Mittwoch, 29. März 2017

Ian McEwan / Kindeswohl


Klappentext
Familienrecht ist das Spezialgebiet der Richterin Fiona Maye am High Court in London: Scheidungen, Sorgerecht, Fragen des Kindeswohls. In ihrer eigenen Ehe ist sie seit über dreißig Jahren glücklich. Da unterbreitet ihr Mann ihr einen schockierenden Vorschlag. Und zugleich wird ihr ein dringlicher Gerichtsfall vorgelegt, in dem es um den Widerstreit zwischen Religion und Medizin und um Leben und Tod eines 17-jährigen Jungen geht.


Autorenporträt
Ian McEwan, geboren 1948 in Aldershot (Hampshire), lebt bei London. 1998 erhielt er für ›Amsterdam‹ den Booker-Preis und 1999 den Shakespeare-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung für das Gesamtwerk. Sein Roman ›Abbitte‹ wurde zum Weltbestseller und mit Keira Knightley verfilmt. Er ist Mitglied der Royal Society of Literature, der Royal Society of Arts und der American Academy of Arts and Sciences.

Auszeichnungen

·      Somerset-Maugham-Preis für ›Erste Liebe - letzte Riten‹, 1976
·      Whitbread Prize für ›Ein Kind zur Zeit‹, 1987
·      Ehrendoktorat der Sussex University, 1989
·      Ehrendoktorat der University of East Anglia, 1993
·      Prix Fémina étranger für ›Ein Kind zur Zeit‹ in französischer Übersetzung (›L'enfant volé‹), 1993
·      Ian McEwan erhält den Booker Prize 1998 für ›Amsterdam‹, 1998
·      Shakespeare-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung (Hamburg) für das Gesamtwerk von Ian McEwan, 1999
·      Ian McEwan ist Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences, 1999
·      ›People's Booker‹ für ›Atonement‹, 2001
·      ›W. H. Smith‹-Literaturpreis für ›Atonement, 2002
·      Herausgeber der ›New York Times‹ haben ›Atonement‹ als einen von sieben Titeln zu den ›Books of the Year‹ gewählt, 2002
·      ›National Book Critics' Circle Fiction Award‹ für ›Atonement‹, 2003
·      ›Deutscher Bücherpreis‹ in der Sparte ›Internationale Belletristik‹ für ›Abbitte‹, 2003
·      ›Los Angeles Times Prize for Fiction‹ für ›Atonement‹, 2003
·      ›Santiago Prize for the European Novel‹ für ›Atonement‹, 2004
·      ›James Tait Black Memorial Prize for Fiction‹ für ›Saturday‹, 2006
·      ›Common Wealth Award for Literature‹ für sein Gesamtwerk, 2007
·      Oscar für die beste Filmmusik (Dario Marianelli) von ›Atonement‹, 2008
·      ›Golden Globe‹ für das beste Kinodrama und den besten Soundtrack im Film ›Atonement‹, 2008
·      ›Am Strand‹ wird Buch des Jahres des ›Galaxy British Book Award‹, 2008
·      ›Atonement‹ erhält den Britischen Filmpreis ›BAFTA‹ für den besten Film und für das Szenenbild, 2008
·      ›Wodehouse‹-Preis für den Roman ›Solar‹, 2010
·      Jerusalem-Preis für sein Gesamtwerk, 2011
(Quelle: Diogenes Website)


Verfilmungen

·      Abbitte, Joe Wright, 2007
·      First Love, Last Rites, Susanne Kaelin, 2006
·      Enduring Love, Roger Michell, 2004
·      First Love, Last Rites, Jesse Peretz, 1997
·      Der Zementgarten, Andrew Birkin, 1993
·      …und der Himmel steht still, John Schlesinger, 1993
·      Der Trost von Fremden, Paul Schrader, 1990
·      Schmetterlinge, Wolfgang Becker, 1987
(Quelle: Diogenes Website)

Dies ist mein erstes Buch von Ian McEwan. Ich habe so viele positive Rückmeldungen gehabt, dass ich schließlich selbst ganz neugierig auf den Autor geworden bin. 

Ich habe ein paar Seiten gelesen, und es liest sich sehr spannend. 


