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Montag, 21. September 2020

Raffaella Romagnolo / Bella ciao (1)

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre 

Foto: Italienisches Buchcover

Ein Buch, das nach Leben und Menschlichkeit schreit

Ich habe viel über dieses Buch schon während des Lesens nachgedacht, dass ich gerne darüber schreiben möchte. Es ist mit so vielen Post it beklebt, dass es mir zeigt, mit wie viel Facetten mich diese Lektüre doch begleitet hat. Ich werde leider nicht alle Buchseiten bearbeiten können und stehe vor einer schwierigen Entscheidung.

Es gibt so viele Szenen, die mich innerlich beschäftigt haben, dass ich sie unbedingt hier festhalten möchte. Wie soll man sonst über ein Buch sprechen, wenn man so viele Gedanken unterdrücken muss??? Ich schreibe gerne, und ich denke gerne, das bin ich, wenn ich mich durch eine so gute Lektüre wie diese ausdrücken darf und mir keine Verbotsschilder aufgesetzt werden. Schweigen kann ich später in meinem Grab, wenn mein Leben vorbei ist. Ich lese, also bin ich …

Wer inhaltlich im Vorfeld nicht so viel erfahren möchte, bitte ich nur die Buchvorstellung zu lesen, mit der man sich hier weiter unten verlinken kann ... Wer aber Dinge über Italien lesen möchte, die bislang weitestgehend unbekannt waren, lade ich zum Weiterlesen ein. Es bleiben trotzdem noch viele wichtige Punkte übrig, die ich hier unerwähnt gelassen habe.

Ich nutze durch Romagnolo die Gelegenheit, zu ihrem Buch an mein Wissen anzuknüpfen, das ich durch verschiedene Fachbücher zu Italien mir erworben habe.

Und am Ende der Buchbesprechung verlinke ich zu einem amerikanischen Spielfilm mit dem Titel Im Teufelskreis der Armut, den man sich kostenlos anschauen kann. 

Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu den ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Handlung gebe ich sprunghaft wieder, wie ich dies beim Lesen erlebt habe.

Die Heldin dieses epochalen Familienepos ist Giulia Masca, die als ganz junges Mädchen schwanger von zu Hause ausgebrochen ist. Sie hat all ihre Ersparnisse zusammengekratzt und sich auf ein Schiff nach Amerika begeben. Geschuldet war die Flucht nicht der Schwangerschaft, sondern dem Partner Pietro Ferro, der sich mit einem anderen Mädchen namens Anita Leone zusammengetan hat. Pietro und Giulia kennen sich seit frühster Kindheit und waren sicher, wenn sie groß sind, würden sie gemeinsam in den Bund der Ehe treten ...

Die Handlung beginnt in New York, als Giulia über ihre Vergangenheit im italienischen Piemont reflektiert. Es ist das Jahr 1946. Giulia ist 1901 von zu Hause abgehauen, ohne ein Sterbenswörtchen der Mutter zu hinterlassen. Der Vater, der unter einer Alkoholsucht litt, kam ums Leben, als Giulia gerade mal acht oder neun Jahre alt war. Die Handlung bewegt sich in der Erzählweise im Wechsel zwischen Borgo di Dentro und New York ...

Das Schicksal wollte es anders. Giulia ging nun nicht die Ehe mit Pietro ein, sondern mit einem nach Amerika eingewanderten Italiener namens Libero Manfredi, der doppelt so alt ist wie Giulia selbst. Während Manfredi vorurteilslos sich dem jungen schwangeren Mädchen annimmt, wird Giulia von dessen Familie als Hure verspottet … Als Giulias Kind auf die Welt kommt, nimmt Manfredi diesen Sohn wie einen eigenen an und gibt sich als seinen Vater aus. Manfredi ist Krämer von Beruf. Er ist ein Illiterat, hat nur Rechnen gelernt. Als Krämer hat er es dennoch geschafft, sich in Amerika durch mehrere Läden einen Namen zu machen. Verkauft werden viele italienische Produkte.

Pietro ging hingegen die Ehe mit Anita ein, die zur selben Zeit schwanger wurde wie Giulia. Beide junge Frauen fühlten sich zu Pietro hingezogen, nur wusste die ahnungslose Giulia dies nicht.

Als sie wortlos verschwand und sie nicht wiedergefunden werden konnte, plagten Anita und Pietro stille Schuldgefühle.

 Auch Anita bringt einen Sohn zu Welt, der den Namen Nico erhält ...

Ihren Mann Pietro verliert Anita im Zweiten Weltkrieg. Später auch ihren Sohn, indem er von deutschen Soldaten tödlich verletzt wurde.

Giulia ist aber durch die Flucht auch der Armut und der harten Arbeit entronnen. Sie stammt wie viele ihrer Landsleute aus ärmlichen Verhältnissen, die weder lesen noch schreiben konnten. Die Reichen im Land übten Druck auf die Kleinen aus und ließen für einen Hungerlohn für sich arbeiten. Trotz der Schulpflicht wurde Giulia nach drei Grundschuljahren von der Bildungseinrichtung genommen, um zusammen mit ihrer Mutter in einer Seidenspinnerei zu arbeiten. Durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte sind die Menschen unzufrieden und es kommt zu schweren politischen Unruhen und Krawallen. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nach Freiheit und Gleichheit, nach Barmherzigkeit ist groß, wofür die Menschen bereit waren zu kämpfen…

Giulia fragt sich häufig, ob sie mutig war, einfach auszubrechen oder war sie nur zu feige, ihre Konflikte zu klären und auszutragen?

Nach über vierzig Jahren kehrt Gulia mit ihrem erwachsenen Sohn Michele für drei Wochen nach Piemont zurück und hofft, ihre Mutter, Pietro und Anita wieder zu sehen … 

Welche Szene hat mir nicht gefallen?
Es waren recht viele Szenen, die mich beim Lesen sehr traurig und nachdenklich gestimmt haben. Ich entscheide mich für drei folgende Episoden, die ich hier gerne niederschreiben möchte.

Episode 1- Giulias Bruch mit ihrer Nation und der Mutter
Sehr traurig fand ich den plötzlichen Abbruch Giulias zu ihrer Mutter. Giulia selber ist mit ihrem Gewissen geplagt, weshalb sie nie den Namen ihres Mannes hat annehmen können. Sie trug auch nach der Heirat noch ihren Mädchennamen Giulia Masca.

>Ich bin nicht du, Mama< Hat sie es deshalb nie geschafft, sich ganz als Giulia Manfredi zu fühlen, oder auch einfach als Giulia? War sie zu sehr damit beschäftigt, mit Assunta zu streiten, sogar aus 6500 km Entfernung? Zu viel Wut. >Mama, hörst du mich? Ich bin nicht du!< (2019, 193)

Giulia hatte versucht, von Amerika aus erneut Kontakt zur Mutter aufzunehmen, hat ihr ein Foto ihres Sohnes geschickt, eine Einladung und Geld, damit sie sie in Amerika besuchen könne. Assunta Masca war so gekränkt, dass sie die Briefe unbeantwortet ließ, sie nahm lediglich das Geld heraus, um damit für ihr späteres Begräbnis zu sparen.

