Mittwoch, 26. August 2015

Anne C. Voorhoeve / Einundzwanzigster Juli (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch ist sehr gut geschrieben. Im Anhang ist zu entnehmen, dass die Autorin, Jahrgang 1963, mit dem Nationalsozialismus persönlich nichts zu tun hat. Sie hat sich als Historikerin dieser Thematik genähert. Es gibt noch andere Jugendbücher von ihr, die dieses Thema behandeln.
Der Name Graf Stauffenberg und das Datum des 20. Juli 1944 haben in der deutschen Geschichte inzwischen ihren festen Platz. Der >>Epilog<< ist weniger bekannt. Die Rache des Regimes nicht nur an Hunderten beteiligten Mitwissern, sondern auch an deren Angehörigen. Die Sippenhaft betraf das zehn Tage alte Baby, das der Familie Hansen entrissen wurde, ebenso wie das 84-jährige Familienoberhaupt der Stauffenbergs. Für zahlreiche Familien des Widerstandes bedeutete der missglückte Anschlag auf den >>Führer<< eine lange Odyssee durch Gefängnis und Konzentrationslager. 
Die Autorin hat m. E. recht gut recherchiert. Das Buch ist sehr authentisch und empathisch geschrieben. Ein historischer Roman, in dem lediglich die Namen und die Orte der Figuren fiktiv gewählt sind, diese aber angelehnt an den Namen der Familienmitglieder Stauffenbergs und deren Herkunft sind.
(Es wird z. B.) auf Wunsch der Beteiligten (…) der Name Stauffenberg nicht genannt, um das fiktive Element deutlich zu machen, das jeder Dramatisierung anhaftet, selbst wenn sich diese entlang tatsächlicher Ereignisse bewegt und die handelnden Personen möglichst authentisch zu schildern versucht. Heute berichtet Otto-Philipp Graf Stauffenberg, der damals 17-jährige Neffe des Attentäters, als Zeitzeuge in Schulen und Bildungsstädten vom >>20. Juli und seinen Folgen<< und sein Vortrag über das Persönliche war es, der den Anstoß zu diesem Roman gab. 
Hitler durfte nicht sterben, zumindest nicht vor seiner Zeit. Es waren mehrere Attentate geplant, die allesamt gescheitert sind.

Diese Menschen, die mehr oder weniger an dem Attentat beteiligt waren, und sie an einer Hinrichtung knapp vorbeigekommen sind, wurden noch etliche Jahre nach Kriegsende von vielen Deutschen diskriminiert. Sie galten alle als Vaterlandsverräter. Das zeigt, wie wenig diese Menschen aus dieser grauenhaften Politik gelernt haben.
Ein Aufstand des Gewissens, dessen Würdigung etliche Jahre auf sich warten ließ: Noch Jahrzehnte nach Kriegsende galten Attentäter des 20. Juli vielen Deutschen als Verräter, während ihr Mut und ihre Opferbereitschaft heutzutage selbstverständlich als Beweis dafür herangezogen werden, dass es damals auch >>gute Deutsche<< gegeben habe.
Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs kamen mehr Menschen ums Leben als an allen vorausgegangen Kriegsjahren zusammen. Ein geglückter Anschlag auf Hitler wäre also keinesfalls zu spät gekommen. 
Die ersten Anschläge auf Hitler waren schon in der Zeit von 1933-1938 geplant, und sie alle gescheitert sind.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Am 20. Juli 1944 ändert sich Philippas Leben schlagartig. Ihr Onkel ist einer der Hitler-Attentäter und Philippa wird mit ihrer Familie in Sippenhaft genommen. Himmler will sie ausrotten "bis zum letzten Glied". 21. Juli 1944. Nichts ist mehr, wie es war. Auf Schloss Lautlitz in Württemberg hört Fritzi, dass auf den "geliebten Führer" ein Attentat verübt wurde. Die 14-Jährige ist fassungslos, als sie erfährt, dass ihre Familie an der Verschwörung beteiligt war. Hitlers Staatspolizei schlägt sofort zurück, will sie "ausrotten bis ins letzte Glied". Alle vom Kleinkind bis zur Großmutter werden in Sippenhaft genommen. Doch trotz Angst, Ungewissheit und Todesgefahr beginnt Fritzi zu erkennen, worauf die Verschwörer gehofft hatten: Es gibt ein Danach.
Einige Familienmitglieder, die in Sippenhaft genommen wurden, hatten wirklich Glück, dass der Krieg auf dem Weg zum Tod durch den Einmarsch der Alliierten rechtzeitig beendet wurde, noch bevor die Familie vollständig >>ausgerottet<< werden konnte. Man kann von Glück sagen, dass sich die Gestapo hierin recht viel Zeit mit dem Morden gelassen hat, auch wenn dies nicht für alle gilt. Einige wurden gleich nach dem Attentat hingerichtet, wie z. B. Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg.

Die junge Fritzi, die Icherzählerin dieser Geschichte, mit richtigem Namen Philippa, ist die Einzige aus der Familie, die den Führer anhimmelt. Zu sehr wurden ihr in der Hitlerjugend diese schwarzen Ideologien aufoktroyiert. Sie kann nicht verstehen, dass ihre Familie Partei für die Juden ergreift.