Weitere Informationen zu dem Buch:

   Taschenbuch: 224 Seiten, 12,00 €
   Verlag: Diogenes; Auflage: 1 (24. August 2016)
   ISBN-10: 3257243774

Und hier geht es auf die Website von Diogenes.


Dienstag, 28. März 2017

Per J. Andersson / Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine Liebe wiederzufinden (1)

Lesen mit Tina

Alles, was man zum Glück braucht, ist Vertrauen und ein Fahrrad


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich auf den ersten Seiten ein wenig kritisch gestimmt. Ich dachte erst, da sind schon wieder die Engländer, die Indien besetzen und sie von ihren Rechten berauben. Die westliche Welt, die in anderen Ländern mit gehobenem Zeigefinger zeigt, was an deren Kultur falsch ist. Warum meint die westliche Welt immer zu wissen, was richtig ist?

Aber um die Engländer ging es in dem Buch nur peripher. Es gab einen Großvater, der von einem Engländer angetan war, weil der den unterdrückten Indern, die aus der unteren Kaste, die Hand gab. Und so haben sich meine Befürchtungen in Wohlgefallen aufgelöst. In dem Buch werden viele Kulturen in Frage gestellt, auch die der westlichen Welt …

Ich hatte anfangs, als das Buch noch im Buchladen stand, noch eine ganz andere Vorstellung zu dem Buch. Ich dachte, es hätte so etwas Ähnliches wie Der Mann, der aus dem Fenster stieg …, und nicht nur ich hegte diesen Verdacht. Nein, man kann dieses Buch keinesfalls mit dem anderen Buch vergleichen. Diesen jungen Inder, der mit dem Fahrrad nach Schweden fuhr  … den gab es tatsächlich. Ein studierter Künstler, der mich doch ein wenig amüsierte, ohne ihn abwerten zu wollen. Denn er hatte gar keine Ahnung, wo Europa liegt, und er fuhr einfach drauf los, ohne zu wissen, auf welcher Seite der Landkarte sich Schweden befand. Er hatte noch nie eine Landkarte gesehen. Er war es gewohnt, von einen Tag auf den anderen zu leben, ohne große Vorbereitungen, wie wir das hier im Westen kennen, dass wir uns immer dick mit Reiseführern und Landkarten eindecken. Doch bevor es zu dieser Reise kam, erfährt man recht viel über die Hintergründe dieses Landes und vieles über den jungen Inder namens Pikay und dessen Familie. Pikay kommt eigentlich aus einer relativ weisen Familie, eine Familie, in der die Frauen nicht diskriminiert wurden. Sein Vater lebte anders als seine Eltern, denn Pikays Großmutter hatte ihre Schwiegertochter aus der Familie verstoßen, als sie mit dem vierten Kind ein Mädchen gebar. Pikay, seine Brüder und der Vater durften bleiben … Pikays Vater hielt die Trennung zu seiner Frau und seiner kleinen Tochter allerdings nicht aus, und sah zu, dass er mit einfachen Mitteln ein Haus für seine Familie baute, in dem er mit ihr leben wollte. Schließlich verließ der Vater seine Herkunftsfamilie und tat sich mit seiner eigenen Familie zusammen. Das fand ich sehr mutig. Der Vater zeigte Respekt vor den Frauen. Er gab Pikay mit auf den Weg, er dürfe niemals eine Frau zum Weinen bringen …
… Und wenn doch einmal Tränen über ihre Wangen laufen, dann lass nicht zu, dass diese Tränen auf den Boden fallen<<, fuhr sein Vater vor, was heißen sollte, dass er immer zugegen sein müsse, um seine Frau zu trösten. (2015, 183)
Pikays Herkunft ist kastenlos. Er und seine Familie werden in der indischen Gesellschaft, vor allem von den Brahmanen, als Dschungelmenschen bezeichnet, die man nicht berühren dürfe, sonst würde man sich beschmutzen. Deshalb die Bezeichnung die Unberührbaren.

Dschungelmenschen, das sind die Ureinwohner Indiens gewesen, denen eigentlich das Land gehörte, bis Fremde kamen, und ihnen das Land wegnahmen. Diese Fremde bezeichnet man heute als Indo-Germanen.