Im Laufe der Jahre musste die mittlerweile Identität geplagte Amerikanerin erkennen, dass ihre Mutter einen harten Überlebenskampf führen musste. Giulia begann zu verstehen, dass die Mutter keine böse Natur war, sondern nur arm.

Assunta hat getan, was sie konnte, das weiß Giulia jetzt. Es gibt keine Rechnungen zu begleichen, es gibt nichts zu verzeihen. Alle tun wir unser Bestes. (514)

Einen schönen Satz hat Romagnolo geschrieben, den ich unbedingt festhalten möchte, der allen anderen Familien Mut machen soll: Familie heißt, füreinander da sein. Leider finden die meisten Zerwürfnisse ganz besonders in Familien statt, die häufig bis zum Tod unversöhnt bleiben, wie ich dies aus meiner psychiatrischen Berufspraxis von meinen Klient*innen heraus kenne und erfahren habe. Auch die Seniorenheime sind voll von alten Menschen, bei denen der Kontakt von den Kindern aus unterschiedlichsten Gründen abgebrochen wurde, und so vereinsamen die alten Leute vor sich hin. Ebenso im Freundeskreis gibt es Fälle dieser Art.

Episode 2 – Libero Manfredis depressive Krise
Giulias Mann sollte einberufen werden, der Zweite Weltkrieg war ausgebrochen. Libero Manfredi bestand die medizinische Untersuchung nicht, da er Analphabet war und wurde als imbezil eingestuft. Er wurde dadurch ausgemustert und wieder zurückgeschickt. Er fiel in eine schwere depressive Krise, lag apathisch im Bett, verlor jegliches Interesse am Leben. Giulia ging das sehr nahe und meinte, dass niemand das Recht habe, einfach stehen zu bleiben, „denn Gehen heißt Leben“. Gehen heißt Leben und das Beste aus seiner Lage machen …

>Niemand hat die Freiheit, einfach stehen zu bleiben, nicht wahr, Miss Liberty?< (131)

Keine Wertschätzung vonseiten Amerika, das bekannt ist als das Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten, wofür die Freiheitsstatue steht, vor der Giulia ihren Gedanken nachgeht. Dass Manfredi trotz der Bildungsarmut dennoch ein erfolgreicher Geschäftsmann wurde, galt in Amerika nicht als nennenswerter Erfolg.

Episode 3 – Pietro Ferro im Krieg
Pietro ist im Krieg und ist kriegsmüde und sehnte sich nach seiner Frau Anita. Er möchte ihr einen Brief schreiben, und es fehlen ihm aber die richtigen Worte. Es fällt ihm schwer, ihr zu schreiben, wie es ihm wirklich geht, wie schrecklich dieser Krieg doch sei. Er möchte seine Frau nicht beunruhigen. Im Graben liegt ein toter deutscher Soldat. Pietro findet bei ihm einen Liebesbrief an dessen Frau. Er ist angetan von seinen Worten und möchte am liebsten diesen Brief stehlen und seiner Frau schicken. Aber da stehen auch Worte von Vaterlandsliebe, die Pietro am liebsten auslöschen würde, da er dieses Gefühl selbst nicht kennen würde.

Diese Episode hat mich tief berührt, dass der italienische Soldat betäubt vom Krieg einen Brief stehlen wollte, die Worte stehlen, die der deutsche Soldat an seine Frau gerichtet hatte. Und die These zur fehlenden Vaterlandsliebe, wo doch viele hier denken, dass die Italiener*innen alle stolz auf ihr Land aufsehen, was aber in Wirklichkeit nicht stimmt. Weiter unten habe ich geschrieben, warum die Italiener*innen Identitätsprobleme haben. Nicht nur wegen der schwachen italienischen Regierung seit eh und je …

Welche Szene hat mir gefallen?

Es gibt zwei Episoden angelehnt an Zitate …

Episode 1 – Giulias Schulerfolg – Die Anerkennung ihrer Familie

Am letzten Schultag stehen sie alle beide draußen. Er nüchtern, rasiert, in sauberem Hemd, sie im Sonntagskleid, mit glänzenden Stiefelchen und einem Schildpattkamm im Haar. Es sind noch andere Eltern da, wegen der Zeugnisse. Sie setzten sich zu dritt auf die Stufen, Giulia in der Mitte. Sie liest ihnen vor: Drei, Zwei, viele Einsen, doch die beiden sahen sie zweifelnd an. 

In dem Augenblick tritt Primo Leone mit Anita an der Hand zu ihnen. Er will die Noten sehen, wirft einen raschen Blick darauf, macht große Augen, um sie zu belustigen, und drückt ihr zum Schluss die Hand, wie es unter den Großen Brauch ist: >Meine Hochachtung, Signorina Masca. Sogar in Rechnen eine Eins!<

Die Piazetta leert sich, auch der Herr Lehrer (…) geht davon, nickt ihrer Mutter zu und zieht vor dem Vater den Hut. Als sie allein sind, holt Erminio Masca ein größeres Päckchen aus der Tasche. >Zur Feier des Tages<, sagte er. >Du kannst doch so gut rechnen, teil es gerecht auf.<

Auf ihren Knien faltet Giulia das Päckchen auseinander und zählt im Kopf siebenundzwanzig glasierte Haselnüsse. Dann sagt sie ganz leise, als wäre der Lehrer noch dabei: > ja, ist teilbar<, und macht drei Häufchen von je neun. Sie ist so aufgeregt, dass sie nicht einmal herausbringt: > Bitte sehr, nehmt Euch.< Sie blickt auf das greifbare Ergebnis aus Zuckerglasur, mustert aus dem Augenwinkel die gerade Linie des frisch gestutzten Schnurrbarts ihres Vaters und die Handschuhe, die die Mutter aus der Kommodenschublade gefischt hat, um ihre verunstalteten Finger zu verbergen: (Die Finger waren durch die harte Arbeit in der Seidenraupenspinnerei entstellt, Anm. d. Verf.) Sie möchte für immer so bleiben, in diesem Augenblick vollkommenen Glücks, während die Menschen, in ihre Geschäfte und Gedanken vertieft, ahnungslos vorübergehen. Doch dann hat Assunta einen Handschuh ausgezogen, Erminio Masca hat sich eine Haselnuss genommen, und alles war zu Ende. (345)

Obwohl die darauffolgenden Sätze den Tod des Vaters ankündigen, woran, ist im Kontext nicht festgelegt, fand ich diese Szene, den Schulerfolg durch die Eltern mitgetragen zu haben, als eine zwar nur kurzlebige Glückseligkeit, dennoch wunderschön. Ich habe noch lange daran gezehrt. Zu schön, sich vorzustellen, wie sich die Eltern für die Tochter rausgeputzt haben. Und dass der eigentlich alkoholisierte Vater doch einen sehr weichen Kern besaß, wie man dies bei vielen männlichen Alkoholikern beobachten kann. Sie trinken aus purer Verzweiflung durch schwierige Lebensumstände, mit denen sie nicht fertig werden. (336)

Episode 2 – Der weinende Arzt und die Vergebung
Doktor Costa muss im Beisein von Anita, die durch die Todesfälle in ihrer Familie schon vorbelastet ist, Pietros älteren Bruder Achille Ferro, der den italienischen Partisanen sich angeschlossen hatte und von den Feinden erwischt und übelst zugerichtet wurde, eine Todesspritze setzen lassen, um diesen von dem Leid zu erlösen, da er nicht mehr zu retten war. Der Arzt konnte auch Anitas Sohn Nico nicht mehr retten, was ihm zu schaffen macht.