Im Krieg ist ihr Bruder Fabian gefallen, ohne dass Fritzi realisiert, wie der Tod vonstattenging. Ihre Mutter verhält sich recht kühl der Tochter gegenüber, aus Angst, dass auch Fritzi den Krieg nicht überleben wird. Der Vater ist Offizier der Wehrmacht, der lange von Fritzi und der Mutter vermisst wird.
Mich wollte meine Mutter aus Furcht vor Angriffen oder plötzlich einstürzenden Ruinen am Wegesrand nicht Einkaufen schicken (….)
Fritzi lebte für zwei Jahre in Oschgau, Ostpreußen, und als sie sich wieder bei der Mutter in Berlin befindet, hegt die Mutter weitere Pläne, Fritzi zu ihrem eigenen Schutz wieder wegzugeben:
Mutter ist aufgewühlt. Längst hätte sie mich für Lebensmittel- und Kleidermarken anmelden sollen, aber sie schiebt es vor sich her aus Sorge, die Hitlerjugend stünde sofort vor der Tür und nähme mich zu irgendwelchen gefährlichen Diensten mit. Nach Lautlitz soll ich! Der einzige Grund, weshalb ich noch hier bin, ist ihre noch größere Angst, dass der Zug, mit dem sie mich zu den Verwandten schicken will, unterwegs von Tieffliegern beschossen wird. 
Als sie mit anderen Angehörigen an den politischen Diskussionen teilnimmt, begreift Fritzi nicht, weshalb ihre Familie Partei für die Juden und Partei gegen Hitler ergreift. Sie ahnt nicht mal, dass sie etwas mit dem Attentat zu tun haben könnten.
Was Hitler aus uns gemacht hat, ist eine Schande. Feiglinge, Duckmäuser, Denunzianten. Davon erholen wir uns nicht! Fronarbeit für die Russen werden wir leisten, nur weil niemand aus diesem ganzen goldbehängten Haufen den Mut gefunden hat, einem kleinen Mann eine Kugel in den Kopf zu schießen. (…) 
Fritzis Reaktion: 
Aufgesprungen, um genau zu sein. Aufgesprungen, um zu rufen: Seid still! Lasst den Führer in Ruhe! Wisst ihr denn nicht, dass er Tag und Nacht an nichts anderes denkt, für nichts anderes lebt als das Wohl unseres Volkes? 
Sie sprechen von Lexie, Lexie ist Fritzis Tante, die als Halbjüdin gilt, weil sie mit einem Juden verheiratet ist, und die mit Fritzi von der Mutter erst kürzlich bekannt gemacht wurde. Fritzi wirft der Mutter vor, sie hätte sie informieren sollen, dass Lexie Halbjüdin sei. Nun folgt dazu ein schönes Zitat, das ich unbedingt festhalten möchte:
>>Was spielt das für eine Rolle?<< zürnt Mutter. >>Diesen Quatsch will ich von dir nicht hören, Philippa. Es sei denn, du kannst mir beantworten, welche Hälfte die jüdische ist. Vorne oder hinten? Links oder rechts? Mit oder ohne Haare? 
Nur nebenbei gesagt: Endlich finde ich einen Menschen, der genauso denkt wie ich. Halber Deutscher? Halber Italiener? Halber … ? Was für ein Blödsinn. ;). Wir sind doch Menschen und keine Torten.


Mein Fazit zu dem Buch?

Das Fazit habe ich diesmal gleich an den Anfang gehängt.Vielleicht ein paar letzte Worte noch: Das Buch ist eigentlich als Jugendbuch deklariert, auch wenn es nicht explizit aus dem Klappentext hervorgeht. Erst nach einer Internetrecherche, fündig geworden bei www.perlentaucher.de, konnte dies entnommen werden, wobei der Ravensburger Buchverlag generell ein Jugendbuchverlag ist.Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn man in einem Satz darauf hinweisen würde. So viele Bücher von Ravensburg besitze ich nun auch wieder nicht. Mehr als zwei sind's sicher nicht.

Ein Autorenporträt hat sich der Verlag auch gespart, dabei finde ich es sehr wichtig, ein wenig etwas über die AutorInnen zu erfahren.

Ich kann dieses Buch jedem jungen Menschen ab 16 Jahren empfehlen. Es gibt leider immer noch sehr viele Erwachsene, die keine Ahnung von Politik und geschweige denn von der Geschichte haben. Ich meine damit nicht die jungen Erwachsenen, sondern die älteren. Habe kürzlich von jemandem gehört, dass Österreich den Zweiten Weltkrieg entfacht haben soll, lol :-).

Die Autorin erhält von mir zehn von zehn Punkten.
_____
Man kann seine Schuld nicht mildern, wenn man sie eingesteht, 
sondern nur, wenn man anfängt, sich zu bessern.
(Ann Kirchner)

Gelesene Bücher 2015: 45
Gelesene Bücher 2014: 88
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Gelesene Bücher 2012: 94
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Sonntag, 23. August 2015

Anne C. Voorhoeve / Einundzwanzigster Juli


Klappentext
Am 20. Juli 1944 ändert sich Philippas Leben schlagartig. Ihr Onkel ist einer der Hitler-Attentäter und Philippa wird mit ihrer Familie in Sippenhaft genommen. Himmler will sie ausrotten "bis zum letzten Glied".
21. Juli 1944. Nichts ist mehr wie es war. Auf Schloss Lautlitz in Württemberg hört Fritzi, dass auf den "geliebten Führer" ein Attentat verübt wurde. Die 14-Jährige ist fassungslos, als sie erfährt, dass ihre Familie an der Verschwörung beteiligt war. Hitlers Staatspolizei schlägt sofort zurück, will sie "ausrotten bis ins letzte Glied". Alle vom Kleinkind bis zur Großmutter werden in Sippenhaft genommen. Doch trotz Angst, Ungewissheit und Todesgefahr beginnt Fritzi zu erkennen, worauf die Verschwörer gehofft hatten: Es gibt ein Danach.

Autorenporträt
Anne Charlotte Voorhoeve, geboren 1963, studierte Politologie, Amerikanistik und Alte Geschichte in Deutschland und den USA. Sie arbeitete als Redakteurin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Seit Juli 2000 ist sie freiberuflich tätig.
(www.perlentaucher.de)
Ich hätte zu gerne gewusst, welcher Jahrgang die Autorin ist. Leider gibt der Ravensburger Verlag kein Autorenporträt mit an, was ich sehr schade finde. Gehört doch ihrgendwie dazu, damit man ein wenig die Vorstellung bekommt, wie nah sie ihrem Stoff, den sie hier behandelt, in Wirklichkeit war.

An dem Buch lese ich schon seit ein paar Tagen und es gefällt mir recht gut. Sehr authentich geschrieben und habe bei www.perlentaucher.de folgende Rezi gefunden:
Anne C. Voorhoeve bettet in ihrem Jugendbuch die Geschichte der Verschwörer des 20. Juli, ihres Attentats und vor allem der Folgen für ihre Familien in einen fiktiven Kontext. Sie erfindet dafür zwei Figuren, vor allem die vierzehnjährige Stauffenberg-Verwandte Fritzi und ihre Mutter. Fritzi ist zunächst völlig von der Nazi-Ideologie überzeugt und bangt am Tag des Anschlags noch mit dem Führer. Erst nach und nach, als die Verwandten verhaftet werden, beginnt sie ihre Einstellung zu ändern. Die Rezensentin Maria Frise äußert sich verhalten freundlich über das Buch. Gelegentlich ist es, findet sie, schon etwas "überfrachtet", alles in allem sei es jedoch gut geeignet für eine erste Annäherung an die Geschichte des 20. Juli.