Ziemlich absurd. Als der kleine Pikay in die Schule kam, durfte er sich nicht in den Klassenraum setzen, neben seinen Mitschülern. Nein, er musste auf dem Boden der Terrasse sitzen. Völlig isoliert, wo Pikay sich auf seine Mitschüler gefreut hatte, um neue Freundschaften zu schließen. Seine Schulkameraden stammten alle aus der höheren Kaste. Es waren alles Brahmanenkinder.

Pikay schafft es auf die höhere Schule. Seine Eltern sind stolz auf ihn, und sein Vater machte schon Pläne, sah seinen Sohn schon auf der Universität. Allerdings hatte Pikay Probleme mit den naturwissenschaftlichen Fächern. Aber er war künstlerisch veranlagt, sodass die Lehrer ihn auf eine Künstlerschule verweisen. Und so wird Pikay Maler. Doch leicht hat Pikay es nicht. Er bekommt zwar ein Stipendium, aber das Geld reicht nicht. Das Stipendium wurde außerdem wegen der Korruption für mehrere Monate ausgesetzt. Oftmals musste er unter der Brücke schlafen …

Er konnte seinen Unterhalt aber ein wenig mit seiner Kunst aufbessern. Er lebte von seinen Bleistiftzeichnungen, Porträts und Miniaturen.

Und hier ist noch Lotta, eine junge Schwedin, die eine Weltreise nach Indien macht. Sie fühlt sich zu Asien hingezogen. Lotta ist auch eine recht kritische Persönlichkeit, was ihre Herkunftskultur betrifft, vor allem, als sie ihre Religion mit der der Inder vergleicht:
Die Christen scheinen vor allem daran interessiert, Grenzen zu anderen zu ziehen. Alle Menschen, ganz gleich, ob man gläubig war oder nicht, wurden vor derselben Lebensenergie getrieben. Das Herz, dachte sie, schlägt aus demselben Grund in allen Menschen, ganz gleich, was man glaubt. (47)
Pikay lernt Lotta kennen, und beide fühlen sich zueinander hingezogen. Pika wusste, dass er Lotta kennenlernen und sie heiraten würde. Das entnahm er aus seinem Lebenshoroskop.

Sie lernen sich kennen und philosophieren über das Leben. Pikay fragt Lotta, wie der Mensch glücklich werden könne, wenn die Menschen einander so rassistisch behandeln würden?
Sie spürte, dass sie unmöglich eine Ideologie annehmen könnte, die von jemand anderem fertig ausgedacht war. Und sie konnte nicht mit ganzem Herzen sagen, dass sie Christin, Hindu oder Buddhistin war, konservativ, liberal oder sozialistisch.Ich nehme mir von allem etwas, dachte sie.Trotz der christlichen Mutter und ihrer eigenen Neugier auf Yoga und die asiatischen Lebensphilosophien stand sie den Religionen kritisch gegenüber. Sie war Humanistin. Das musste genügen. Alle Menschen hatten dieselbe Lebensenergie, ganz gleich, woher sie stammten und wie ihre Hautfarbe war. Wenn man so denkt, ist es unmöglich, rassistisch zu sein, meinte Lotta. (127f)
Durch Lotta erfährt Pikay, dass es in Europa auch ein ähnliches Kastensystem gibt, das die Menschen voneinander trennt. Dieses würde man nur anders nennen.

Pikay musste lernen, mit dem Rassismus seines Landes fertigzuwerden, und geriet immer wieder in eine suizidale Identitätskrise. Er meinte, als sogenanntes Dschungelkind keinen Platz in der Gesellschaft zu haben. Ein höherer Lehrer konfrontierte ihn mit seinem Lebenssinn. Er musste lernen, sich gegen den Rassismus und gegen Vorurteile zu kämpfen. Nicht nur innerhalb seiner ethnischen Gruppe, sondern auch in den verschiedenen hierarchisch geordneten Kastenwelten.
Pikay lernte, dass man Gott nicht nur benutzen konnte, um die Armen zu unterdrücken, sondern auch, um dem Hochmut ein Ende zu setzen und die Welt zu verändern. (144)
Der Rat seiner Mutter:
Handle so, dass du hinterher für deine Taten geradestehen kannst und dich nicht dafür schämen musst. Und tue niemals einem Menschen etwas Böses. (157)
1975 bekommt Pikay die Erlaubnis seines älteren Bruders und seines Vaters, Lotta zu heiraten. Lotta befand sich allerdings wieder in Schweden, Pikay machte sich auf den Weg, ihr später mit dem Fahrrad nachzureisen. Pikay lernt auf seine Weise Europa kennen, mit einem etwas naiven Blick. Europa war in seiner Vorstellung ein paradiesischer Kontinent. Sauber und geordnet … Er idealisierte auch die dort lebenden Menschen.