>Glauben Sie mir? Sie müssen mir glauben, Anita< Schwarzhemd, Kniehosen. Die Arroganz. Anita bringt keine Antwort heraus.

Der Arzt schlug die Hände vors Gesicht. >Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid<, schluchzte er, und Anita begreift, dass dieses Weinen alles enthält, was der Arzt nicht mit Worten ausdrücken kann: seine Jugend und die von Nico, die Entscheidungen, der Zufall, das Schicksal.

Sie tritt zu ihm, nimmt seinen Kopf zwischen die Hände, und er klammert sich an ihre Rockschöße.

Seine Schultern beben. Sie lässt ihn sich ausweinen, streicht über seine schütteren Haare. Auch Nico wären sie ausgegangen, alle Ferros bekommen früh kahle Schläfen. Sie denkt an die jungen Widerstandskämpfer, zu denen der Arzt nachts hinaussteigt, um sie zu behandeln. Dutzende. Sie denkt an Gatto und an Hamlet. Kleine Tränen der Erleichterung rollen über ihre Wangen. Ihr wird leicht ums Herz, sie fühlt, wie der Hass, der sich in all den Jahren abgelagert hat, sich auflöst, wie angetrocknete Seife und fortgespült wird. Ist das die Vergebung, von der die Pfarrer sprechen? Dieses unvermutete Vermächtnis füreinander, diese Verbindung zwischen dem, der vergibt, und dem, dem vergeben wird? (492)

Welche Figur war für mich Sympathieträgerin?
Am Ende waren es Anita und Giulia, aber auch Giulias Sohn Michael und Libero Manfredi. Auch Adelhaid fand ich sympathisch, die sich als Frau für Politik interessierte. Sie sich in Männerkleidung begab, um für das Land mitzukämpfen. 

Welche Figur war mir antipathisch?
Alfonso Risso, der hinterhältig war und mit einem Fußtritt einen Hund der Leonis getötet hat.

Meine Identifikationsfigur
Es hat lange gedauert, bis ich mich in eine der Figuren habe spiegeln können. Ich sah mich anfangs in Anita, doch erst am Ende war ich mir sicher, dass sie es ist, deren Namen ich hier festhalten möchte. Anita Leone-Ferro.

Cover und Buchtitel
Den Titel Bella ciao fand ich unpassend. Besser finde ich den Originaltitel Destino – Schicksal.


Bella ciao ist nichtsagend, auch wenn der Titel auf der Seite 509 in die Nationalhymne gepackt wird, sodass ich im Internet mir die gesamte Nationalhymne runtergeladen habe, und habe dort allerdings nirgends etwas von „Bella ciao“ entnehmen können. Das Cover von der Büchergilde finde ich etwas zu bunt, aber die Idee, beide Staaten, Italien und Amerika, auf den Kopf zu stellen, soll die Gegensätze aufzeigen, finde ich künstlerisch gelungen, wenn es aber auch viele Gemeinsamkeiten gibt, die man auch mal ruhig in den Fokus hätte rücken können.

Das Cover von Diogenes finde ich für mich ansprechender, wobei die Figur darauf sicher die Hauptfigur Giulia Masca darstellen soll. Aber warum dunkelhaarig? Giulia hat blonde Haare und blaue Augen. Überhaupt fand ich es schön, dass die Figuren im Buch bunt waren, es gab auch Rothaarige. Figuren mit blauen

und grünen Augen, große und kleine Italiener*innen. Warum dürfen Italiener*innen nicht blond … und hellhäutig sein? Warum halten ausländische Verlage so an diese Stereotypen fest? Selbst meine Herkunftsfamilie, die nicht aus dem Norden Italiens kommt, ist bunt gemischt. Viele Blondhaarige, viele mit blauen und grünen Augen, nicht alle haben schwarze Augen bzw. schwarze Haare. Warum darf Vielfalt im Süden nicht sein? Sowohl im Auftreten als auch von der Genetik her werden sie immer als Exoten dargestellt. Ein Schwarz-Weiß-Bild, das ich in meiner Familie nicht bestätigen kann. Hell ist der Norden Europas, dunkel der Süden. Doch auch der Norden ist bunt und ist keineswegs nur hell. Es wird ein Wunschbild kreiert, wie man sich wünscht, wie Menschen aus anderen Ländern auszusehen haben. Und diese Bilder sind fest in den Köpfen der Leser*innen programmiert. Man verbindet damit auch bestimmte Verhaltensweisen, wie z. B. Heißblütigkeit, u. a. negative Attribute.

Verbrecher und Kriminelle werden zum Beispiel meist dunkelhaarig dargestellt. Die Hellen werden häufig als sanft und sensibel beschrieben. Ich bin froh, Romagnolo gelesen zu haben, denn in ihrem Roman gibt es auch weinende, italienische Männer. Selbst in meiner Familie gibt es sehr sensible Männer, die in belastenden Situationen durchaus Tränen vergießen können. Nicht alle sind hart gesottene Machos. Aber will man solche Männer? Hier in Deutschland werden sie als Weicheier beschimpft.

Woher mein kritischer Blick? 
Durch mein Hauptstudium der Erziehungswissenschaften an der Goethe-Universität in Frankfurt, als ich damals neben meinen anderen Nebenfächern auch das Fach der Migrationspädagogik mitbelegt hatte, wurde uns Student*innen der Blick geschärft, Bilder in der Literatur, auch durch Wort und Schrift gegenüber den Personenbeschreibungen kritisch anzugehen. Selbst in Schulbüchern ist häufig versteckter Rassismus verbreitet. Kinder werden frühzeitig geimpft, in dem sie Migrant*innen mit bestimmten Mustern im Wir und Ihr-Modus dargestellt bekommen, die zusätzlich ausgrenzende Wirkungen erzeugen sollen. Türken wurden in Schulbüchern häufig der Berufsgruppe Müllabfuhr, Türkinnen waren Putzfrauen, Italiener waren Pizzabäcker, etc. während Deutsche in akademische Berufe gepackt wurden. Dies ist sicher auch ein Grund, weshalb sich keine italienischen Akademiker*innen in Büchern zu Italien finden lassen, die von deutschen Autor*innen geschrieben werden. Es ist schwer, sich mit diesen stereotypen Bildern im Kopf z. B. eine*n italienische Wissenschaftler*in etc. vorzustellen.

Zum Schreibkonzept
Das Buch ist auf den 518 Seiten in drei Büchern mit insgesamt neun Kapiteln gegliedert. In manchen Kapiteln findet man weitere Überschriften, die thematisch aufgebaut sind. Die Erzählform hat reflektierenden Effekt. Außerdem besitzt die Lektüre eine gut verständliche Sprache. Manchmal allerdings bedient die Autorin auch Fäkalbegriffe, die wahrscheinlich gewollt sind, um die Misere Italiens besser verdeutlichen zu können. Für Scheiße hätte man aber auch den Begriff Kot einsetzen können. Hätte für mich denselben Effekt, klingt nur nobler. Aber diese primitiven Begriffe sprengen keineswegs den Rahmen.