Aus der Süddeutschen Zeitung:
Der Tag nach dem 20. JuliAnne C. Voorhoeves Heldin wird in das Schicksal der Familie Stauffenberg verwickeltWie stellt sich die Nazizeit aus der Sicht einer Jugendlichen dar, die im Geist des Nationalsozialismus erzogen wurde? Das schildert die renommierte Jugendbuchautorin Anne Voorhoeve in ihrem Buch über den 20. Juli. Die Ereignisse jenes Tages und der folgenden Monate, in denen die Familien der Attentäter unter teils schrecklichen Bedingungen eingesperrt waren, werden von Philippa erzählt, der Tochter einer Kusine von Claus Graf Stauffenberg, der im Buch Georg heißt.Die Geschichte ist ganz eng an das Schicksal der Familie Stauffenberg angelehnt: Die Attentäter und ihre nächsten Angehörigen kommen fast alle vor. Ihre Namen hat die Autorin auf Bitten der Familie indes verändert. Für den Roman war diese Rücksichtnahme ein Segen: So kann man das Buch lesen, ohne der Irritation ausgesetzt zu sein, die sich aus dem Zweifel ergäbe, ob man es mit einem Geschichtsbuch oder einem Roman zu tun hat. Davon abgesehen, ist es nicht so sehr die romaneske Verarbeitung des Attentats und seiner Folgen, die Anne Voorhoeves Buch zu etwas Besonderem macht. Es ist zwar das erste Jugendbuch, das vom 20. Juli handelt, doch wäre das allein noch kein Grund, es zu empfehlen. Nein, dies Buch zeichnet sich vor allem durch all das aus, was die Autorin zur Wirklichkeit hinzu erfunden hat.

Freitag, 21. August 2015

Uwe A. Oster / Sein Leben war das traurigste der Welt (1)

Friedrich der II und der Kampf mit seinem Vater

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich nun durch. Es war recht interessant. Die Konflikte zwischen dem Sohn und dem Vater sind allseits bekannt. Schwierig, dass sich ein Kind nach seinen mitgebrachten Anlagen entfalten kann, wenn Eltern da nicht mitziehen, weil sie andere Pläne mit diesem Kind haben. Sie sprechen von Liebe, doch nur, wenn das Kind so wird, wie die Eltern es haben wollen. Das hat meiner Meinung nach nicht wirklich etwas mit Liebe zu tun.

Solche Störungen findet man nicht nur in höheren Gefilden einer Gesellschaft, sondern in jeder Schicht können sie auftreten.

Hier geht es um eine Königsfamilie, um die konflikthafte, seelische Entwicklung der Kinder des Staatsoberhaupts.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
 Zum 300. Geburtstag des großen Preußenkönigs.» Sein Leben war das traurigste der Welt«, schrieb Wilhelmine von Bayreuth über die Jugend ihres Bruders Friedrich II. (1712 – 1786). Tatsächlich erlebte der junge Friedrich eine harte Kindheit, die geprägt war von der Auseinandersetzung mit seinem Vater Friedrich Wilhelm I. Der Stoff des Dramas ist bekannt: hier der polternde, jähzornige »Soldatenkönig«, dort der zartbesaitete Kronprinz. Und jeder kennt die schreckliche Szene, in der der Vater befiehlt, dass der Sohn der Hinrichtung seines Freundes Katte zusehen muss. Doch war Friedrich Wilhelm I. felsenfest davon überzeugt, das Beste für seinen Sohn und den preußischen Staat zu tun.  Waren die Rollen also tatsächlich so klar verteilt: der Vater der unbarmherzige Richter, der Sohn das unschuldige Opfer?
König Friedrich Wilhelm der I. hatte genaue Vorstellungen davon, wie sich die Kinder zu entwickeln haben. Sein ältester Sohn und seine älteste Tochter wurden regelrecht körperlich gezüchtigt, wenn sie sich nicht nach dem väterlichen Erziehungskonzept verhielten.

Friedrich war ein ganz sensibles Kind. Damit hatte der cholerische Vater Probleme, denn sein Sohn sollte später sein Erbe antreten, Monarch werden, und dazu müsse er einen richtigen, gestandenen Mann abgeben. Hart, mutig, durchgreifend, angstlos, kämpferisch …

Friedrich war alles andere als das. Seine ganze Leidenschaft galt der Literatur, der Musik, der Kunst, kurz gesagt für alles Schöngeistige. Heimlich lernte Friedrich auf der Flöte musizieren.
Zwar wolle Friedrich sich gern mit Menschen unterhalten, >>die etwas wissen und gelernt<< hätten, doch dürfe er keinen anderen Umgang haben als Soldaten. Und auch Friedrichs Schwester Wilhelmine stellte fest: >>nicht die geringste Erholung war ihm vergönnt; die Musik, die Lektüre, die schönen Künste und Wissenschaften waren ebenso viele Verbrechen, welche ihm untersagt waren. Niemand wagte es, mit ihm zu reden; (…) <<.
Diese feingeistigen Aktivitäten wurden ihm alle untersagt. Sie wurden wie schwere Verbrechen geahndet. Selbst die lateinische Sprache wurde ihm verboten zu lernen. Junior Friedrich nahm trotzdem heimlich Lateinstunden, und als der Vater dahinter kam, verprügelte er nicht nur den Sohn, sondern den Lehrer gleich mit.
Viel lieber, als auf die Jagd zu gehen, las Friedrich oder trieb es gleich ganz auf die Spitze: Er setzte sich bei der Jagd einfach hin, ließ >>Hasen wie   Hirsche entwischen<< - und las derweil in einem Buch. Seinem Vorleser (…) erzählte er später, dass es Wilhelmine gewesen sei, die in ihm die Leidenschaft für die Literatur geweckt habe: >>als Knabe wollte ich nichts tun und war immer auf den Beinen. Da sagte meine Schwester … zu mir: > schämst du dich nicht, deine Talente so zu vernachlässigen?< Ich warf mich auf die Lektüre und las Romane. Ich hatte den Peter von der Provence erhascht; man verbot mir, ihn zu lesen. Da versteckte ich ihn, und wenn mein Hofmeister, (…) und mein Kammerdiener schliefen, huschte ich in das Nebenzimmer, wo eine Lampe auf dem Kamin stand; dort kauerte ich mich nieder und las.<< 
Trotz der körperlichen Züchtigungen konnte Friedrich von seinen geistigen Neigungen nicht lassen. Natürlich war er deprimiert über seine Kindheit, sponn jeden Plan aus, sich weiter hinter dem Rücken des Vaters zu bilden. Der Junior, der eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten sollte, war hungrig nach Bildung:
Friedrich aber begnügte sich nicht mit der vom Vater für notwendig erachteten Grundausbildung, sondern verschrieb sich immer leidenschaftlicher der Musik und den schönen Künsten, während er all jene Dinge, die seinem Vater wichtig waren, mehr und mehr ablehnte. >>In versteckten Gewölben<< veranstaltete der Kronprinz-mit Wissen der Mutter – Konzerte oder bat seine >>musikalischen Freunde in den Wald, wenn der König jagte … während sein  Vater Schweine hetzte, wurden die Flöten und Geigen aus den Jagdtaschen gezogen und im dicken Waldesdunkel wurde konzertiert.<<
Diese Haltung war schon sehr mutig, trotz der vielen Verbote.      
Nur im Geheimen und unter Zittern könne er sich seinen Freuden widmen, klagte der Kronprinz. Der König höhnte seinerseits: >>Fritz ist ein Querpfeifer und Poet. Er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben.<< Dabei war es ausgerechnet ein Soldat, der die Liebe des Kronprinzen zur Flöte entfacht hatte: Christoph Friedrich  von Rentzell . Der König hatte den jungen Mann selbst zum Waffenmeister der Kadettenkompanie des Kronprinzen ernannt.
Tja, auch unter den Soldaten findet man geistige Genies. Wer hätte das gedacht, lol.