Er lernt in Österreich Silvia kennen, die ihn vor seiner Naivität warnt:
>>Die Menschen hier sind nicht so gut wie in Asien. Die Europäer sind Individualisten und sich selbst am nächsten<<, mahnt sie und fügt hinzu, dass es guten und gutgläubigen Menschen in Europa übel ergehen  könne. (273)
In Europa wird Pikay mit Klischees konfrontiert, die er als Inder zu erfüllen hatte …


Mein Fazit zu dem Buch?

Ich bin über den Autor sehr erstaunt, der in der Lage war, differenziert über Indien zu schreiben. Frei von Klischees und Stereotypen ... Der Erlebnisroman ist recht authentisch geschrieben. Man hat als Leserin das Gefühl bekommen, in Indien zu sein und an den Reisen teilzunehmen. Auch die Wertschätzung zu vielen Ländern und deren Kulturen war zu spüren, dass überall die Menschen Menschen, aber alle Menschen verschieden sind.

Zum Schluss wurden auch die europäischen Kulturen hinterfragt. In dem Buch steckt so viel Wissen und so viel Weisheit.

Der Rassismus. Kein Land ist davon wirklich frei. Ich war froh, als auch der Autor am Ende diese Ansicht vertrat. Kommen die Engländer nach Indien und mahnen den dortigen Rassismus, ohne dass sie mit ihrem eigenen Rassismus fertigwerden.

Es gibt wenige AutorInnen, die es schaffen, über andere Länder so zu schreiben, dass mein Bedürfnis nach Differenziertheit erfüllt ist. Und ich selbst möchte auch nicht zu den Menschen gehören, die andere Menschen in Klischees und Stereotypen packen. Ein guter Autor ist frei davon und geht nicht mit fertigen Bildern an sein Werk. 


2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Broschiert: 336 Seiten
Verlag: KiWi-Paperback (2. April 2015)
14,99 €
ISBN-10: 3462047477

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Kiwi. 


Telefongespräch mit Tina

Tina und ich waren uns beide einig, dass es ein gutes Buch ist. Auch Tina war der Meinung, dass der Autor sehr differenziert und mit viel Weisheit geschrieben hat. Ein bisschen gelächelt haben wir über die Reiseform des Protagonisten. Das schon, aber er wirkte trotz allem sehr sympathisch und auch sehr kompetent. Auf den letzten Seiten sind ein paar Fotos von ihm, seiner Familie und von Lotta abgebildet.

Tina und ich können beide das Buch weiterempfehlen. Vor allem an Leserinnen und Leser, die gerne durch die Welt reisen. 

Und hier geht es zu Tinas Buchbesprechung.
____
Es ist ganz gleich, ob man reich oder arm ist,
alle hungern nach etwas.
(Per J. Andersson)

Gelesene Bücher 2017: 13
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Donnerstag, 23. März 2017

Per J. Andersson / Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine Liebe wiederzufinden

Lesen mit Tina

Tina und ich lesen wieder gemeinsam ein Buch, nun, zum Monatsende. Diesmal war es Tina, die uns aus der gemeinsamen Bücherliste diese Lektüre ausgesucht hat. 


Klappentext

Alles, was man zum Glück braucht, ist Vertrauen und ein Fahrrad
1975 lernt Pikay in Neu-Delhi durch Zufall die junge Schwedin Lotta kennen und verliebt sich unsterblich in sie. Als Lotta zurück nach Schweden geht, setzt sich Pikay kurz entschlossen auf ein altes Fahrrad und fährt ihr hinterher … Diese Geschichte erzählt vom unglaublichen Schicksal des kastenlosen Pradyumma Kumar, genannt Pikay. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, kennt er nur Extreme: Mal wird der talentierte Porträtzeichner von Indira Gandhi eingeladen, sie zu malen, mal muss er hungern und schläft auf der Straße. Eines Abends taucht neben seiner Staffelei ein blondes Mädchen auf – und eine unglaubliche Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang. Als Lotta zurück nach Schweden geht, stehen die Chancen schlecht für die beiden – wäre da nicht ein altes Fahrrad. Damit macht sich Pikay auf den Weg, um die 7.000 km von Asien nach Europa zurückzulegen. Auch zahlreiche Rückschläge können ihn nicht aufhalten, bis er schließlich tatsächlich in der Heimat Lottas ankommt, einer völlig anderen Welt … Um das Happy End gleich zu verraten: Heute sind die beiden seit über 35 Jahren verheiratet, haben zwei Kinder und leben auf einem alten Bauernhof in der Nähe von Borås.

