Donnerstag, 26. Januar 2017

Elena Ferrante / Meine geniale Freundin

Lesen mit Tina


Klappentext
Sie könnten unterschiedlicher kaum sein und sind doch unzertrennlich, Lila und Elena, schon als junge Mädchen beste Freundinnen. Und sie werden es ihr ganzes Leben lang bleiben, über sechs Jahrzehnte hinweg, bis die eine spurlos verschwindet und die andere auf alles Gemeinsame zurückblickt, um hinter das Rätsel dieses Verschwindens zu kommen.Im Neapel der fünfziger Jahre wachsen sie auf, in einem armen, überbordenden, volkstümlichen Viertel, derbes Fluchen auf den Straßen, Familien, die sich seit Generationen befehden, das Silvesterfeuerwerk artet in eine Schießerei aus. Hier gehen sie in die Schule, die unangepasste, draufgängerische Schustertochter Lila und die schüchterne, beflissene Elena, Tochter eines Pförtners, beide darum wetteifernd, besser zu sein als die andere. Bis Lilas Vater seine noch junge Tochter zwingt, dauerhaft in der Schusterei mitzuarbeiten, und Elena mit dem bohrenden Verdacht zurückbleibt, eine Gelegenheit zu nutzen, die eigentlich ihrer Freundin zugestanden hätte.Ihre Wege trennen sich, die eine geht fort und studiert und wird Schriftstellerin, die andere wird Neapel nie verlassen, und trotzdem bleiben Elena und Lila sich nahe, sie begleiten einander durch erste Liebesaffären, Ehen, die Erfahrung von Mutterschaft, durch Jahre der Arbeit und Episoden politischer Bewusstwerdung, zwei eigensinnige, unnachgiebige Frauen, die sich nicht zuletzt gegen die Zumutungen einer brutalen, von Männern beherrschten Welt behaupten müssen.Sie bleiben einander nahe, aber es ist stets eine zwiespältige Nähe: aus Befremden und Zuneigung, aus Rivalität und Innigkeit, aus Missgunst und etwas, das größer und stiller ist als Lieben. Liegt hier das Geheimnis von Lilas Verschwinden?


Autorenporträt
Elena Ferrante hat sich mit dem Erscheinen ihres Debütromans im Jahr 1992 für die Anonymität entschieden. Ihre vierbändige Neapolitanische Saga – bestehend aus Meine geniale Freundin, Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege und Die Geschichte des verlorenen Kindes – ist ein weltweiter Bestseller. Ab Herbst 2017 erscheinen im Suhrkamp Verlag auch Ferrantes frühere Romane Lästige Liebe, Tages des Verlassenwerdens und Frau im Dunkeln.
Das Buch scheint richtig interessant zu sein. Ich habe die ersten dreißig Seiten gelesen, und es gefällt mir richtig gut. Mal schauen, wie sich der Roman noch weiter entwickeln wird.


Weitere Informationen zu dem Buch

D: 22,00 € 
A: 22,70 € 
CH: 31,50 sFr
Erschienen: 29.08.2016
Gebunden, 422 Seiten
ISBN: 978-3-518-42553-4 
Auch als 
eBook erhältlich

Und hier geht es auf die Suhrkamp-Verlagsseite.


Mittwoch, 25. Januar 2017

John Fante / 1933 war ein schlimmes Jahr (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Wenn man 1933 liest, dann denkt man automatisch an das Dritte Reich Deutschlands. Nein, hier ist nicht das Dritte Reich Deutschlands gemeint, denn der Roman führt uns nach Amerika, wo zu dieser Zeit auch die Weltwirtschaftskrise grassierte.

Der Roman behandelt die Geschichte eines 17-jährigen Schülers namens Dominic Molise, dessen Eltern recht einfache Leute sind und die schon in der dritten Generation in Amerika leben. Schon Doms Großeltern wanderten nach Amerika aus. Der Großvater ist mittlerweile verstorben. Seine Großmutter Bettina lebt mit Doms Familie im Haus. Eine recht engstirnige, geizige alte Dame, die nicht viel von Amerika hält, und an ihren Sehnsüchten Italiens hängen geblieben ist. Doms Vater ist selbständiger Maurer und ist von Armut gezeichnet, da er als Maurer nicht wirklich gut verdient, und hoch verschuldet ist. Die Weltwirtschaftskrise erschwert die finanzielle Lage um Weiteres. Der Vater wirkt ein wenig schräg, hält an Idealen fest, mit Dom eine Vater/Sohn-Maurerfirma zu gründen, sobald Dom die Schule hinter sich gebracht hat. Dom möchte aber kein Maurer werden, er träumt stattdessen von einer Karriere als Baseballspieler. Der Vater hält nicht viel von dieser Sportart ... Irgendwie wirkt der Vater recht unsympathisch. Vielleicht auch altmodisch. Außerdem begeht er Seitensprünge, verbringt die meiste freie Zeit im Billardclub, während Doms Mutter wie ein Opfer allein zu Hause sitzt und sich die beste Mühe gibt, ihm noch zu gefallen, da der Vater für sie kaum noch emotionales und sexuelles Interesse zeigt. Dom durchschaut seinen Vater, er weiß um die Seitensprünge …

Ich fand das erste Kapitel total gut. Der Sarkasmus, die bildhafte Sprache und die Selbstreflexionen fand ich sehr bemerkenswert. Dies hat mich etwas an meine Jugendzeit erinnert. Mit 14 und 17 Jahren hatte auch ich komplett mein anerzogenes religiöses und gesellschaftlichen Weltbild auf den Kopf gestellt.