Als der Vater merkte, dass seine Erziehungsmethoden kaum Wirkung auf Friedrich erzielten, wurde er ihm gegenüber immer grausamer, indem er rohe Gewalt anwandte. Er nahm z.B. den Sohn an den Haaren und zog ihn durch das ganze Zimmer. Auch Schwester Wilhelmine, die Friedrich abgöttisch liebte, wurde gezüchtigt. Sie hatte längere Haare ... Doch das an den Haaren ziehen war noch recht harmlos verglichen mit den anderen Gewalttaten  ...

Der Vater machte sich immer mehr Sorgen, dass Friedrich sich nicht zum Monarchen eignen würde. Friedrich versuchte von zu Hause abzuhauen, stand gut mit den Franzosen und den Engländern, des Vaters größter Feind, doch die Flucht gelang ihm nicht.
Friedrich wurde am 5. September 1730 als Gefangener in die Festung Küstrin eingeliefert. Sein Vater hatte zuvor in einer Kabinetts Ordre genau bestimmt, wie er dort festgehalten werden sollte: >>Es soll keiner bei ihm bleiben als ein Kammerdiener und Lakai. Alle … seine Bücher sollen ihm abgenommen werden, und soll kein Buch behalten als die Bibel und das Gesangsbuch von Johann Arndts Wahres Christentum (ein lutherisches Andachtsbuch). Seine Flöte und Musikbücher sollen ihm auch abgenommen werden, und er soll mit keinem Menschen sprechen oder korrespondieren.<< Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Sicherheit des Gefangenen gelegt werden. Mit >>Leib und Leben, Ehre und Gut<< machte er den Kommandanten der Festung dafür verantwortlich, dass sein Sohn keine Möglichkeit zur Flucht erhielt. Selbst das Essen für den Kronprinzen, das in der Stadt zubereitet wurde, sollte daraufhin untersucht werden, ob nicht ein Fluchtwerkzeug darin verborgen sein könnte. 
Ob Friedrich es nun doch schafft, sich dem väterlichen Willen zu beugen?


Mein Fazit

Auf die Frage, ob der junge Friedrich Opfer seines Vaters wurde, oder ob er sich in seiner Eigenart selbst schuldig gemacht hat? Aus meiner Sicht hat der Junior sich keineswegs schuldig gemacht. Er kam mit besonderen Anlagen auf die Welt, auf die er ein Recht gehabt hätte, sie auszuleben. Der Vater war derjenige, der sich an dem Jungen vergriffen hat, demgegenüber war er für mich der Täter. Hätte Friedrich mit seinen Anlagen regieren können? Hätte er auf die Krone verzichten sollen?
Oder müssen Könige bzw. andere Staatsoberhäupter immer vom harten Schlag sein? Ich glaube eher nicht.
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Man kann seine Schuld nicht mildern, wenn man sie eingesteht, 
sondern nur, wenn man anfängt, sich zu bessern.
(Ann Kirchner)


Gelesene Bücher 2015: 44
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Mittwoch, 19. August 2015

Uwe A. Oster / Sein Leben war das traurigste der Welt

Friedrich der II und der Kampf mit seinem Vater

Klappentext
Zum 300. Geburtstag des großen Preußenkönigs.»Sein Leben war das traurigste der Welt«, schrieb Wilhelmine von Bayreuth über die Jugend ihres Bruders Friedrich II. (1712 – 1786). Tatsächlich erlebte der junge Friedrich eine harte Kindheit, die geprägt war von der Auseinandersetzung mit seinem Vater Friedrich Wilhelm I. Der Stoff des Dramas ist bekannt: hier der polternde, jähzornige »Soldatenkönig«, dort der zart besaitete Kronprinz. Und jeder kennt die schreckliche Szene, in der der Vater befiehlt, dass der Sohn der Hinrichtung seines Freundes Katte zusehen muss. Doch war Friedrich Wilhelm I. felsenfest davon überzeugt, das Beste für seinen Sohn und den preußischen Staat zu tun. Waren die Rollen also tatsächlich so klar verteilt: der Vater der unbarmherzige Richter, der Sohn das unschuldige Opfer?


Autorenporträt
Uwe Oster, geboren 1964, studierte Geschichte und Germanistik in Tübingen. Zunächst Redakteur, ist er seit 1996 stellvertretender Chefredakteur des Geschichtsmagazins "Damals". Er lebt in Hechingen bei Stuttgart.
Das Buch, das ich soeben vorstellen möchte, werde ich auch heute beenden.
Es ist recht interessant geschrieben und bin selbst ganz neugierig auf meine Buchbesprechung.
Und es fällt ganz aus der Reihe von den Büchern, die ich bisher gelesen habe. Es gibt eben so vieles, was mich interessiert.



Dienstag, 18. August 2015

Ulrike Kolb / Yoram (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Der Inhalt des Buches hat mich sehr ergriffen. Wie haben KZ-Überlebende des Nationalsozialismus ihr Leben danach neu gestaltet? Ist eine deutsch-jüdische partnerschaftliche Beziehung möglich?  Wie sind die Deutschen der NS-Vergangenheit mit sich und den Juden umgegangen? Inwiefern wurden diese grauenhaften Erfahrungen psychogenetisch auf die folgenden Generationen, deutsche und jüdische, übertragen?

Ulrike Kolb ist an dieses Thema herangegangen, als habe sie es selbst erlebt. Sehr authentisch, aber weitestgehend objektiv geschrieben, ohne dass sie Partei für oder gegen die Deutschen, Juden ergriffen zu haben.