Autorenporträt
Per J. Andersson ist Journalist und Schriftsteller mit Schwerpunkt Indien. Er ist Mitbegründer von Schwedens bekanntestem Reisemagazin Vagabond und ist in den letzten 30 Jahren mindestens einmal jährlich nach Indien gereist.
 Der Autor selbst ist mir unbekannt. Der Titel wirkte auch mich echt schräg, weshalb ich es kaufen musste. Ich habe ein paar Seiten erst gelesen, aber ich glaube, das Buch wird uns gefallen. 


Weitere Informationen zu dem Buch

Broschiert: 336 Seiten
Verlag: KiWi-Paperback (2. April 2015)
14,99 €
ISBN-10: 3462047477

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Kiwi. 


Mittwoch, 22. März 2017

Peter Longerich / Wannseekonferenz (1)

Der Weg zur >> Endlösung <<

75. Jahrestag der Wannseekonferenz am 20. Januar 2017


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich so ziemlich betroffen gestimmt. Nicht, weil ich etwas Neues gelesen und erfahren habe, nein, weil die politische Lage mich hier ohnmächtig stimmt. Auch ist sie in meinen Augen total absurd. Es fällt mir schwer, daran zu glauben, dass Menschen anderen Menschen so etwas Bestialisches antun können … Wenn ich mir vorstelle, wie diese Männer sich am 20.01.1942 in einer Luxusvilla über eine schnelle Endlösung beraten haben; ich stelle mir dabei Kinder vor, Säuglinge, selbst davor machten sie keinen Halt. Ich werde nicht viel zu dem Buch schreiben, weil es mir sehr nahegeht. Ich stelle mir vor, wie Mütter in der Gaskammer ihre Kinder festgehalten haben, um ihnen die Angst zu nehmen. Wann haben diese Mütter von ihren Kindern losgelassen, als sie selber an dem Erstickungsprozess beteiligt waren? Schwangere Frauen in der Gaskammer? Männer, die von ihren Familien getrennt wurden. Es gibt keine Gräber von diesen Opfern ... 

Interessant fand ich, dass es nicht irgendwelche Männer waren; es waren größtenteils Männer mit einer akademischen Ausbildung. Richtig gescheite Leute, die ihre Intelligenz nutzten, um jüdische Menschen auszurotten.
15 Männer, darunter zehn mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium, unter ihnen wiederum neun Juristen, von den acht einen Doktortitel führten, diskutierten diese Fragen, so ist dem Protokoll zu entnehmen, unter angenehm äußeren Umständen, in einer geradezu idyllischen Umgebung, in engagierter, sachlicher und sachkundiger Form; sie vertraten in Detailfragen durchaus unterschiedliche Standpunkte, ohne dass nur einer das Gesamtprojekt, den Mord an 11 Millionen Juden, infrage stellte. (2016, 8)

Ich versuchte mir so eine Konferenz vorzustellen, mich in diese Männer hineinzudenken. Was macht die Menschen zu dem, was sie sind? Was sind das für Männer, deren Gespräche permanent mit Mordgedanken gefüllt sind? Ein zu planender Massenmord eingeleitet mit verschiedenen Methoden, durch Hunger, Erschöpfung, Krankheit, Erschießung und am Ende durch Vergasung. Es gab in dem Buch noch Textstellen, wo diese Nazis bei der Vergasung unter den Duschen von außen zugeschaut haben, wie diese Menschen an dem Gas erstickt sind.
Auf Heydrich wurde später ein Attentat verübt, der kurze Zeit darauf an den Folgen starb. Kam dieses Attentat zu spät? Es gab genug andere Vertreter, die diese Vernichtungspläne weiter umgesetzt haben.
Die Wannseekonferenz leitete damit eine Weichenstellung ein, in deren Verlauf das Wann, das Wie und das Wo der >>Endlösung<< neu bestimmt wurde. Die Vernichtung der europäischen Juden wurde nun zu einem Projekt, das nicht mehr in großen Teilen nach Kriegsende, sondern vollständig bereits während des Krieges durchgeführt werden sollte; die >>Endlösung<< der europäischen >>Judenfrage<< sollte nicht mehr in den besetzten sowjetischen Gebieten stattfinden, der Schwerpunkt wurde viel mehr in das besetzte Polen verlegt; (129f)