Domenic hält Selbstgespräche:
Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, wieso es so viel Böses gibt, wo Gott doch so gütig ist, oder wieso unser allwissender Gott die Menschen nach seinem Ebenbild erschafft, um sie doch in die Hölle zu schicken. (...) Dann kannst du dich zurücklehnen und dir den Kopf darüber zerbrechen, wie Gott wohl aussieht und wieso verkrüppelte Babys zur Welt kommen und wer Hunger und Tod geschaffen hat. (2016,10) 
Zu seiner Grübelei hat mir dieses Bild gefallen, als er sich auch über das Sterben und über Tote Gedanken gemacht hat:
Warum wälze ich solche Gedanken und machte die Welt zu einem Friedhof? Fiel ich von meinem Glauben ab? Oder war es, weil ich arm war? Unmöglich. Alle großen Baseballspieler waren Kinder armer Leute gewesen. (11)
Und auf Seite 19 nimmt er die ganzen Klischees auf die Schippe. Interessant, wenn Menschen fraglos Klischees, die es in einer Gesellschaft gibt, übernehmen und damit sich selbst und andere diskriminieren. Das fand ich ganz klasse. Kennen wir ja auch von uns hier in Deutschland, Vorurteile anderen gegenüber. Für alles gibt es eine Schublade. Die Mutter des Jungen, die nie in Kalabrien und Sizilien gewesen ist, spricht so abfällig über diese Menschen. Da musste ich an Astrid Lindgrens Buch denken, die klischeehaft über Amerika, Italien und Paris geschrieben hat.

Hierzu Doms Gedanken, der sich ein wenig über diese klischeehafte Denkweise seiner Großmutter und seiner Mutter belustigen tut:
Nach Grandma Bettinas Ansicht waren die Leute aus Potenza gleich nach den Amerikanern die lächerlichsten Leute der Welt. Nicht, dass Grandma jemals selber in Potenza gewesen wäre und den Ort mit eigenen Augen gesehen hätte, aber sie hat ihr ganzes Leben wilde Geschichten über die Potenzesi gehört. Weil die Abbruzzer jemanden brauchten, auf den sie hinabschauen konnten, hatten sie sich auf Potenza geeinigt; genauso, wie die Kalabresen die Sizilianer verachteten und die Neapolitaner alles südlich von Neapel verhöhnten, während die Römer sich erhaben über die Neapolitaner fühlten und die Florentiner über die Römer die Nase rümpften. Für die Abruzzen waren die Leute aus Potenza nationale Witzfiguren, als würden dort nur Zwerge in schiefen Häusern wohnen. Mein Vater grinste jedes Mal herablassend, wenn die Rede auf Potenza kam. Er hatte, Gott stehe ihm bei, versehentlich die Tochter eines Mannes aus Potenza geheiratet, aber er trug es mit Fassung und war guten Willens, ironisch über den Streich zu lächeln, den ihm das Schicksal da gespielt hatte; auch hatte er jederzeit die Größe, seiner Gattin ihre Eltern zu verzeihen (…) Mama hielt ein Ohr an Grandma Bettinas Tür, dann schnalzte sie nachsichtig mit der Zunge - denn die Leute aus Potenza schauten ihrerseits auf die Abbruzzer hinab. 
>>Sie meint es ja gut, das arme alte Ding<<, sagte Mama. >>Sie hat so ein schweres Leben gehabt … Alle diese Leute.<<
>>Was für Leute?<<
>>Die aus den Abbruzzen. Kein Wunder, dass sie so grob und schlecht gelaunt sind. Dort gibt es nichts als Felsen und ein paar Ziegen und kein elektrisches Licht. Wie in Kalabrien und Sizilien und all die armen Gegenden.<<
Meine Mutter war nie dort gewesen. War niemals irgendwo gewesen außer in einem Mietshaus am Rand von Chicago. (19)
Diese Textstellen fand ich höchst interessant.


Mein Fazit?

Es ist mir bekannt, dass Italien ein Land ist, in dem die ItalienerInnen Rassimus gegen die eigenen Landsleute hegen. Ich kenne kein anderes Land mit solch einem Rassismus, wie er in Italien "zelebriert" wird. Aber es stellt sich mir die Frage, wenn schon Doms Mutter Italien noch nie gesehen hat, was ist da schief gelaufen, dass sie die Identität als Italienerin übernommen hat? Kulturunreflektierte Menschen hinterfragen das Welt- und Menschenbild nicht in komplexer Form, sie übernehmen somit die Identität ihrer Eltern, die Identität, die ihnen anerzogen wurde. Dies ist aber bei den meisten Menschen, was die Identitätsentwicklung betrifft, nicht anders …

Den Schluss, der für Überraschungen sorgt, mit denen man partout nicht gerechnet hat, fand ich genial. Und auch das Nachwort habe ich mit großem Interesse gelesen, weil Alex Copus wichtige Informationen über die Entstehung und weitere Hintergründe dieses Romans gegeben hat.


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Die Klischees und die Vorurteile gehören zu dem Inhalt dieses Romans.

Zehn von zehn Punkten.

Und hier geht es zu der Leserunde auf der Seite von Watchareadin.