Sie ist Jahrgang 1942. Ein Kleinkind, das den Nationalsozialismus erfahren haben müsste.
Im Zentrum dieses Romans steht die deutsch-jüdische Familie von Clara und Yoram.

Clara ist die Icherzählerin, die immer wieder retrospektivisch und reflektierend Gedanken ihrer Beziehung mit Yoram nachgeht.


Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Ulrike Kolb erzählt die Geschichte einer jüdisch-deutschen Liebe, die sich immer wieder gegen die Nachwirkungen der Vergangenheit behauptet und am Ende doch an den ganz normalen Konflikten zu zerbrechen droht. Zärtlich und melancholisch blickt Carla auf ihre Ehe zurück, die als Amour fou in Israel beginnt. So stark und impulsiv die Gefühle Carla und Yoram verbinden, so schmerzhaft schlagen ihnen bald Skepsis und Zweifel entgegen. Kritisch beäugen seine israelischen Freunde die junge Deutsche, und auch Yorams Mutter Aliza ist wenig begeistert von der Wahl ihres Sohnes. In Deutschland geht es dem jungen Paar kaum anders: Die viel und stolz zitierte »Aufarbeitung der Vergangenheit« scheint an der polierten Oberfläche der Realität abgeperlt zu sein. Aber die Gefährdungen des Glücks kommen nicht nur von außen. Yoram, dem leidenschaftlichen Architekten, gelingt es nicht immer, seine Gefühle von den Albträumen der Kindheit zu lösen. Und auch die drei Frauen in seinem Leben, Aliza, Carla und die Tochter Vered, haben ihre eigenen Erinnerungen, Ängste und Hoffnungen. Am Ende schlägt Vered entschieden den Bogen in die Zukunft. 
Claras Vater war praktizierender Arzt im Nazideutschland, und sie sich nun auf Spurensuche begibt, inwieweit der Vater mit den Nazis im selben Boot gesteckt haben könnte. Gehörte auch er zu den Ärzten, die über Leben und Tod eines Juden entschieden hatten?
Yoram hat Verwandte durch den Nationalsozialismus verloren.
Yorams und Claras Tochter Vered setzt sich mit der Vergangenheit ihrer Eltern auseinander und entscheidet sich für die jüdische Konfession, dermaßen angewidert ist Vered von den Verbrechen vieler Deutschen im Nazideutschland.

Vered reist als junge Erwachsene sehr oft nach Israel, ohne ihre Eltern in ihre Absichten, Jüdin zu werden, einzuweihen. Sie macht das ganz allein mit sich aus. Sie lernt die hebräische Sprache, lernt die jüdischen Religionsgesetze und lässt sich jüdisch taufen.

Es wird recht deutlich, dass vor allem die Beziehung zwischen Clara und Yoram stark von der politischen Vergangenheit geprägt ist. Vered wünschte sich, die Eltern würden sich scheiden lassen. Doch die Liebe ihrer Eltern zueinander ist zu groß, auch wenn sie nie eine normale Beziehung leben können.
Es lässt sich nicht einfach einen Schlussstrich unter dieser Vergangenheit ziehen. Diese Last ist bis in die dritte Generation zu spüren und ich bin sicher, sollte Vered als konvertierte Jüdin Kinder bekommen, so bleiben auch diese davor nicht verschont.

Clara stellt sich immerzu die Frage, wie so ein Verbrechen nur hatte stattfinden können, ohne dass die Deutschen rebellierten?
Große Worte lagen einem damals auf der Zunge, wie > nie wieder von einer Generation zur Autorität hörig gemacht werden wie die Nazigeneration, nie wieder wollen Massenmörder vor Gericht behaupten können, sie hätten nur gemordet, weil man es ihnen befohlen habe. 
Nein, nur an der autoritären Erziehung würde ich das nicht festmachen ... Von Margaret und Alexander Mitscherlich empfehle ich das Buch "Die Unfähigkeit zu trauern". Es bezieht sich auf erlittene Kriege und damit verbunden die vielen Verluste von Familienmitgliedern, die nie betrauert wurden, weil diese Verlusterlebnisse emotional als zu schmerzvoll  erlebt werden ... In Hitler haben viele eine Vaterfigur gesucht ...

Eine weitere große Gruppe von Menschen zähle ich schon dazu, die zu Kategoriserungen neigen und Menschen in gute und böse einteilen. Man selbst zählt sich ja immer zu den guten Menschen. Und so bin ich überzeugt, dass sich eine Geschichte wie die obige jeder Zeit wiederholen lässt. 

Es gibt Deutsche, die gar nichts begriffen hätten. Sie würden nach Israel reisen, um zu prüfen, ob sich der Holocaust gelohnt habe, und ob die Juden nun endlich so seien, wie die Deutschen sie haben wollten. 

Es existieren deutsche Sprichwörter, die man vor einem jüdischen Menschen besser nicht sagen sollte, wie z. B. etwas bis zur Vergasung tun.

Auch Carla begibt sich nach Israel, um Forschungen anzugehen. Manche Juden reagieren darauf ein wenig reserviert: 
Wenn du deinen Test beendet hast, sag uns Bescheid, was Du über den homo judaicus israelicus herausgefunden hast.
Diese Sensibilität von manchen Juden kann ich sehr gut nachvollziehen.

Viele Überlebende tragen am Handgelenk die eintätowierte KZ-Nummer mit sich. Bis zum Lebensende. Ich versuche, mir diese Menschen vorzustellen …. Das KZ wird immer präsent bleiben. Viele versuchen diese Nummer mit Kleidungsstücken zu verbergen. Es fehlen mir die Worte, auszudrücken, was so ein Mensch dabei empfinden kann.

Vered beobachtet zusammen mit ihrer Freundin nach einer KZ-Lektüre andere Menschen, blicken in deren Gesichter, und versuchen zu erahnen, wer ein Nazi gewesen sein könnte. Folgende Szene fand ich dazu recht interessant:
Vereds Freundin Rhina habe das Heft mit den (Mäusen)Comics, (geschrieben von Art Spiegelman) mitgebracht, auch sie hätte damals zum ersten Mal vom Holocaust gehört. Danach seien sie durch die Frankfurter Straßen gegangen und hätten sich die alten Leute angesehen und entschieden, wer Nazi gewesen sei und wer nicht. Bei manchen seien sie sich ganz sicher gewesen, für die hätten sie blutige Rachepläne ausgedacht. Einen alten Nachbarn aus dem Haus nebenan, einer mit einem unangenehmen, harten Gesicht, hätten sie und ihre Freundinnen immer geärgert, weil sie fest davon überzeugt gewesen seien, er wäre einer von den ganz Schlimmen damals gewesen. Abends vor dem Einschlafen habe (Vered) sich ausgedacht, wie sie ihn an einen Baumstamm im Grüneburgweg fesseln und ihm langsam den Leib von oben bis unten aufschlitzen würde. Später habe sie erfahren, dass er Jude war und selber ein Überlebender.
Der Comic von Art Spiegelman, Maus Die Geschichte eines Überlebenden, habe ich auch gelesen, vor über dreißig Jahren, und überlege, es noch einmal zu lesen. In dem Buch fand ich Antworten auf viele Fragen.