Auf der ersten Seite schenkt uns die Autorin zwei wunderschöne einleitende Verse zu ihrem Roman.

Auch findet man zu Beginn jedes neuen Buches einen Stammbaum der Familien Leone, Masca und Manfredi. Separat dazu Namen anderer Figuren. Am Ende des Buches ist eine Anmerkung der Autorin abgedruckt, die beschreibt, wie sie zu ihrem Erzählstoff gelangt ist.

Meine Meinung
Nach dem Ende des Buches weiß ich noch nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen, wie ich zu der Autorin Raffaella Romagnolo stehen soll, die immerzu von Italien spricht, aber die Grenzen bis nach Piemont gezogen sind. Es gibt noch nicht einmal die Hauptstadt Rom, in der von dort aus seit der Staatsgründung von 1861 sämtliche politische Fäden gesponnen wurden. Vor dieser Zeit war Italien in mehreren Staaten gesplittet. Florenz hatte zum Beispiel eine eigene Festung, fremd war jeder, der nicht dieser Bastion angehörte. Durch die gewaltigen Machtkämpfe aus anderen europäischen Länder wie z. B. das Eindringen durch Österreich in den Norden, der Süden wurde sogar von arabischen Ländern fremdbesetzt, haben sich die vielen italienischen Kleinstaaten zusammengetan und gründeten ein großes Staatsgebiet, um sich gegen die Fremdherrschaft oben wie unten besser schützen zu können. Aber eine Liebe zwischen diesen Staaten konnte als ein geeintes Italien nie wirklich erworben werden. Zu groß waren die Vorurteile, zu groß der Ressentiment unter den vielen kleinen Staaten, die zu einem einzigen Volk Italiens hätten zusammen wachsen sollen …

Wenn auf diesen Buchseiten mal über eine Figur aus Süditalien geschrieben wird, dann eher auf eine recht abfällige und rassistische Form durch die Romanfigur Giulia Masca. Es herrschen hier dieselben rassistischen Vorurteile, wie man sie von anderen Ländern zu Italien her kennt. Giulia befindet sich in Manhattan, als sie folgenden Gedanken spinnt:

In der Wohnung im 1. Stock wohnen jetzt acht kürzlich angekommene Kalabresen, vielleicht auch neun, Mrs. Giulia Masca ist sich nicht sicher Sie vermehren sich rasch. Ungebildete Italiener, Analphabeten mit zu vielen Kindern (…), (37).

Klagte sie doch über die Bildungsarmut ihres eigenen Landes, auch ihre Mutter war Analphabetin, ihr Mann Manfredi ist es, hackt sie nun auf die Süditaliener, ohne zu wissen, was das tatsächlich für Leute sind. Das war oder ist sogar noch italienischer Alltag zwischen Nord und Süd und dies hat Romagnolo in dieser einzigen Szene sehr gut darstellen können.

Auch Äußerlichkeiten verwenden Norditaliener*innen dieselben Stereotypen wie die Deutschen. Die Süditalien*innen werden alle als dunkelhäutig und schwarzhaarig abgebildet. Dabei sind sie durch das milde und heiße Klima eher sonnengebräunt.

Auf nur 518 Seiten ein Familienepos über italienische Geschichte zu schreiben, finde ich für jemanden, der sich mit dieser Materie nur wenig auskennt, eine Überfrachtung. Zu große Zeitsprünge hin und her, während Menschen, die in dem Land groß geworden sind und in der Schule italienische Geschichte gelehrt bekommen haben, es sicher leichter haben, sich in dem Buch historisch zu orientieren. Mir hat in der Erzählstruktur mitunter ein Zeitraffer gefehlt. Mitten im Text bekommt man völlig unerwartet mit einer anderen Epoche zu tun und dann wieder mit anderen Figuren aus den verschiedenen Stammbäumen, die aber alle miteinander verbunden waren.

Auf die Weltwirtschaftskrise, die in den 1920er und 1930er-Jahren in Amerika grassierte, so wie auch die Bankenkrisen, die Schuldendeflation … erwähnte die Autorin kaum. Amerika ging es zu dieser Zeit existenziell auch sehr schlecht. Viele Amerikaner*innen nagten ähnlich wie die Italiener*innen am Hungerstuch ...

Das Buch hat dennoch mein Interesse geweckt, dass sich in mir eine innere Lust entwickelt hat, weitere Bücher zur Geschichte Italiens zu lesen. Der italienische Faschismus ist mir durch den deutschen Nationalsozialismus vertraut, aber nicht nur auf Piemont bezogen. Ich habe dazu viele Fachbücher gelesen, aber keine belletristischen Romane, die es in Italien zuhauf gibt, wie ich mir habe sagen lassen. Leider werden zu wenige davon ins Deutsche übersetzt.

Doch im Nachhinein fand ich das Buch sehr gut. Diese Kühle, die die Autorin in die Seelen ihrer Figuren hineingelegt hat, konnte am Ende in Empathie und Menschlichkeit umgewandelt werden. Ich fand das Ende daher richtig genial, das mich sehr tief bewegt hat.

Schützt Bildung vor Armut? In vielen Ländern schon, leider nicht in Italien. In den 1990er Jahren sind viele italienische Akademiker*innen ausgewandert, da sie im eigenen Land keine Arbeitsplätze haben finden können. Die Ressourcen der jungen und gut ausgebildeten Menschen hatte der Staat regelrecht verschwendet, die auch heute noch zu wenig für das eigene Land eingesetzt werden. 

Wie ist das Buch zu mir gekommen?
Durch die Buchmesse von 2018. Es fand wieder das alljährliche Bloggertreffen durch den Diogenes Verlag statt, das von der Pressereferentin S. B. moderiert wurde. Hier wurden sämtliche Neuerscheinungen für das erste Halbjahr 2019 vorgestellt. Mir war klar, dass ich durch mein Leseprojekt italienische Autor*innen Literatur gesucht habe. Romagnolo kam mir hier sehr recht, da ich mit meinem Projekt noch in den Startlöchern steckte. Entdeckt und fertig gedruckt hatte ich es allerdings etwas später bei der Büchergilde bei meinem Quartalseinkauf. Die Büchergilde bekam eine Lizenzausgabe durch die Genehmigung des Diogenes Verlages, der zuerst die Autorin aufgespürt hatte.

Auch wenn in Amerika von den Medien häufig nur die Glitzerseiten gezeigt werden, gibt es auf Youtube kostenlos einen Spielfilm über die Armut in Amerika zu sehen. Der Film heißt  Im Teufelskreis der Armut. Ich hatte ihn mir vor mehreren Jahren mehrmals angeschaut, noch bevor ich Romagnolo kannte.


Auch in diesem Film wird deutlich, wenn in einer Familie die Existenzgrundlage fehlt, dann geht es um das nackte Überleben, und man einfach nicht die Mittel hat, das Kind (weiter) zur Schule zu schicken. In diesem Film bettelt das Kind regelrecht darum, in die Schule gehen zu dürfen. Aber seht selbst.