Weitere Information zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich beim Forumsbetreiber des Watchareadin für sein Engagement bedanken, durch den wir im Forum dieses Buch erhalten haben. Das Buch wird derzeit in der Leserunde gelesen, an der ich auch beteiligt bin, aber aufgrund unvorgesehener privater Missstände fehlt es mir gerade an Zeit, mich stärker an der Leserunde zu beteiligen. Werde mich aber morgen anschließen können.

Ich werde später hier auf dieser Seite eine Verlinkung zu dem Forum und der Leserunde vornehmen.

Aber ich pflege auch gerne Gedanken, die andere nicht haben. Ich werde also nicht alles, was ich hier geschrieben habe, in die Leserunde übertragen. 

Einen kurzen telefonischen Austausch hatte ich auch wieder mit meiner Lesefreundin Tina, die ebenfalls an der Leserunde beteiligt ist. Auch Tina ist von dem Buch recht angetan gewesen, und ich habe es wieder genossen, mich mit ihr auszutauschen. Unsere Beobachtungen waren recht ähnlich. 

Ein großes Dankeschön auch an den Aufbau-Verlag, der uns dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. 

Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Aufbau.

Übersetzt von Alex Capus
Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 144 Seiten
Blumenbar, erschienen 14.11.2016
978-3-351-05031-3 
16,00 € *)Inkl. 7% MwSt.
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Gelesene Bücher 2017: 04
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Montag, 23. Januar 2017

John Fante / 1933 war ein schlimmes Jahr

Klappentext
Gefangen in einer Kleinstadt am Fuß der Rocky Mountains in den dreißiger Jahren, wünscht sich der 17-jährige Dominic Molise nichts mehr, als ein Baseball-Star zu werden. Die großen Siege, die große Anerkennung, die große Liebe. Aber er kämpft stattdessen mit der italienischen Herkunft seiner Eltern und dem Druck, im Familienbetrieb mitzuarbeiten. Ziegelsteine zu stapeln ist nichts für ihn. Sein Vater hingegen versucht ihn vor dem unausweichlichen Scheitern zu bewahren und zu überzeugen, statt des Baseballschlägers doch lieber eine Maurerkelle in die Hand zu nehmen. Seine Mutter weiß sich nicht besser zu helfen, als zu beten. Aber Dominic hört nicht auf zu träumen.


Autorenporträt
John Fante, geb. 1909 in Denver als Sohn italienischer Einwanderer, zog als Mittzwanziger nach L.A. In einer Stadt, die aus Filmträumen bestand, war er mehr als fehl am Platz, und so entstand sein unnachahmlicher Stil aus innerer Zerrissenheit, Großmut und erlösenden Rachegelüsten. Sein erster Roman „Warte auf den Frühling, Bandini“ wurde 1938 veröffentlicht, im Jahr darauf folgte „Warten auf Wunder“. Er starb 1983 an einer Folge seiner Diabetes-Erkrankung. Posthum verlieh man ihm den PEN Award für sein Lebenswerk.
Ich muss gestehen, ich habe das Buch schon ausgelesen und werde mich morgen auf unsere Leserunde im Bücherforum Watchareadin darauf beziehen.

Ich habe das Buch arg klischeehaft empfunden, aber es ist ja bekannt, dass Menschen, gleich welcher Herkunft, sich selbst mit Stereotypen, die sie in einer Gesellschaft erleben, diskriminieren. Aber der Schluss und das Nachwort hat mich ausgesöhnt, denn da wurde es deutlich, wie kritisch der Autor mit diesen Klischees umgegangen ist. 

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen.

Eine Buchbesprechung folgt noch. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Und hier geht es per Mausklick auf die Verlagsseite von Aufbau.

Übersetzt von Alex Capus
Gebunden mit ausklappbarem Vorsatz, 144 Seiten
Blumenbar, erschienen 14.11.2016
978-3-351-05031-3 
16,00 € *)Inkl. 7% MwSt.






Sonntag, 22. Januar 2017

Amos Oz / Judas (1)

Internationaler Literaturpreis 2015

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Mir hat das Buch von Amos Oz sehr gut gefallen. Zwischen den Seiten haften wieder mal jede Menge Blättchen, und ich muss mich noch entscheiden, welche ich bearbeiten möchte. Amos Oz hat nicht nur den Literaturpreis von 2015 verdient, nein, er hätte auch den Friedensnobelpreis bekommen sollen. Der Autor beschreibt in diesem Buch die religiösen und die territorialen Problematiken zwischen Juden und Arabern, die zum sinnlosen Blutvergießen führen. Beide Parteien hätten das Recht auf Grund und Boden, doch beide Parteien lassen von ihrem Glauben nicht ab, ein alleiniges Vorrecht für dieses Land zu haben. Was mir sehr gut gefallen hat, ist, dass der Autor hier nicht die Partei für die Juden oder für die Araber ergreift. Mit Hilfe seiner Figuren setzt er sich mit dieser Thematik in verschiedenen Perspektiven kritisch auseinander. Es gibt Figuren, die Argumente aus der Sicht der Juden anbringen, die im Glauben sind, ihnen stehe der Boden zu für die Bildung eines jüdischen Staates. Verschiedene Bürgerkriege werden im Buch aufgezeigt. 1948 findet der Nahostkrieg statt, in dem Walds Sohn umgekommen ist, und zeigt die Sinnlosigkeit des Krieges auf, der wie alle anderen (Bürger)-Kriege auch, viele Opfer fordert. Dieses sinnlose Blutvergießen und dieses sinnlose Sterben und die Unfähigkeit, sich für die Gleichheit aller Menschen einzusetzen, macht der Autor immer wieder in seinem Buch deutlich. Es gibt Figuren, die sehr wohl diese Sinnlosigkeit einsehen, weshalb sie für die Gründung eines gemeinsamen Staates sind, in dem sowohl Juden als auch Araber brüderlich und freundschaftlich zusammenleben können. Aber das sind eher die Ausnahmen.