Nach dem Nationalsozialismus wollte Aliza, Yorams Mutter, nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Und doch zog es sie wieder dorthin zurück, da Deutschland über reiche kulturelle Schätze verfügte, von denen sich Aliza angezogen fühlt. Aliza ist eine recht belesene Frau. Auch Günter Grass zählt zu ihren Favoriten, bis sie die traurige Meldung erreicht, dass Grass in der Waffen-SS tätig gewesen sein soll.

Schwiegertochter Carla berichtet:
 Aliza rief mich an und hatte soeben in den Nachrichten gehört, dass Grass in der Waffen-SS gewesen war: Ausgerechnet mein Grass, von dem ich jedes Buch kenne …, und ich hörte, wie sie nach Luft rang.
Die letzte Hoffnung setzte Aliza in Kultur und Bildung, dann diese Nachricht mit Grass. An was sollte der Mensch noch glauben? An wen sich noch klammern können, wenn man schon den Glauben an Gott verloren hatte?


Mein Fazit

Das Buch ist sehr geistreich und mit viel Tiefe geschrieben. Vieles, was ich zu sagen beabsichtigte, konnte ich nicht sagen. Das Buch stimmte mich sehr nachdenklich, traurig und machte mich gleichzeitig auch fassungslos.

Auch, dass die Beziehung zwischen Carla, Yoram und Vered so sehr an der Nazivergangenheit litt, bedrückte mich. Wie schon gesagt, man kann nicht einfach einen Schlussstrich unter diese Geschichte ziehen, und so tun, als gäbe es jene Vergangenheit nicht. Es ist für alle Parteien eine sehr belastende Situation und es benötigt noch viele Generationen, bis diese Last nicht mehr zu spüren ist. Aber vergessen wird diese Geschichte niemals sein. Vor allem für die Juden nicht, während viele Deutsche sich Mühe geben, nicht mehr daran denken zu müssen.

Die Nazis wollten in die Geschichte eingehen und das haben sie erreicht, wenn auch in horrabler Hinsicht.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.
___________
Man kann seine Schuld nicht mildern, wenn man sie eingesteht, sondern nur, wenn man anfängt, sich zu bessern.

Gelesene Bücher 2015: 43
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Sonntag, 9. August 2015

Ulrike Kolb / Yoram


Klappentext
Ulrike Kolb erzählt die Geschichte einer jüdisch-deutschen Liebe, die sich immer wieder gegen die Nachwirkungen der Vergangenheit behauptet und am Ende doch an den ganz normalen Konflikten zu zerbrechen droht.
Zärtlich und melancholisch blickt Carla auf ihre Ehe zurück, die als amour fou in Israel beginnt. So stark und impulsiv die Gefühle Carla und Yoram verbinden, so schmerzhaft schlagen ihnen bald Skepsis und Zweifel entgegen. Kritisch beäugen seine israelischen Freunde die junge Deutsche, und auch Yorams Mutter Aliza ist wenig begeistert von der Wahl ihres Sohnes. In Deutschland geht es dem jungen Paar kaum anders: Die viel und stolz zitierte »Aufarbeitung der Vergangenheit« scheint an der polierten Oberfläche der Realität abgeperlt zu sein.Aber die Gefährdungen des Glücks kommen nicht nur von außen. Yoram, dem leidenschaftlichen Architekten, gelingt es nicht immer, seine Gefühle von den Albträumen der Kindheit zu lösen. Und auch die drei Frauen in seinem Leben, Aliza, Carla und die Tochter Vered, haben ihre eigenen Erinnerungen, Ängste und Hoffnungen. Am Ende schlägt Vered entschieden den Bogen in die Zukunft.


Autorenporträt
Ulrike Kolb wurde 1942 geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Frankfurt am Main. Sie veröffentlichte mehrere Romane und wurde mehrfach ausgezeichnet.
 Ich habe keine Ahnung, wie das Buch zu mir kam. Zumindest habe ich bisher noch gar nichts von der Autorin gelesen. Die ersten fünfzig Seiten fand ich recht ausdrucksstark. Gefällt mir sehr gut.
Wenn ich dein Gesicht sehe, fühle ich mich zu Hause. 
Ein jüdisches Thema, das die Juden behandelt, die den Nationalsozialismus überlebt haben, bzw. wie die nächsten Generationen davon geprägt wurden. Ich habe auf jeder Seite Markierungen, weil mich der Schreibstil so sehr anspricht.

Das nenne ich gute Literatur. Freue mich auf mehr.







Samstag, 8. August 2015

Agatha Christie / Die Tote in der Bibliothek (1)

Lesen mit Anne ...

 Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Dieser Krimi hat mir auch recht gut gefallen und hoffe, dass mir der Inhalt noch lange haften bleiben wird, denn mir fällt auf, dass mir das bei diesen Krimis nicht gelingt.

Ich vergesse den Inhalt recht schnell. Sicher liegt es an der mangelnden Tiefe. Trotzdem sind für mich die Bücher von Agatha lesenswert.

Aus dem Anhang konnte entnommen werden, dass in der Hitler-Diktatur auch die Bücher von Agatha Christi zu der Bücherverbrennung zählten, weshalb manche Bände erst in den Anfängen der 1950er Jahre publiziert wurden.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Es ist sieben Uhr morgens. In der Bibliothek der Bantrys liegt eine Leiche in einem Abendkleid. Wer ist sie? Wie kommt sie hierher? Fragen, auf die weder der Colonel noch seine Frau eine Antwort wissen. Vielleicht kann eine Freundin von Mrs. Bantry helfen - Jane Marple macht sich sofort auf die Jagd. Schnell ist die Leiche identifiziert und das Motiv erkannt: Es ging um Geld, viel Geld. Die beiden Damen quartierensich im Majestic Hotel in Danemouth ein, wo Miss Marple den Täter zur Strecke bringen will - mit viel Gespür und noch mehr Verstand.
Vielmehr weiß ich jetzt zu dem Buch nicht zu sagen. Ein recht dünnes Buch, wenn ich noch Ergänzungen vornehme, die nicht im Klappentext stehen, dann ist alles gesagt, die ganze Spannung weg, noch ehe man mit dem Buch begonnen hat zu lesen.