Mein Fazit
Ein Buch nicht nur über Krieg und Armut, sondern auch über eine echte Freundschaft mit der Weisheit behaftet, die alles vergibt und nichts vorwirft. Gehen heißt Leben und Leben heißt, das Beste aus seinem Schicksal zu machen. Bella ciao.

Meine Bewertung

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte, Spannung
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
1 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein

Elf von zwölf Punkten.

________________

Familie heißt, füreinander da sein.

Niemand hat die Freiheit, einfach stehen zu bleiben.
Gehen heißt Leben.
(Raffaella Romagnolo)

Gelesene Bücher 2020: 17
Gelesene Bücher 2019: 34
Gelesene Bücher 2018: 60
Gelesene Bücher 2017: 60
Gelesene Bücher 2016: 72
Gelesene Bücher 2015: 72
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86

Der Mensch ist mehr als nur die biologische Erbmasse.
Er ist, was er innerlich denkt und fühlt.
(M. P.)

Die Herkunft eines Menschen
Die Wurzeltheorie verdammt Menschen zu ewigen Ausländer*innen, nur, weil sie eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder einen anderen Namen tragen. Die meisten haben ihre Wurzeln dort geschlagen, wo sie geboren wurden und / oder dort, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht haben.

Es lebe die menschliche Vielfalt in Deutschland und überall.
(M. P.)

 

Sonntag, 28. April 2019

Lukas Hartmann / Der Sänger (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre  

Eine gelungene aber eine sehr traurige Biografie zu dem 38-jährigen jüdischen Tenorsänger Joseph Schmidt, der als deutscher Caruso gefeiert wird, hat uns der Autor Lukas Hartmann hinterlegt. Bis zum Schluss hat mich die Thematik gepackt. Sehr gut geschrieben. Diese Lektüre sollte den Buchpreis bekommen.

Es ist eine so ernste Thematik, die gegenwärtig in unsere politische Zeit passt, dass ich das Bedürfnis verspüre, meine Buchbesprechung ein wenig zu intensivieren. So viele wichtige Zitate möchte ich gerne hier reinstellen, damit ich sie immer wieder nachlesen kann, wenn mich das Thema immer wieder neu beschäftigen wird. Wer die Absicht hat, das Buch selbst zu lesen, sollte meine Buchbesprechung vorher lieber überspringen und sich auf die Buchvorstellung, siehe Link unten, beschränken.

Hier geht es zur Buchvorstellung; zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Die Hauptfigur dieser Geschichte ist Joseph Schmidt, der gerademal 1,54 Meter groß ist. Obwohl Schmidt nur auf dem Papier Jude ist, wird er 1942 trotzdem von den Nazis verfolgt. Einmal Jude immer Jude, das behaupten selbst die gläubigen Juden unter sich. Auch Künstler*innen sind vor den Nazis nicht geschützt.

Schmidt begibt sich auf die Flucht in die Schweiz. Er hatte sich schon in Frankreich in der Villa Phoebus für mehrere Wochen versteckt. Doch auch dort ist Schmidt nicht mehr sicher und flüchtet mit seiner Begleiterin Selma Wolkenheim in die Schweiz, da die Schweiz im Zweiten Weltkrieg politisch neutral war.

Schmidt war ein gefeierter Sänger, überall beliebt, auch bei Frauen, aber eine feste Bindung war er nicht in der Lage zu schließen, obwohl er mit einer Frau einen siebenjährigen Sohn besitzt und er selbst sich nur als den Erzeuger betrachtet aber nicht als Vater des Kindes. Sein Herz gehörte allein der Musik und er war nicht bereit, es mit jemand anderem zu teilen. Aber ob dies der alleinige Grund ist? Schmidt hatte einen autoritären Vater namens Wolf Schmidt, der streng seine religiösen Praktiken nachging, an die sich die Kinder anzupassen hatten. Wolf prügelte auch auf die Kinder ein, wenn sie seine Erwartungen nicht erfüllen konnten …
Die Wünsche dieses Manns, der wollte, dass Joseph fehlerlos den Talmud zitierte, konnte er nicht erfüllen. Nein, (den) Vater, der die ganze Familie in autoritärem Bann hielt, hatte (Joseph) nicht geliebt, sich vergeblich nach Zuwendung, nach Lob gesehnt. (2019, 36) 

Die Schweiz ist dicht, die Grenzen werden geschlossen, da sie mit der Masse an Flüchtlingen nicht fertig wird und so gerät dieses Land in eine schwere Prüfung der Mitmenschlichkeit.
Dabei bemühen wir uns intensiv, das Wohl der Einzelnen, zunächst der Einheimischen, der hier Aufgewachsenen, im Auge zu behalten, und ebenso das Gesamtwohl des Vaterlandes. Und dennoch dürfen wir gegenüber dem wachsenden Flüchtlingselend, das uns aus den Akten entgegenschreit, nicht unempfindlich werden. Je mehr bei uns (…) über die Greueltaten (sic) in Konzentrationslagern bekannt wird, zu desto harscheren Reaktionen führen unsere Rückweisungen in einem Teil der Bevölkerung, zu immer deutlicheren Protesten in der linken Presse und bei den jüdischen Organisationen, während die andere Seite unsere Entscheidungen, die an die Gesetze und an die Beschlüsse des Bundesrats gebunden sind, durchaus billigt. (…) Gegenwärtig halten sich mindestens neuntausend Flüchtlinge in der Schweiz auf, und eine Weiterreise des europäischen Kontinents   (…) ist angesichts der Kriegslage und der fortdauernden Dominanz, nicht mehr möglich. Sie werden bei uns bleiben und die Bundeskasse mit Millionenkosten belasten, so lange, bis der Krieg irgendwann zu Ende ist. (64)

Schmidt wurde mithilfe eines Schleppers über die Schweizer Grenzen geschleust und wurde in Girenbad in ein Internierungslager zugewiesen und begegnet hier jede Menge Schicksalsgenossen. Hier sind die Flüchtlinge einem repressiven Machtapparat ausgesetzt. Dadurch werden die Menschen hier wie Sträflinge behandelt. Liegen gab es hier im Lager nicht, die Flüchtlinge wurden auf Stroh gebettet. Zu essen gab es nur Brühe und altes Brot. Schmidt erkrankt an einer schweren Infektion im Rachen und im Kehlkopfbereich und wurde erst nach langem Hin- und Her ins Kantonsspital gefahren. Auch in dem Hospital wird er mit den billigsten Mitteln behandelt, obwohl seine Erkrankung mittlerweile auch auf sein Herz überschlägt. Schmidt wird von dem Chefarzt der Klinik schlecht behandelt, der ihm vorwirft, sich seine Beschwerden am Herzen einzubilden, auch, um nicht zurück ins Lager zu müssen. Er stellt dem Kranken viele kritische Fragen, nimmt seine Beschwerden nicht ernst ...
Schmidt schaute den Professor bestürzt an. >>Sie glauben mir nicht? Sie meinen, dass ich Schmerzen erfinde?<<
>> Simulanten gibt es viele. Aber ich sage nichts dergleichen. Es ist einfach meine Pflicht, solche unangenehmen Fragen zu stellen. Das sollten Sie, als vernünftiger Mann, bei der großen Zahl von Internierten in unserem Land, verstehen. Es gibt ja auch sehr viele Ihres Glaubens darunter, die in Anspruch nehmen, verfolgt zu werden, und annehmen, deshalb ein Recht auf Asyl zu haben. << (202)