Das Buch beinhaltet auch eine interessante Liebesgeschichte zwischen dem jungen Schmuel Asch und der viel älteren Atalja Abrabanel, die unter den Folgen des Bürgerkrieges von 1948 leidet. Atalja gibt sich Schmuel gegenüber sehr geheimnisvoll. Ich persönlich fand Atalja eine sehr interessante Persönlichkeit, die auf mich trotz ihrer kühlen Art sehr sympathisch wirkte. Auch sie äußert ihre persönlichen politischen/religiösen Ansichten, die ich mir unbedingt rausschreiben muss. Die Geschichte in diesem Roman spielt sich im Winter 1959 / 1960 ab. Atalja ist gezeichnet, da sie ihren Mann 1948 im Unabhängigkeitskrieg, im Nahostkonflikt verloren hat. Sie bekundet Schmuel schließlich ihre Trauer, aus der ersichtlich wird, weshalb sie sich Männern gegenüber reserviert gibt.
Jeden Tag sehe ich ihn. Jede Nacht. Jeden Morgen. Ich mache die Augen zu und sehe ihn. Ich mache die Augen auf und sehe ihn. Ich habe weiter hier gelebt, mit den beiden Großvätern, die nie Großväter werden würden, und ich habe beide gepflegt. Was war mir sonst geblieben? Männer zu lieben, das ist unmöglich. Ihr habt schon seit Tausenden von Jahren die Macht über die Welt, und ihr habt sie in ein Ort des Schreckens verwandelt. In ein Schlachthaus. Vielleicht kann man euch wirklich nur benutzen. Manchmal sogar Mitleid mit euch haben und versuchen, euch ein bisschen zu trösten. Wofür? Ich weiß es nicht. Vielleicht wegen eurer Unfähigkeit. (2015, 207)
Schmuels Liebe konnte von Atalja nicht erwidert werden. Je mehr sie sich Schmuel gegenüber abweisend verhält, desto mehr fühlte sich Schmuel zu ihr hingezogen. Bis auf wenige Nachtspaziergänge und Kinobesuche blieb diese Liebe recht einseitig. Was Männer beträfe, so habe Atalja nach dem Tod ihres Mannes keinerlei Wünsche.
Wozu auch? Männer kämen ihr fast immer kindisch vor und trieben in einem ständigen Strom von Erfolgen und Siegen, ohne die sie versauerten oder verwelkten. (98)
Atalja nahm kein Blatt vor dem Mund, wenn es darum geht, Schmuel den Spiegel vorzusetzen. Atalja gelingt es immerzu, hinter die Fassade eines Menschen zu schauen.
Du (…) bist entweder ein begeisterter, lauter Hund, der herumtobt und sich anschmiegt, sogar, wenn du im Sessel sitzt, scheinst du immerfort deinem Schwanz hinterher zu laufen, oder du bist das Gegenteil, du liegst tagelang im Schlafzimmer herum wie eine ungelüftete Zudecke. (Ebd)
Atalja und ihr Schwiegervater Wald waren gegen den Krieg und gegen die Gründung eines israelischen Staates. Jüdische Menschen dieser Art machen sich bei ihren Landsleuten zu Feinden, da sie als die Verbündeten der Araber bezeichnet werden.

Interessant fand ich auch die Figur Wald, ein älterer Mann, der mittlerweile pflegebedürftig ist. Schmuel bricht aufgrund verschiedener ungünstiger Umstände seine Zelte ab, folgt einer Annonce, die zu Wald und Atalja führt. Atalja ist Walds Schwiegertochter. Schmuels Aufgabe ist es, mit Wald Diskussionen zu führen. Kritische Diskussionen. Eigentlich sollte Schmuel Asch Wald immerzu widersprechen, damit Wald sich nicht langweilen würde. Auch hier findet man interessante Argumente.
Wenn wir die Welt nur einen Tag lang von allen Religionen und allen Revolutionen befreien könnten – von allen, ohne Ausnahme -, dann würde es weniger Kriege auf der Welt geben, das verspreche ich Ihnen. Immanuel Kant hat geschrieben: >Aus so krummem Holz, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts Gerades gezimmert werden.<
Wir sollten nicht versuchen, ihn zu schleifen und zu hobeln, damit wir nicht bis zum Hals im Blut stehen. (77f)
Im Buch wird zudem Jesus aus der Sicht der Juden behandelt. Jesus sei aus Fleisch und Blut gemacht, sei ein Mensch wie jeder andere auch. Kein Prophet, wie ihn die Christen feiern. Auch hier werden verschiedene Perspektiven behandelt.


Mein Fazit?

Man bekommt es hier mit recht vielen Sichtweisen zu tun, sodass man als Leserin nicht in eine Ecke gedrängt wird, nein, man wird gefordert, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Aber nicht nur die vielen tollen Gedanken haben mir gut gefallen, auch den Schreibstil finde ich sehr bemerkenswert, den ich als recht fantasievoll erlebt habe, siehe auch obiges Zitat. Schmuel, eine rastende Figur, die schwer zur Ruhe kommt, weil sie sich von ihren Schicksalsschlägen getrieben fühlt, beschreibt sich Atalja gegenüber als einen Menschen, der sich selbst hinterherrennen würde. Dieses Bild hat mir so gut gefallen.
Des Weiteren ist hier das Wissen mit Weisheit gepaart ...