Auch ohne Tiefgang ist das Buch recht authentisch geschrieben, die Figuren gut gewählt, und deshalb erhält es von mir zehn von zehn Punkten.

Ich warte noch auf Anne, bis sie fertig sein wird, dann sehen wir mal, zu welchen Erkenntnissen wir gemeinsam gelangen werden.

Manche Dialoge brachten mich allerdings so ziemlich zum Schmunzeln: Miss Marple, die aus meiner Sicht sexuell ein Neutrum zu sein scheint, hegt doch die eine oder andere Ansicht zu dem Männergeschlecht:
>>Männer<<, schaltete sich Miss Marple ein, >>sind oft bei weitem nicht so nüchtern, wie man glaubt.<< Auf ihre altjungferliche Art sprach sie vom anderen Geschlecht wie von einer Spezies wilder Tiere.

Nachtrag, 15.08.2015: 

Anne und ich haben heute miteinander telefoniert und auch sie war der Meinung, dass man nicht besonders viel zu dem Buch sagen kann.
Anne hat mehrmals die Buchverfilmung gesehen. Anschauen würde ich mir die Filme nicht unbedingt.

_______________
Man kann seine Schuld nicht mildern, 
wenn man sie eingesteht, sondern nur, 
wenn man anfängt, sich zu bessern.

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Donnerstag, 6. August 2015

Agatha Christie / Die Tote in der Bibliothek

Lesen mit Anne ...


Nun ist es wieder soweit, Anne und ich lesen gemeinsam ein Buch. Mit dem Aussuchen war ich diesmal dran. Nach dem wir beide an dem Buch von Nick Hornby Miss Blackpool kläglich gescheitert sind, habe ich mich dann schließlich für einen Agatha Christi Krimi entschieden.

Klappentext
Es ist sieben Uhr morgens. In der Bibliothek der Bantrys liegt eine Leiche in einem Abendkleid. Wer ist sie? Wie kommt sie hierher? Fragen, auf die weder der Colonel noch seine Frau eine Antwort wissen. Vielleicht kann eine Freundin von Mrs. Bantry helfen - Jane Marple macht sich sofort auf die Jagd. Schnell ist die Leiche identifiziert und das Motiv erkannt: Es ging um Geld, viel Geld. Die beiden Damen quartierensich im Majestic Hotel in Danemouth ein, wo Miss Marple den Täter zur Strecke bringen will - mit viel Gespür und noch mehr Verstand.


Autorenporträt
Die schrullig-witzige Amateurermittlerin Miss Marple (u. a. "Mord im Orient-Express") und ihre Schöpferin Agatha Christie sind wohl untrennbar verbunden. Aber auch der belgische Detektiv Hercule Poirot, der z. B. in "Das Böse unter der Sonne" agiert, wird von den Christie-Fans geliebt. Beide Figuren gehören zu den bekanntesten Ermittlern der "Königin des Kriminalromans": Agatha Christie. Sie wurde 1890 im britischen Torquay (Grafschaft Devon) geboren, wuchs in einer wohlhabenden Familie auf und ihre Mutter förderte Agathas Schreibtalent. Mit 24 Jahren heiratete Christie und bekam 1919 eine Tochter. Die Ehe wurde, damals höchst ungewöhnlich, nach einem Seitensprung des Gemahls 1928 geschieden. 1930 schloss Christie mit dem 14 Jahre jüngeren Archäologen Max Mallowan die Ehe. In diesem Jahr erschien auch der erste Miss-Marple-Roman, "Mord im Pfarrhaus". Das Lebenswerk umfasst u. a. rund 70 Krimis - alle mit dieser unvergleichlichen Mischung aus Ironie, psychologisch fein austarierten Figuren, englischem Humor und einer handfesten Portion Lebenserfahrung. Darüber hinaus schrieb Christie auch Kurzgeschichten, Theaterstücke, Romanzen (unter Pseudonym) oder eine Autobiografie. Viele ihrer Werke wurden verfilmt, z. B. "Zeugin der Anklage" mit Marlene Dietrich. 1971 erhob Queen Elisabeth II. Christie in den Adelsstand. Die "Queen of Crime" erlag 1976 in Wallingford (Grafschaft Oxfordshire) einem Schlaganfall. 

Gelesen habe ich bisher:
1. Das Haus an der Düne
2. Der Wachsblumenstrauß
3. Die Kleptomanin 
4. Mord im Orientexpress  
Auch Agatha Christi könnte man sich zu einer literarischen Lebensaufgabe machen, so viele Werke, die sie hinterlassen hat, schafft man nicht, sie alle zu lesen. Ich bin mal gespannt, wie weit ich kommen werde, wie viele Bücher ich von ihr schaffen kann, ohne von einer intellektuellen Müdigkeit ergriffen zu sein ...

Leider vergesse ich den Inhalt immer recht schnell.

Das vorliegende Buch gefällt mir recht gut. Ich bin in das Geschehen recht schnell reingekommen. Ein Mord, aber ohne dass Blut fließt. Macht zwar einen Mord dadurch nicht harmloser, aber ich werde verschont von butrünstigen Szenen.




Dienstag, 4. August 2015

Ann Kirschner / Salas Geheimnis (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch stimmte mich betroffen. Nicht, dass mir der Stoff neu ist, wem sind schon der Nationalsozialismus und der Faschismus fremd? Steckt uns doch allen in Fleisch und Blut, vor allem denen, die sich frühzeitig mit dieser Thematik beschäftigt haben, viele schon seit der Jugendzeit. Wenn man schon alleine die Daten erster September 1939 und achter Mai 1945 hört, macht der Kopf gleich „Klick“. Das sind Daten, die man so schnell nicht wieder vergisst, da man bei solchen Büchern, mitten im Kontext,  immer mitbangt und genau mitrechnet, wann der Krieg und das Grauen beendet sein wird. Oder in der Vorkriegszeit, auch da rechnet der Kopf automatisch, wie viel Zeit bis zur   Kriegsentstehung bleibt? Hitler hatte viele Jahre vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schon sehr viel antisemitische Vorarbeit geleistet.