Ich ahne, was mit Deutschland und mit dem Rest Europa passiert wäre, hätte Hitler seinen Krieg gewonnen. Nur aussprechen wage ich es nicht.

Mein Fazit zu dem Buch?

Nach dem Lesen und während des Lesens, wie ich oben schon geschrieben habe, konnte ich nicht aufhören, mich in diese Männer hineinzuversetzen. Wenn ich mir vorstelle, tagtäglich mit mörderischen Gedanken beschäftigt zu sein, und das noch über viele Jahre, so frage ich mich, wie eine menschliche Seele nur in der Lage sein kann, solche Energien in sich auszuhalten, und diese nach außen hin zu produzieren? Welche seelische Last tut man sich selbst damit an? 

Dabei sind in dieser Mordmaschinerie nicht nur sechs Millionen Juden umgekommen, sondern auch andere Menschen, die nicht in diesem Nazi-Regime gepasst haben. 

Demnach, auch wenn es belastend ist, wäre das Buch unbedingt zu empfehlen. Der Autor hat seinen Stoff gut verständlich einbringen können. Es geht nicht unbedingt darum, etwas Neues zu erfahren. Es geht um das Erinnern, damit eine belastende Geschichte nicht wiederholt wird. Diese Wannseekonferenz war mir von der Thematik her so noch gar nicht bewusst, welch einem Prozess sich die Nazis ausgesetzt haben, um diese Orgie der Gewalt, die mit dem Tod enden sollte, an Menschen anzuwenden.
Zusätzlich gut fand ich, dass der Autor seine Thematik nicht zu sehr aufgebauscht hat. 

Zehn von zehn Punkten.

Weitere Informationen zu dem Buch

Broschiert: 224 Seiten
Verlag: Pantheon Verlag; Auflage: 3 (14. November 2016)
Sprache: Deutsch, 14,99 €
ISBN-10: 3570553442

Ich möchte mich recht herzlich beim Verlag Pantheon für das zur Verfügung gestellte Exemplar bedanken. 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Pantheon.

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LIEBE FÜR ALLE
HASS FÜR KEINEN
(www.ahmadiyya.de)

Gelesene Bücher 2017: 12
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Montag, 20. März 2017

Peter Longerich / Wannseekonferenz

Der Weg zur >> Endlösung <<


75. Jahrestag der Wannseekonferenz am 20. Januar 2017



Klappentext
Am 20. Januar 1942 kamen fünfzehn hochrangige Vertreter des NS-Staates auf Einladung von Reinhard Heydrich in einer luxuriösen Villa am Wannsee zusammen, um über die »Endlösung« der »Judenfrage« zu beraten: Man entschied, so dokumentiert es das Protokoll, insgesamt elf Millionen Menschen zu deportieren, sie mörderischer Zwangsarbeit auszusetzen und die Überlebenden und Nichtarbeitsfähigen auf andere Weise ums Leben zu bringen.
Peter Longerich, einer der angesehensten Historiker der NS-Geschichte, zeigt, wie die Führungsinstanz des »Dritten Reiches« aus einer vagen Absicht zur Vernichtung der Juden ein konkretes Mordprogramm entwickelte und welch hohe Bedeutung der Wannseekonferenz innerhalb des Holocaust zukommt.