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus


Zehn von zehn Punkten. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Ich möchte mich recht herzlich beim Suhrkamp - Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar bedanken.

Gebunden: 22,00 € 
Erschienen: 07.03.2015
Suhrkamp 332 Seiten
ISBN
3518424793 
Auch als eBook erhältlich

DIeses Buch ist am 11.04.2016 auch als Taschenbuch erschienen.

Und hier geht es auf die Verlagsseite vom Suhrkamp / Insel.

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Gelesene Bücher 2017: 03
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86




Dienstag, 17. Januar 2017

Amos Oz / Judas

Internationaler Literaturpreis 2015

 Klappentext
Im Winter 1959 kommt der junge Schmuel Asch nach Jerusalem, um seine Magisterarbeit zu schreiben. Allein und ohne finanzielle Unterstützung, braucht er dringend eine Nebenbeschäftigung. Eine Anzeige führt ihn ins Haus eines eigentümlichen alten Mannes namens Wald; nachts liest er ihm vor und unterhält sich mit ihm – über die Ideale des Zionismus, über die jüdisch-arabischen Konflikte.
Und dort trifft er auf die geheimnisvolle Atalja Abrabanel, deren verstorbener Vater einer der maßgeblichen Anführer der zionistischen Bewegung war. Sogleich ist Schmuel gefesselt von der Schönheit und Unnahbarkeit dieser Frau. Nach und nach gelingt es Schmuel, ihr Geheimnis zu enthüllen – und damit auch das des alten Wald.
Amos Oz hat einen Liebesroman geschrieben und zugleich ein Buch über das geteilte Jerusalem vor dem Sechs-Tage-Krieg, eine Geschichte seines Landes mit all seinen Konflikten, seinen Hoffnungen und seiner Verzweiflung.

Autorenporträt
Amos Oz wurde am 4. Mai 1939 in Jerusalem geboren. 1954 trat er dem Kibbuz Chulda bei und nahm den Namen Oz an, der auf Hebräisch Kraft, Stärke bedeutet. Seit dem 6-Tage Krieg ist er in der israelischen Friedensbewegung aktiv und befürwortet eine Zwei-Staaten-Bildung im israelisch-palästinensichen Konflikt. Er ist Mitbegründer und herausragender Vertreter der seit 1977 bestehenden Friedensbewegung Schalom achschaw (Peace now). Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet (Friedenspreis der Deutschen Buchhandels 1992, Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main 2005, Siegfried Lenz Preis 2014). Eine Geschichte von Liebe und Finsternis wurde in alle Weltsprachen übersetzt und 2016 als Film adaptiert.

Weitere Informationen zu dem Buch

D: 12,00 € 
A: 12,40 € 
CH: 17,90 sFr
Erschienen: 11.04.2016
suhrkamp taschenbuch 4670, Broschur, 331 Seiten
ISBN: 978-3-518-46670-4 
Auch als eBook erhältlich

Und hier geht es auf die Verlagsseite vom Suhrkamp / Insel.





Montag, 16. Januar 2017

Morten A. Stroksnes / Das Buch vom Meer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Irgendwie bin ich von dem Buch ein wenig desillusioniert. Ich habe eigentlich mit einer literarischen Abenteuergeschichte gerechnet á la Ernest Hemingway Der alte Mann und das Meer. Oder mit Moby Dick von Herman Melville. Nein, das war es nicht. Das Buch entpuppte sich eher zu einem Tatsachenbericht, in dem viele kleinere Geschichten über das Meer und seine  Bewohner beschrieben werden. Ein Mix zwischen Tatsachenbericht und Sachbuch. Andererseits aber war ich froh, mich dieser Tötungsjagd verschont zu haben.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Das Buch vom Meer oder Wie zwei Freunde im Schlauchboot ausziehen, um im Nordmeer einen Eishai zu fangen, und dafür ein ganzes Jahr brauchen. Ein Sehnsuchtsbuch - über die Freiheit und das Glück, die Naturgewalten zu spüren. Zwei Freunde in einem kleinen Boot, die sich einen lang gehegten Traum erfüllen: Aus den Tiefen des Nordatlantiks wollen sie einen Eishai ziehen, jenes sagenumwobene Ungeheuer, das sich nur selten an der Oberfläche zeigt. Während sie warten, branden wie Wellen die Meeresmythen und Legenden an das Boot, und Morten A. Strøksnes erzählt von echten und erfundenen Wesen, von Quallenarten mit dreihundert Mägen, von Seegurken und Teufelsanglern. Von mutigen Polarforschern, Walfängern und Kartografen und natürlich vom harten Leben an arktischen Ufern, vom Skrei, der vielen Generationen das Überleben auf den Lofoten sicherte, von der Farbe und dem Klang des Meeres. Eine salzige Abenteuergeschichte über die Freiheit und das Glück, den Naturgewalten zu trotzen – und ein atemberaubendes Buch, das uns staunen lässt über die unergründlichen Geheimnisse des Meeres. 
Der Klappentext ist recht ausführlich, sodass ich nichts zu ergänzen habe.
Viele Bilder über den Fang der Fische fand ich grauenvoll. Ich erspare mir die Details. Ich habe mich immer wieder bei der Frage ertappt, wieso Mann so wild darauf ist, Tiere zu töten? Ich denke dabei an die Jäger auf dem Festland und die Jäger auf dem Wasser. Weshalb machen sich die beiden Protagonisten auf, einen Eishai zu fangen, um ihn anschließend umzubringen? Des reinen Abenteuers wegen? Nein, nicht nur. Weil die Neugier so groß ist, einen Eishai aus der Nähe zu betrachten. Diese Neugier könnte ich noch verstehen, aber weshalb muss der Eishai getötet werden? Weil diese Mordlust wohl zum Abenteuer dazugehört. Doch der Erzähler dieser Geschichten ergreift dann schließlich doch die Partei für diese Meeresbewohner, weshalb der Schluss nicht ganz so dramatisch geendet hat. Auf den folgenden Seiten stellt sich der Autor selbst die Frage, wer denn nun das Seeungeheuer ist? Der Mensch oder der Haifisch? Es seien wesentlich mehr Haifische von den Menschen gefangen und getötet worden als Menschen von Haifischen.