Es waren viele herzensgute Schweizer zugange, aber viele waren, vor allem Autoritäten, sehr rassistisch eingestellt.
Dabei geht es uns abzuwägen zwischen den Erfordernissen des Landesschutzes und der Humanität; wir können und dürfen die schweizerische Bevölkerung (…) einer zunehmenden Überfremdung durch Heerscharen hauptsächlich jüdischer Flüchtlinge nur mit gebührender Vorsicht aussetzen. (64f)

In Anbetracht unserer eigenen politischen Lage, dass sich die europäischen Länder so schwertun, Flüchtlinge in ihr Land aufzunehmen, möchte ich zum Abschluss ein letztes Zitat einbringen.
Die Flüchtlinge tun uns die Ehre an, in unserem Land einen letzten Ort des Rechts und des Erbarmens zu sehen … Wir sehen an den Flüchtlingen, was uns bis jetzt wie durch ein Wunder erspart geblieben ist. (194)

Weitere Details sind dem Buch zu entnehmen.

Welche Szenen haben mir gar nicht gefallen?
Die Szene im Krankenhaus. Der Professor hat Schmidt nicht gut behandelt, und man hätte ihn bei anderen Umständen wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen können.
Die Szenen im Internierungslager fand ich grausam, dass ich mit dem Lesen für eine Weile aussetzen musste.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Dass es auch gute Menschen gab, die sich für Schmidt eingesetzt haben, vor allem die Wirtin eines Gasthauses.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Die Wirtin und das Pflegepersonal des Hospitals. Auch Selma Wolkenheim war mir sympathisch.

Welche Figur war mir antipathisch?
Professor Brunner, Chefarzt der Klinik.

Meine Identifikationsfigur
Keine.
 
Cover und Buchtitel
Joseph Schmidt sieht hier zu ausgelassen aus, zu freundlich, obwohl er Angst hatte, im Zug von der Gestapo aufgegriffen zu werden. Deshalb meine Frage; darf Traurigkeit auf einem Titelblatt nicht sein? Muss sie retuschiert werden?

Zum Schreibkonzept
In dem Buch gibt es mehrere Perspektiven, die sich über das Schicksal des Künstlers und über das Verhalten der Schweizer auslassen. Es gibt einen objektiven Erzähler, und im Wechsel wird die Perspektive verschiedener anderer Figuren in Kursivschrift dargestellt, die sich zum Sachverhalt beziehen, was ich spannend fand. Der Schreibstil ist flüssig und sehr gut verständlich. Auf den letzten Seiten gibt es einen Hinweis und eine Danksagung.

Meine Meinung
Vielerorts unter der Leserschaft liest man, dass der Sänger Joseph Schmidt kein Sympathieträger sei, da er Frauen benutzt und sein Kind im Stich gelassen hätte. Ich sehe es ein wenig anders, da viele Künstler*innen Probleme haben, sich eine beständige partnerschaftliche Beziehung aufzubauen. Andere dagegen, die in einer Beziehung lebten, ließen sich von ihr wieder lösen, weil sie darin ihren Lebenssinn nicht fanden. Man hat schon viel gelesen über Künstler*innen, die, weil sie mit dem Leben nicht klarkamen, sich das Leben genommen haben, andere waren dem Alkoholkonsum ausgesetzt, um ihre Probleme zu betäuben, etc. Viele Künstler*innen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind einem permanenten seelischen Druck ausgesetzt, da ihr Auftritt mehr als gut sein musste. Außerdem haben viele gar keine Zeit, sich dem viel zu trivialen Alltag hinzugeben. Viel zu hoch sind deren Lebensideale. Sogar viele Schriftsteller*innen haben es schwer und denke dabei auch an Hermann Hesse, der Probleme mit Frauen hatte und war dadurch mehrfach verheiratet und mehrfach geschieden …

Eine persönliche Erfahrung, die ich mit dem Künstler teilen kann
Meine Heimat ist die Musik. Hier spricht mir Joseph Schmidt aus der Seele. Auch für mich ist die Musik Heimat. Sowohl wenn ich selbst musiziere, als auch wenn ich Musik nur höre. Für mich ist die Musik so wichtig wie Lesen, so wichtig wie Essen und Trinken. Musik versetzt mich in andere Welten, in andere Spähren, die man kaum in Worten fassen kann. Außerdem löst Musik in mir Spannung auf. Wenn ich mit anderen Menschen verstimmt bin, dann befreit mich die Musik und so löse ich mich von dem inneren Konflikt, bin nicht mehr nachtragend und kann vergeben, wenn ich Unrecht erfahren habe, oder wenn ich Unrecht tue, vergebe ich mir selber ... Musik löst in mir ein Gefühl des Weltfriedens aus. Ich sehe mich mit allen Menschen der Welt verbunden und nicht nur mit Menschen meiner Heimatländer. Sie löst meine nationale, deutsche Identität auf, und weitet meine Identität, löst sämtliche Grenzen auf, sehe mich als einen Menschen dieser Erde, und begreife, dass wir alle in einem Boot sitzen. Ich bin dankbar, dass mir Joseph Schmidt zu diesem Bewusstsein verholfen hat, wo ich doch noch vor Tagen mit zwei Freundinnen über die nationale Identität mich ausgetauscht habe, und ich mich hinterher gefragt habe, ob ich mich von ihnen überhaupt verstanden gefühlt habe??? Mit dieser Einsicht fühle ich mich in der Identität eines Weltmenschen mehr als bereichert und verzichte gerne auf die nationale Identität, die, wie wir auch hier gesehen haben, ausgrenzend sein kann. 

Mein Fazit
Insgesamt eine sehr nachdenklich stimmende, eine sehr differenzierte und authentisch geschriebene Biografie, deren Thematik, wie ich oben schon geschrieben habe, politisch in unsere Zeit passt. Auch hier hört man in der Bevölkerung immer wieder, dass Deutschland zu viele Flüchtlinge aufnehmen würde. Viele darunter wählen dadurch sogar die AfD. Mir stellt sich die Frage, ob der Mensch nicht fähig ist, aus der Geschichte zu lernen? Ich finde keine Antwort darauf ... Ich selbst kannte Joseph Schmidt nicht, auch nicht seine Arie Ein Lied geht um die Welt. Hier ein Filmausschnitt auf YouTube zu Joseph Schmidts Leben und zu seinem Lied. Er hat tatsächlich die Stimme eines Enrico Caruso.

Das Lied kann man in diesem Video hier besser verstehen. Ich kenne es doch. Wie schön. Es ist wirklich wunderschön. 

Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftlich gut recherchiert
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover und Titel stimmen mit dem Inhalt überein
Zwölf von zwölf Punkten.

Weitere Information zu dem Buch

Hier geht es zur Leserunde auf Whatchareadin. Ich werde mich morgen Abend bestmöglich daran beteiligen. Mir fehlt es an Zeit, neben dem zu lesenden Buch, und neben meiner eigenen Rezension auch noch die vielen Posts in der Leserunde zu lesen, noch dazu eigene Texte verfassen. Ich habe häufig die Ruhe dafür nicht, werde mich deshalb in der zweiten Jahreshälfte stark zurücknehmen. Habe meine eigenen Leseprojekte jetzt auch noch stark vernachlässigt. Irgendwie die goldene Mitte finden, das müsste ich besser hinbekommen.