Autorenporträt
Peter Longerich, geboren 1955, Professor für moderne Geschichte am Royal Holloway College der Universität London und Gründer des dortigen Holocaust Research Centre, ist seit 2013 an der Universität der Bundeswehr in München tätig. Der international renommierte Experte für die Geschichte des Nationalsozialismus veröffentlichte zahlreiche Dokumentationen und Gesamtdarstellungen, seine Bücher über die »Politik der Vernichtung« (1998) und ihre Resonanz in der deutschen Bevölkerung, »Davon haben wir nichts gewusst!« (2006), sind Standardwerke. Seine zuletzt bei Siedler erschienenen Biographien über »Heinrich Himmler« (2008), »Joseph Goebbels« (2010) und »Hitler« (2015) fanden weltweit Beachtung.
Das Buch ist sehr spannend. Ich bin damit schon fast durch. Sehr interessant geschrieben. Und trotzdem, mir kommt diese Zeit absurd vor. Ich kann nicht glauben, dass so viele intelligente Menschen, sie waren fast alle Akademiker, ihre Taten in kriminalistische Energien verlagert haben.


Weitere Informationen zu dem Buch

Broschiert: 224 Seiten
Verlag: Pantheon Verlag; Auflage: 3 (14. November 2016)
Sprache: Deutsch, 14,99 €
ISBN-10: 3570553442

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Pantheon.



Sonntag, 19. März 2017

Jonas Karlsson / Das Zimmer (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich richtig gepackt. Woran hat das gelegen? Die Thematik besitzt schließlich keine kriminalistische Kulisse, sondern sie beschreibt ausschließlich die banale Welt eines Arbeitsalltags in einem Großraumbüro. Was ist daran so spannend? Der Autor hat es gewusst, seine Thematik so anzupacken, dass sie mich als Leserin nicht mehr losgelassen hat. Ein wenig surreal der Hintergrund seiner Geschichte.

Das Zimmer ist nämlich für mich ein surreales Motiv. Erst dachte ich, Björn, der Protagonist und Icherzähler, leidet an einer Zwangs- und Wahnvorstellung, an einer Schizophrenie, aber zum Ende hin konnte ich mich doch nicht für eine psychische Störung entscheiden.

Auf den ersten Seiten entwickelte ich ein Geschlechterproblem: Ich dachte erst, der Protagonist sei eine Frau. Habe dabei unbewusst den Klappentext und das Bild auf dem Cover ignoriert. Viele Episoden kannte ich von mir selbst. Ich würde also nicht unbedingt sagen, dass der exzessive Ehrgeiz und damit verbunden das enorme Leistungsdenken im Berufsleben eher eine männliche Domäne ist, denn wer ist das nicht heutzutage, ehrgeizig und leistungsorientiert im Beruf? Als die Geschichte aber immer abstrusere Formen annahm, konnte ich mich von dieser Figur wieder distanzieren, deren Namen Björn auf den folgenden Seiten mittlerweile gefallen war.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Von unausstehlichen Kollegen umgeben, in ein Großraumbüro gepresst, kann Björn sein Glück kaum fassen, als er eines Tages ein kleines, geheimes Zimmer entdeckt. Ein Büro nur für sich, auf demselben Stockwerk, im Flur gleich neben der Tonne für das Altpapier und dem Aufzug. Hier drinnen sind das Chaos und die Enge der Bürowabenwelt vergessen, Björn hat plötzlich Spaß an seiner Arbeit. Alles wäre gut, gäbe es da seine Kollegen nicht. Die treibt Björns bizarres Verhalten fast zur Verzweiflung. Und zu allem Übel tun sie auch noch so, als existiere dieses Zimmer überhaupt nicht.
Nun erwiesen sich mir Björns KollegInnen nicht wirklich als unausstehlich, wie dies aus dem Klappentext hervorgeht. Ein dermaßen unkollegialer Typ wie Björn einer ist, der muss eben so behandelt werden, wie seine KollegInnen ihn behandelt haben. Unausstehlich war mir demnach eher Björn selbst, der menschliche Schwächen bei anderen definitiv nicht dulden konnte, und während er sich permanent aufwertete, wertete er andere ab … Björn möchte sich hocharbeiten, und sein Ziel ist, es von seiner Position bis in die Chefetage zu schaffen.