Auch wenn das Buch meinen Erwartungen nicht entsprochen hat, habe ich es dennoch mit großem Interesse gelesen. Vieles war mir zwar nicht neu was die Evolution unseres Planeten betrifft,  aber vieles kannte ich auch nicht, weshalb ich dem Buch neun von zehn Punkten vergebe.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
1 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus


Weitere Informationen zu dem Buch:

Ich möchte mich recht herzlich für dieses zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar beim DVA-Bücherverlag, Randomhouse München, bedanken. 

Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger, Sylvia Kall 
Originaltitel: Havboka - eller Kunsten å fange en kjempehai fra en gummibåt på et stort hav gjennom fire årstider
Originalverlag: Forlaget Oktober, Oslo
Gebundenes Buch, Leinen, 368 Seiten, 13,5 x 19,0 cm, 2 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-421-04739-7
€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 26,90* (* empfohlener Verkaufspreis)

Erschienen: 29.08.2016
Des Weiteren gibt es hier auf der DVA-Verlagsseite ein interessantes Interview zu dem Buch.

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Gelesene Bücher 2017: 02
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86





Dienstag, 10. Januar 2017

Morten A. Stroksnes / Das Buch vom Meer

Klappentext
Das Buch vom Meer oder Wie zwei Freunde im Schlauchboot ausziehen, um im Nordmeer einen Eishai zu fangen, und dafür ein ganzes Jahr brauchen.Ein Sehnsuchtsbuch - über die Freiheit und das Glück, die Naturgewalten zu spüren Zwei Freunde in einem kleinen Boot, die sich einen lang gehegten Traum erfüllen: Aus den Tiefen des Nordatlantiks wollen sie einen Eishai ziehen, jenes sagenumwobene Ungeheuer, das sich nur selten an der Oberfläche zeigt. Während sie warten, branden wie Wellen die Meeresmythen und Legenden an das Boot, und Morten A. Strøksnes erzählt von echten und erfundenen Wesen, von Quallenarten mit dreihundert Mägen, von Seegurken und Teufelsanglern. Von mutigen Polarforschern, Walfängern und Kartografen und natürlich vom harten Leben an arktischen Ufern, vom Skrei, der vielen Generationen das Überleben auf den Lofoten sicherte, von der Farbe und dem Klang des Meeres. Eine salzige Abenteuergeschichte über die Freiheit und das Glück, den Naturgewalten zu trotzen – und ein atemberaubendes Buch, das uns staunen lässt über die unergründlichen Geheimnisse des Meeres.

Autorenporträt
Morten A. Strøksnes, 1965 in Kirkenes an der Barentssee geboren, hat Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte in Oslo und Cambridge studiert. Er lebt heute als Journalist und Autor in Oslo. Er publiziert in renommierten Medien und hat mehrere viel beachtete Sachbücher vorgelegt. 2011 bekam Strøksnes den Preis des Sprachrats, der für Sachbücher von herausragender literarischer Qualität vergeben wird. „Das Buch vom Meer“ ist sein neuntes Buch und wurde in Norwegen zum Nr.-1-Bestseller. Es erhielt den Kritiker-Preis und den Brage-Preis, den wichtigsten norwegischen Buchpreis, und erscheint in über 15 Ländern.
Der Klappentext erinnert mich ein wenig an das Buch von Ernest Hemingway Der alte Mann und das Meer, auch wenn es hier um zwei Protagonisten geht. Ich bin sehr gespannt auf dieses Buch. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Des Weiteren gibt es hier auf der DVA-Verlagsseite ein interessantes Interview zu dem Buch.

Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger, Sylvia Kall 
Originaltitel: Havboka - eller Kunsten å fange en kjempehai fra en gummibåt på et stort hav gjennom fire årstider
Originalverlag: Forlaget Oktober, Oslo
Gebundenes Buch, Leinen, 368 Seiten, 13,5 x 19,0 cm, 2 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-421-04739-7
€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 26,90* (* empfohlener Verkaufspreis)
Erschienen: 29.08.2016







Montag, 9. Januar 2017

Aktuell gelesene Bücher

Ich werde die Bücher nicht alphabetisch sortieren, sondern in der Reihenfolge darstellen, wie ich sie gelesen habe. Die Zahl in der Klammer ergibt die Vergabe von Punkten. Die Höchstzahl ist zehn. Seit April 2017 vergebe ich 12 von 12 Punkten. 