Hier geht es zur Rezension von Anne Strandborg.

Vielen herzlichen Dank an den Diogenes Verlag für das Bereitstellen des Leseexemplars. 

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Meine Heimat ist die Musik
(Joseph Schmidt)

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Freitag, 15. März 2019

Nicoletta Giampietro / Niemand weiß, dass du hier bist (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre   

Mir hat das Buch, ein historischer Roman über den italienischen Faschismus, sehr gut gefallen. Manches hat sich bestätigt, was ich in der wissenschaftlichen Abhandlung gelesen hatte, dass viele Italiener die Juden nicht an Mussolini ausgeliefert hatten, und Hitler auf Mussolini Druck gemacht hat. Dadurch hatte diese Freundschaft der beiden Diktatoren einen starken Knick bekommen. Leider wurde dies  bei Giampietro nur peripher, am Ende dieses Buches, erwähnt. Allerdings hat sie sich über die Freundschaft zwischen diesen beiden Dikatatoren gar nicht ausgelassen. Ich sehe aber ein, dass diese Thematik belletristisch schwierig umzusetzen ist.  

Ich konnte das wissenschaftliche Buch, von dem ich in der Buchvorstellung schon gesprochen habe, in meinem Regal wiederfinden, das von dem Engländer Jonathan Steinberg, Deutsche, Italiener und Juden, geschrieben wurde.

Der Untertitel lautet: Der italienische Widerstand gegen den Holocaust, siehe Cover oben.

Ich hatte es 1999 gelesen und 2010 ein weiteres Mal. Erschienen wurde das Buch 1992 und 1993 im Steidl-Verlag.

Interessant war beim Steinberg zu lesen, wie die Italiener die Endlösung verhindern konnten. Leider ging die Autorin auch darauf nicht richtig ein. Bei ihr liest sich es so, als haben die Amerikaner Mussolini zum Sturtz gebracht. Soweit ich mich erinnern kann, war Mussolinis Sturtz den Partisanen geschuldet ... 
Aber Giampietro ist es total gutgelungen, sich in alle Figuren, ganz gleich auf welcher Seite sie stehen, hineinzuversetzen. Nur Gut und nur Böse gibt es hier nicht, es gibt so viel Fecette dazwischen.
Hier geht es zum Klappentext, zum Autorenporträt, zu meinen ersten Leseeindrücken und zu den Buchdaten.

Die Handlung
Zu Beginn der Handlung bekommt man es mit einer italienischen Familie namens Guerrini zu tun, die in Mittelitalien, in Siena, lebt. Sie ist seit dem Mittelalter adlig. Aber reich ist sie deshalb nicht, da ein Großonkel das Vermögen durch schlechte Geschäfte verspielt haben soll ...

Die Hauptfigur ist hier der zwölfjährige Lorenzo, der eigentlich in Tripolis, in der Hauptstadt von Libyen, aufgewachsen ist. Sein Vater ist Offizier, war in Neapel mit seiner Familie ansässig, und wurde vor mehreren Jahren in dieses arabische Land versetzt, Frau und Kind folgten nach. Libyen wird im Zweiten Weltkrieg von den Italienern besetzt und kolonialisiert. Nicht nur in Europa, sondern auch hier befindet sich ein Krisenherd … Um Lorenzo zu schützen, schicken ihn die Eltern 1942 zu seinem Großvater väterlicherseits nach Siena, bis der Krieg vorüber ist. Aber auch in Italien tobt der Krieg, außerdem werden die Juden von den italienischen Faschisten und den deutschen Nazis verfolgt … Lorenzo vermisst seinen arabischen Freund und ganz besonders seine Eltern, und gerät in eine schwere Krise, da er über einen längeren Zeitraum keine Notiz von ihnen erhält. In dem Haus seines Großvaters lebt eine Haushälterin, seine Tante Chiara, und sein Großvater.

Die Haushälterin, Cesarina, eine einfache aber eine herzensgute Persönlichkeit, ist sehr religiös und bettet in ihren Gebeten immerzu Mussolini mit ein, da er für eine kurze Zeit die Wirtschaft in italien anzukurbeln in der Lage war. Sie und viele andere Italiener sind dadurch treue Anhänger Mussolinis geworden. Auch Lorenzo scheint den Vater der Nation zu lieben, während er eines Tages merkt, dass seine Tante Heimlichkeiten mit seinem Großvater austauscht, und spürt, dass hintenrum etwas gegen Mussolini im Gange ist ...

Chiara ist Grundschulpädagogin, ihr Vater war ein Großoffizier …

Lorenzo lernt den gleichaltrigen Franco Taccini kennen, der Sohn einer Krämerin. Obwohl Franco vom Charakter her ganz anders gestrickt ist als Lorenzo, entsteht zwischen ihnen trotzdem eine außergewöhnliche Freundschaft. Auch wenn diese Freundschaft der beiden häufig zur schweren Prüfung wird. Was beide aber verbindet, ist, dass auch sie wie die Erwachsenen von Mussolini schwärmen, heroisieren den Krieg und können es kaum abwarten, älter zu werden, um endlich als richtige Soldaten einberufen zu werden, um für das Vaterland zu kämpfen. Politische, nationalsozialistische, ideologische Ideen werden ihnen in der faschistischen Jugendpartei namens Balilla eingeflößt. Auch in der Schule werden sie indoktriniert, von Lehrern, die politisch fundamentalistisch eingestellt sind. Sie erklären den Kindern die mythologische bzw. die symbolische Bedeutung des Faschismus:
Das Wort Faschismus kommt von >fascio<. Deshalb ist das Symbol des Faschismus ein Bündel von dünnen, eng zusammengeschnürten Stangen. Diese Stangen stellen die einzelnen Italiener dar. Ich habe genau dreiunddreißig Stöckchen verbunden, eines für jeden für euch. Gemeinsam, vom Duce und vom faschistischen Glauben vereinigt, sind die Italiener unbesiegbar. (2019, 63f)

In der Rassenlehre lernen sie:
Wir wollen nun unser Wissen über den Begriff >>Rasse<< auffrischen. Wir Italiener gehören dem mediterranen Typ der arischen, also der Herrenrasse an. Geformt und modelliert von den Römern, ist sie die glorreichste von allen und hat die größten Entdecker und Eroberer der Geschichte hervorgebracht (...). Die Reinheit unserer Rasse muss geschützt werden. Die Trennung der Rassen ist ein wichtiger Kampf um Kultur und Zivilisation. Gehören Juden der italienischen Rasse an? (83)

Unisono antworten die Kinder alle mit >Nein<.

Zudem lernen die Kinder in der Schule, dass die Juden potenzielle Verräter seien. Außerdem stellen die Schulbücher sie hier als besonders exotisch dar ...

In der Grundschule wird ein jüdisches Kind aus der Klasse verwiesen. Lorenzos Tante setzt sich für die Schülerin ein, und so wird auch sie von der Schule suspendiert. Lorenzo ist ganz entsetzt über das Verhalten seiner Tante und schämt sich vor seinen Mitschülern ...