Björn hatte noch nicht lange die neue Dienststelle angetreten, als er schon nach ein paar Tagen seinen Kollegen Hakan zur Rede gestellt hatte. Hakan hatte seinen Schreibtisch gegenüber von Björn. Er wirkte mit seinen Akten dermaßen unsortiert, sodass viele Arbeitspapiere auf Björns Schreibtisch landeten. Doch auch Hakans äußere Erscheinung widerte Björn an. Nach dem Gespräch, als beide wieder an ihren Schreibtischen zurückgekehrt waren, kommen Björn über Hakan folgende Gedanken:
Wahrscheinlich war er diese Art deutlicher und effektiver Ermahnungen nicht gewöhnt. Höchste Zeit, dass du dich daran gewöhnst, dachte ich. Gut möglich, dass ich eines Tages dein Chef sein werde. (31)  
Björn wird immer auffälliger. Er zieht sich, wenn er sich von der Arbeit ein wenig ausruhen möchte, in dieses ominöse Zimmer zurück. Das stößt bei seinen KollegInnen auf, es kommt zwischen ihnen und Björn zu einem Eklat, sodass ein Gespräch zwischen ihm, seinen KollegInnen und dem Chef stattfindet. Björn äußert seinen Ärger:
Zunächst einmal ist mir aufgefallen, dass einige einen unnötig scharfen Ton anschlagen. Man ist mir mit einer recht unfreundlichen Haltung begegnet und hat sich nicht sonderlich darum bemüht, dass ich mich hier wohlfühle, was vermutlich daran liegt, dass ihr euch über mich ärgert. Das ist nicht weiter verwunderlich, kreative Menschen sind schon immer auf Widerstand gestoßen. Es ist ganz natürlich, dass einfach gestrickte Personen Angst vor Sachkenntnis haben. (70)

Die KollegInnen beschweren sich, dass Björn merkwürdige Dinge an der Wand tun würde, und geistig total abwesend wäre.

Das Gespräch gerät aus den Fugen. Die Rollen zwischen Björn und seinem Chef vermischen sich. Es ist Björn, der sich erlaubt, den KollegInnen Anweisungen zu geben, um das Gespräch zu beenden:
>>Lasst euch das eine Lehre sein<<, sagte ich in einem etwas milderen Ton. >>Was haltet ihr davon, wenn wir nun zu unseren jeweiligen Arbeitsaufgaben zurückkehren und diesen für euch alle so ausgesprochen peinlichen Zwischenfall nie mehr erwähnen. Wenn jeder Einzelne von euch bereit ist, ab heute offen und ehrlich zu sein, wenn ihr nie mehr versucht, mir derartige Streiche zu spielen, um mich aus dem Konzept zu bringen, bin ich bereit, einen Schlussstrich unter die Angelegenheit zu ziehen. Einzig und alleine, weil mir vollkommen bewusst ist, dass Intelligenz und Ausstrahlung allen Mittelmäßigen schon immer ein Dorn im Auge gewesen sind. Einzig und allein deshalb bin ich bereit, euch zu verzeihen. Kleine Menschen können nicht immer etwas dafür, dass sie gelegentlich der Versuchung erliegen, umzustürzen und den Leuten über ihnen zu schaden<<. (72) 

Die KollegInnen ziehen sich wieder an ihre Plätze zurück. Das Gespräch wird allerdings zwischen Björn und seinem Chef fortgesetzt. Das Gespräch endet damit, dass der Chef Björn zu einem Psychiater schickt…

Da das Buch gerade mal 172 Seiten hat, möchte ich nicht mehr verraten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Eine recht authentische Geschichte; Erfahrungen, die sicher jeder Berufstätige aus seinem Arbeitsalltag kennen wird. Solch eine Figur, wie Björn sie ist, gönnt man keinen Chef-Titel. Und hier, in dieser Geschichte, habe ich schon ein wenig gezittert, Björn könnte neben seiner Verrücktheit und neben seiner Spießigkeit seinen Aufstieg zum Vorgesetzten schaffen. Björn ist allerdings nur eine Figur, die auch hätte eine Frau sein können. In dieser Form wäre sie genauso unausstehlich ... 

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.


 Weitere Informationen zu dem Buch

·         Gebundene Ausgabe: 176 Seiten
·         Verlag: Luchterhand Literaturverlag (11. April 2016)
·         17,99 €
·         ISBN-10: 3630874606

Ich möchte mich recht herzlich für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar beim Verlag Luchterhand bedanken. 

Und hier geht es auf die Verlagsseite von Luchterhand
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Liebe für alle.
Hass für keinen.
(www.ahmadiyya.de)

Gelesene Bücher 2017: 11
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86