Neu eingeführt habe ich die Buchseiten, die ich an erster Stelle in der Klammer angegeben habe, und danach, durch ein Semikolon abgetrennt, habe ich die Buchbewertung eingetragen.


*** Abgebrochene Bücher


2017

  1. Astrid Lindgren: Kati in Amerika Italien Paris (400; 6)
  2. Morten A. Stroksnes: Das Buch vom Meer (368; 9)
  3. Amos Oz: Judas (331; 10)
  4. John Fante: 1933 war ein schlimmes Jahr (144; 10)
  5. Elena Ferrante: Meine geniale Freundin (422; 5)
  6. Elizabeth Strout: Amy und Isabelle (416; 10)
  7. Arnhild Lauveng: Morgen bin ich ein Löwe. (Hierfür ist keine Rezension hinterlegt) (222; 8)
  8. Leon de Winter: Geronimo (448; 10)
  9. Rudyard Kipling: Das Dschungelbuch (192; 9)
  10. Marcel Proust: Die wiedergefundene Zeit (641; 10)
  11. Astrid Lindgren: Die Menschheit hat den Verstand verloren (592; 10)
  12. Jonas Karlsson: Das Zimmer (176; 10)
  13. Peter Longerich: Wannseekonferenz (224; 12)
  14. Per J. Andersson: Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden (344; 12)
  15. Ian McEwan: Kindeswohl (224; 12))
  16. Maria Duenas: Wenn ich jetzt nicht gehe (589; 7)
  17. Jakob Wassermann: Faber oder die verlorenen Jahre (416; 12)
  18. Cristina De Stefano: Oriana Fallaci (352; 12)
  19. Said Kurban: Ali und Nino (100 von 384; 4) *** 
  20. Peter Walther: Hans Fallada (527; 12)
  21. Simon Mason: Mondpicknick (304; 10)
  22. Sandra Lüpkes: Inselfrühling (336; 9)
  23. Cecilia Ahern: Der Ghostwriter (160; 6)
  24. Virginia Baily: Im ersten Licht des Morgens (432; 8)
  25. Geert Mak: Die vielen Leben des Jan Six (512; 12)
  26. Ian McEwan: Der Tagträumer (160; 12)
  27. Lars Vasa Jonansson: Anton hat kein Glück (416; 12)
  28. Steve Jenkins und Derek Walter: Esther, das Wunderschwein (256; 12)
  29. Erik Neutsch: Spur der Steine (950; 12)
  30. Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume (224; 11)
  31. Paul Auster: 4321 (1264 Seiten; 12)
  32. Michael Morpurgo: Nur Meer und Himmel (64; 12)
  33. Ian McEwan: Der Zementgarten (208; 12)
  34. Thomas Karlauf: Helmut Schmidt *** (100 von 560; 12) 
  35. Jan Guillou: Die Schwestern (510; 7)
  36. Beate Seebauer: Wann darf ich dich gehen lassen-Wenn unsere Tiere sterben (172; 12)
  37. Sylvia Barbanell: Wenn deine Tiere sterben (257; 12)
  38. Beate Seebauer: Sprich mit deinen Tieren; Einführung in die Tierkmmunikation (96; 12)
  39. Rachel Urquhart: Das zweite Gesicht : (415; 12)
  40. Colin Thompson: Bücher öffnen Welten (40; 12)
  41. Anna Porter: Mord auf der Buchmesse *** (250 von 460)
  42. Sonya Fitzpatrick: Tierseelen im Jenseits (192; 12)
  43. John Williams: Nichts als die Nacht (160; 12)
  44. Astrid Lindgren: Mio, mein Mio (192, 12)
  45. Mashanti Martine Loesch: Wir kommen in Frieden / Botschaften der Tiere (177; 12)
  46. Anthony Doerr: Memory Wall (135; 12)
  47. Milan Meder: I hate you sweetheart (28)
  48. Hanna Casplan: Die Kirschvilla (475; 11)
  49. Claus Cäser Zehrer: Das Genie (656; 12)
  50. Diana Cooper: Die Botschaft der Tiere *** (117 von 317)
  51. Guinevere Glasfurd: Eine Handvoll Worte (431; 12)
  52. Ian McEwan: Abitte (532; 12)
  53. Richard David Precht: Tiere denken (509; 12)
  54. Beate Seebauer: Herzenspfade (144; 12)
  55. Haruki Murakami: Mister Aufziehvogel (683; 9)
  56. Isabel Allende: Der japanische Liebhaber (336; 12)
  57. Messinger, Nina: Du sollst nicht töten (271; 12)
  58. Raquel J. Palacio: Wunder (387; 12)
  59. John Fante: Der Weg nach Los Angeles (252; 9)
  60. Daniel Kehlmann: Tyll (473; 11)
Insgesamt habe ich in diesem Jahr 20688 Seiten gelesen. Dies ist das erste Jahr, in dem ich auch die Seitenzahlen mitaufgeschrieben und zusammenaddiert habe. Habe jetzt aber keine Vergleichswerte. 

04 Bücher habe ich abgebrochen.
40 Bücher haben von mir die Höchspunktzahl erhalten.







Astrid Lindgren / Kati in Amerika Italien Paris (1)

Lesen mit Anne


Ein Veriss …

Nun habe ich alle drei Bände zu Ende gelesen, und ich muss sagen, dass ich ein wenig enttäuscht bin. Das Buch wimmelt geradezu von Klischees, Stereotypen und jede Menge Vorurteilen. In Amerika und in Italien sind es überwiegend negative Klischees, während Paris ausschließlich mit positiven Klischees betrachtet wird.

