagsgrüße, Tina

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Vielen Dank, liebe Tina. Das freut mich sehr, dass ich dich neugierig machen konnte. Dann bin ich auf deine Rezi gespannt, wenn du so weit bist.
Liebe Grüße aus Darmstadt

Anne hat gesagt…

Oh nein, liebe Mira, alle Bücher von Zafón kenne ich noch nicht, habe aber alle Romane zum „Friedhof der vergessenen Bücher“ gelesen. Von daher habe ich für mich entschlossen, dass Zafón für mich derzeit der größte Geschichtenerzähler ist.

Obwohl unser gemeinsames Buch fast das Zeug dazu hat, sich mit ihm auf eine Stufe zu stellen. Das war wirklich so vollgepackt mit Geschichte, dass ich mich wahnsinnig geärgert habe, wenn ich es aus der Hand legen musste, weil ich entweder schlafen gehen musste oder ins Büro musste.
So ein Buch liest man am besten während des Urlaubs, wo man auch mal ne Nacht durchlesen könnte. Aber das weiß man ja vorher nicht.

Mirella Pagnozzi hat gesagt…

Ach so, ich dachte, du hättest alle Zafon-Bücher gelesen. Mit diesen vielen Leseunterbrechungen, damit habe auch ich mein Schafft. Deshalb freue ich mich immer auf den Sonntag, der einzige Tag in der Woche, an dem ich viele Seiten ohne große Unterbrechungen lesen kann.
Liebe Grüße aus Darmstadt