Die Tante nimmt den Jungen von der Schule und unterrichtet ihn zu Hause selbst. Lorenzo gerät in eine Krise, hegt Groll gegen sie, da auch er sie als Landesverräterin bezichtigt …

Chiara lernt den Arzt Matteo kennen, der in der Klinik arbeitet. Ein polnischer Jude, der vor der Judenverfolgung aus seiner Heimat nach Italien geflüchtet ist. Erst später stellt sich auch für Chiara heraus, dass Matteo in Italien mit einer falschen Identität untergetaucht ist. Später ist Matteo gezwungen, sich unter die Partisanen zu mischen, als er auch in Italien nicht mehr sicher ist.

Chiara unterrichtet im Untergrund jüdische Kinder, und arbeitet im Krankenhaus, als sie die Stelle in der Schule verliert. Zu viele Kriegsinvaliden, jede helfende Hand wird gebraucht, sodass sie sich auch hier nützlich machen möchte ...

Lorenzo lernt später einen weiteren Jungen kennen, Daniele Neri, auch 12 Jahre alt, freundet sich mit ihm an. Als er durch besondere Umstände erfährt, dass Daniele Jude ist, gerät sein Weltbild ins Wanken und fängt an, seine Schulbücher und sämtliche rassische Ideologien kritisch zu hinterfragen. Lorenzo gerät dadurch in eine weitere schwere Lebenskrise … Seine Freundschaft zwischen seinem patriotischen Freund Franco und dem jüdischen Freund Daniele wird erneut auf die harte Probe gestellt, indem Lorenzo einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt wird ...

Mehr möchte ich nicht verraten.

Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Ich fand es ganz schrecklich, wie dieses Kind, Lorenzo, sich für das Land und für seine Mitmenschen eingesetzt hat, die ich für einen so jungen Menschen grausam fand. Er hätte gut daran zerbrechen können. Schwere Schuldgefühle omnipotentischer Art nagten an seiner Kinderseele. Daran kann man sehr gut sehen, wie die Indoktrination die Kinder erfolgreich manipuliert hat.

Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Die Freundschaft zwischen den Kindern fand ich schön, wobei diese zwischen Lorenzo und Daniele eine sehr schwere Herausforderung war. Ich fand es schön, dass Chiara, die einst auch Anhängerin des Faschismus war, sich später einer Widerstandsbewegung angeschlossen hat.

Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Mir war Matteo sehr sympathisch, seine sensible Art mit Menschen umzugehen, hat mich tief berührt.

Welche Figur war mir antipathisch?
Die faschistischen Lehrer und die Gruppenführer.

Meine Identifikationsfigur
Keine

Cover und Buchtitel
Mir hat das Cover sehr gut gefallen. Gestört hat mich nur, dass Lorenzo blondhaarig und Brillenträger ist, was aus dem Cover nicht hervorgeht. Deutsche Verlage erlauben den Südländern keine hellen Haare und keine helle Haut, das weiß ich mittlerweile. Aber auch keine Brille?
Der Titel, Niemand weiß, dass du hier bist, lässt ahnen, was darunter zu verstehen ist, bevor man mit dem Lesen begonnen hat, ich mich aber dazu trotzdem bedeckt halten möchte. 

Zum Schreibkonzept
Das Buch ist in drei Teilen gegliedert und beinhaltet fortlaufend insgesamt 34 Kapitel, die zum Ende hin immer kürzer werden. Der Schreibstil ist recht einfach. Man kann diesen historischen Roman gut auch Jugendlichen zum Lesen geben.

Meine Meinung
Ich habe durch das Buch viel Neues gelernt. Vor allem über den Begriff Faschismus hatte ich mir zuvor keine wirklichen Gedanken gemacht. Aufgrund der negativen Konnotation habe ich ihn inhaltlich immer mit den Ideologien des Nationalsozialismus á la Italien in Verbindung gebracht. Eigetlich ist der Begriff harmlos, wenn man die nähere Bedeutung betrachtet. Ich hätte nie irgendwelche Zweige oder Stöcke damit assoziiert.  

Wie ich an einzelnen Textstellen oben gezeigt habe, hat nicht nur Hitler, sondern auch Mussolini sein Volk als eine Herrenklasse deklariert. Die Italiener seien die Arier des mediterranen Typs.
Aber ich habe mich auch gefragt, wie der DUDEN den Arier definiert?
[*](Völkerkunde, Sprachwissenschaft) Angehöriger eines der frühgeschichtlichen Völker mit indogermanischer Sprache in Indien und Iran. [*](nationalsozialistisch) (in der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus) Angehöriger einer (besonders in Gegensatz zu den Juden definierten) angeblich geistig, politisch und kulturell überlegenen nordischen (2) Menschengruppe.

Man könnte den Faden noch weiterspinnen. Denn wer sind die Indogermanen? Ich habe folgendes im Netz gefunden:
"Seit aber der deutsche Sprachwissenschaftler Franz Bopp (*1791/°1867), etwa um 1820 herum, nachweisen konnte, dass fast alle heute gesprochenen Sprachen Europas (mit Ausnahme des Finnischen, Baskischen, Ungarischen und Estnischen) untereinander verwandt sind und sogar eine gemeinsame Wurzel mit dem Indischen und Persischen aufweisen, wird bis heute nach einem Volk „gefahndet“, das irgendwann einmal eine gemeinsame Sprache gesprochen haben muss.
Vermutungen 
Aber, unabhängig davon, dass bisher keinerlei eindeutige archäologischen Funde jedweder Art gemacht werden konnten, die auf eine mögliche Zivilisation mit einhergehender kultureller Eigenart schließen lassen, wird inzwischen – trotz nur vager Indizien – von der Wissenschaft mit einiger Sicherheit angenommen, dass dieses „geheimnisvolle“ Volk, wenn es es denn tatsächlich gegeben haben sollte, seinen Ursprung sowohl in mittel- und westeuropäischen Gegenden oder auch – nach anderer Auffassung – in den Steppen Osteuropas um 3500 v. Chr. gehabt, und sich sukzessive in alle Richtungen ausgebreitet haben muss."
Entnommen aus folgender Quelle, klick hier. Der restliche Artikel ist lesenswert. 

Mein Fazit
Auch wenn mich jetzt nicht alle Szenen überzeugen konnten, wirkt das ganze Buch authentisch. Es hat mich gepackt, und bis zum Schluss konnte mich die Autorin fesseln. 

Ein Appell, politisch wachsam zu bleiben, und aus der Geschichte lernen.


Meine Bewertung
2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck (Anspruchsvoll, keine saloppe Schreibweise)
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Literaturwissenschaftliches, gut recherchiertes Buch
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus
2 Punkte: Cover, Titel und Klappentext stimmen mit dem Inhalt überein
12 von 12 Punkten

Weitere Information zu dem Buch
Ein herzliches Dankeschön an den Piper-Verlag für das Leseexemplar. Ein großes Dankeschön an die Moderatoren vom Bücherforum Whatchareadin für deren Einsatz.

Hier geht es zu zur Leserunde von Whatchareadin.

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Wer einen Menschen rettet,
rettet die ganze Welt.
(N. Gianpietro)

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