Die junge Protagonistin Kati umschwärmt Paris dermaßen, wie sie diese Stadt aus der Reisebeschreibung und aus belletristischen Büchern erfahren hat. Von Italien und von Amerika waren die Beschreibungen eher negativ besetzt, von denen Kati und ihre Freundin Eva stark beeinflusst waren, ohne wirklich die Hintergründe eines Landes zu kennen.

Kati und Eva machen sich schon von vornherein mit einer stark selektierten Wahrnehmung auf die Auslandseisen.

ItalienerInnen? Ein albernes, fröhliches Volk? Viele wissen gar nicht, wie schwer es die Menschen dort unter der Führung einer ewig korrupten Regierung haben und wie hart das Leben dort in Wirklichkeit ist.

Außerdem versuche ich mir das Land Italien vorzustellen, in dem es nur kleine Leute gibt, allesamt dunkelhäutig, fast schwarzhäutig, alle wild gestikulierend, alle heißblütig, alle unehrlich, ItaliernerInnen, die sogar, mal ganz salopp gesagt, zu blöd sind, Spaghetti auf die Gabel zu schaufeln … Nein, so ein Italienbild ist mir absolut fremd. Habe ich doch als Kind meine Sommerferien in Italien zugebracht, und die Menschen waren alle sehr verschieden, sowohl vom Äußeren her, blond, braun, schwarzhaarig etc.  als auch vom Auftreten her … Aber diese Klischees bekommt man einfach nicht aus den Köpfen raus, weil sie zu sehr in den Medien verankert sind, auch in vielen Büchern, in denen die Welt nur in Schwarz-Weiß-Facetten beschrieben wird. Und die meisten Menschen favorisieren diese Klischees, es ist bequem, mit ihren naiven Theorien ihr Weltbild verständlich zu machen. 

In Amerika vergleicht Kati schwarze Kinder mit kleinen Ferkelchen. In ihrer Heimat hielt sie die Ferkelchen für die süßesten Tiere, bis sie schließlich in Amerika zum ersten Mal kleine schwarze Kinder trifft, die sie für noch süßer hielt als die Ferkelchen. Hier hätte ich das Buch schon längst zugeklappt, wenn es eine andere Autorin geschrieben hätte …
Auch in Amerika sind nicht alle Menschen gleich. Nicht alle sind Millionäre, nicht alle lassen sich liften, nicht alle sind Rassisten, nicht alle sind kühl von ihrem Temperament her ... Und auch in Amerika gibt es sehr viele Menschen, die hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen.  Auch in Amerika ist die Obdachlosenquote recht hoch …
Anfangs waren Anne und ich erfreut von dem Humor, den man in den Büchern vorfand, aber schließlich verschwand unsere Begeisterung recht schnell, weil sich der Humor hauptsächlich auf Kosten anderer Menschen belief.


Mein Fazit zu dem Buch?

Kathi und Eva bereisen fremde Länder, wie es die meisten Menschen tun. Sie haben im Kopf jede Menge Vorstellungen, was sie von dem fremden Land erwarten. Viele vergleichen die fremden Länder mit den eigenen Maßstäben. Dadurch können sie aber einem fremden Land niemals gerecht werden. Sie stehen dem fremden eher kritisch und dem eigenen Land unkritisch gegenüber.

Damit wird die eigene Kultur verherrlicht, während die andere Kultur, die sich erheblich von der eigenen Kultur unterscheidet, abgewertet wird.

Es hat ein paar Tage gedauert, bis Anne und ich uns gegenseitig eingestanden haben, von diesen Lindgren-Büchern enttäuscht zu sein.

Ich hätte das Buch längst abgebrochen, wären diese drei Bände nicht von meiner Lieblingsautorin Astrid Lindgren geschrieben worden. In Zukunft halte ich mich nur noch an ihre Kinderbücher. Und diese vorliegenden Reisebände würde ich keinem Jugendlichen zukommen lassen. Können wir, Anne und ich, nicht empfehlen.

Ich wünsche jedem Menschen, der gerne reist, sich frei zu machen von den vielen Vorstellungen, die er im Kopf mit sich trägt. Und selbst wenn die Erfahrungen in einem Land schlecht ausfallen sollten, sollte man nicht alle Menschen dieses Landes für diese unschönen Erfahrungen verantwortlich machen. In jedem Land leben verschiedene Menschen, in jedem Land gibt es schöne Orte und weniger schöne Orte. Liegt an jedem selbst, diese differenziert zu entdecken. Wem das nicht gelingt, der sollte am besten zu Hause bleiben. In der Psychologie sagt man, man trifft die Menschen, die zum eigenen Weltbild passen. Wenn jemand denkt, dass alle Menschen schlecht sind, dann trifft dieser auch nur Menschen, die schlecht sind, damit sein Welt- und Menschenbild jederzeit bestätigt wird. 😂

Besäße ich eine schriftstellerische Begabung, dann würde ich mit der Feder ein buntes Italien porträtieren, so wie ich dieses Land als Kind erlebt habe. Da ich aber diese Begabung nicht habe, möchte ich wenigstens auf diese Missstände in den Büchern als kritische Leserin aufmerksam machen.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
0 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
0 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus


Ich gebe dem Buch sechs von zehn Punkten.


Und hier geht es zu Annes Buchbesprechung.