Und trotzdem gibt es immer wieder Bücher in meiner Sammlung, die sich mit dieser Thematik beschäftigen ...
Gestern musste ich mir nochmals Holocaust, erster Teil, anschauen, weil ich mich so fassungslos gefühlt habe …



Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Zuerst dachte sie, dass es nur ein paar Wochen dauern würde. Doch aus sechs Wochen wurden fünf Jahre Zwangsarbeit. Sala war 1940 sechzehn Jahre alt, als sie ihre polnische Heimatstadt verlassen musste, um die von den Nationalsozialisten befohlene Zwangsarbeit abzuleisten. Fünf Jahre lang überlebte die junge Jüdin unter schwersten Bedingungen sieben verschiedene Lager, um dann für lange Zeit darüber zu schweigen. Erst am Vorabend einer schweren Herzoperation vertraute sie sich ihrer Tochter Ann Kirschner an. Anhand der Briefe, die Sala sich in dieser Zeit mit ihrer Familie und Freunden schrieb, erzählt Ann Kirschner die Geschichte der grausamen Odyssee ihrer Mutter durch das besetzte Europa, von Salas Leben in den Lagern, den kleinen Fluchten, von Freundschaft und ihrem unbedingten Willen zu überleben. Eine bewegende und grausame Zeit, über die Sala lange schweigt, auch als sie in den USA ein neues Leben findet. 
Salas Tochter, Ann Kirschner, bekommt einen ganzen Stapel persönlicher Briefe von ihrer Mutter Sala ausgehändigt. Hauptsächlich Briefe von 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Aber auch nach der Kriegszeit wurde vereinzelt die Korrespondenz mit den noch lebenden Geschwistern fortgesetzt, die sich in Schweden aufhielten.

Sala war das jüngste Kind von zehn Geschwistern. Insgesamt waren sie elf.

Den Nationalsozialismus haben nur sie und zwei Schwestern überlebt. Alle anderen Familienmitglieder fielen den Nazis zum Opfer.

Sala ging freiwillig in das Arbeitslager, um ihre Schwester zu schonen, die eigentlich dafür vorgesehen war. Sala war gerade mal sechzehn Jahre alt.

Aus den Briefen habe ich kein Zitat herausgeschrieben. Man muss sie einfach selbst lesen, aber die Briefe nach dem Zweiten Weltkrieg haben mich nochmals besonders beschäftigt. Das Leben nach der Befreiung aus dem KZ.

Die Befreiung der Juden brachte auch eine große Orientierungslosigkeit mit sich. Viele wussten nicht, wohin sie sollten. Sala befand sich auf dem Weg in ihre Heimatstadt, soweit man diese noch als Heimatstadt bezeichnen konnte:
Sala (und ihre Freundin Eva) stiegen in eine überfüllte Straßenbahn. Einen Augenblick lang freuten sie sich an den vertrauten polnischen Lauten. Dann hörten sie die ärgerliche Stimme des Schaffners, der den Fahrschein verlangte. Erschrocken sah Sala zuerst zu Eva, dann wieder zum Schaffner und erklärte ihm schließlich, dass sie gerade erst aus einem Nazilager befreit worden seien und kein Geld hätten. Der Schaffner schrie sie wütend an. Er nannte sie >>schmutzige Juden<< und gab ihnen zu verstehen, dass sie weder in seiner Straßenbahn noch in seinem Land willkommen seien.Niemand verteidigte sie. Den Rest des Weges gingen die beiden Frauen zu Fuß. 
Man sagt immer, die Nazis hätten die ganzen Verbrechen verübt, doch viele aus der heimischen Bevölkerung erwiesen sich auch als Anhänger des Nationalsozialismus. Aus meiner Sicht sind sie nicht weniger schuldig …

Das Entsetzen, das Sala erlebt, als sie wieder zu Hause ist, lässt sie ohnmächtig werden:
Im Hof kam sie wieder zu sich. Sie wollte so schnell wie möglich weg von hier. Sie hat nicht den Krieg überlebt, um jetzt Opfer ihrer antisemitischen Nachbarn zu werden. Keine einzige Nacht wollte sie in (ihrer Heimatstadt Sosnowiec) verbringen. So verließ sie die Kollataja Straße, ohne ihre eigene Wohnung gesehen zu haben. (…) Ob die Nähmaschine ihrer Schwester, der Messingleuchter ihrer Mutter, die Bücher ihres Vaters noch immer dort waren, ob ihr Tagebuch sich noch immer in der Schublade befand, wo sie es damals eingeschlossen hatte, würde sie nie erfahren. (…) Aber wohin sollte sie jetzt gehen? Sie war einundzwanzig und fühlte sich wie losgelöst. Ohne Familie, ohne vertraute Kultur war sie ohne Orientierung, ohne Anknüpfungspunkt in dieser Welt. Verständnislos starrte sie die Landkarte an, auf der ihr kein Name etwas sagte.
Sich vorzustellen, dass man gar kein Zuhause mehr hat, ist schwer. Sich vorzustellen, dass einem das Zuhause gestohlen wurde, noch schwerer. Und trotzdem ging es irgendwie weiter. Auch ohne Heimat und mit einem Kopf und einer Seele voller erlebter Traumata. Unauslöschbar. Ein Wunder, dass Menschen diese Zeiten überleben konnten. Eine Wohlfahrt kümmerte sich um die Überlebenden:
Die Befreiung lag erst drei Monate zurück. Die oberflächlichen Wunden des Lagerlebens vernarbten rasch unter dem beruhigenden Balsam von gutem Essen und einem Leben in Sicherheit. Die Überlebenden waren täglich zusammen; sie teilten die Erfahrung dessen, was hinter ihnen lag, und sie hatten eine gemeinsame Sprache. Die meisten von ihnen waren sehr jung, Anfang zwanzig. Liebschaften entstanden im Nu. Man war mit den Partnern aus Kriegszeiten zusammen; wenn man sich nicht rasch verlobte, trennte man sich und suchte sich jemand anderen.
Für mich ist Jüdisch keine Nationalität, sondern eine Konfession. Deutsche  mit einer anderen Konfession, die sich jüdisch nennt. So einfach ist das. Die Katholiken sind auch überall auf der Erde verstreut und machen sie nicht alle zu Römern ...
Für die Juden aus aller Herren Länder war dies die erste religiöse Versammlung, die sie wieder in Freiheit abhalten konnten. Für die Amerikaner und andere Besucher war's eine feierliche Begegnung mit den Überlebenden und einen Augenblick, um über den Krieg und das, was er bewirkt hatte, nachzudenken.
Als Sala nach Amerika emigrierte, sprach sie vierzig lange Jahre nicht mehr über das erlittene Ereignis ...

Auf Seite 273 ist ein Gedicht zur Neujahrsnacht 1942 zu entnehmen, das aus Salas Feder stammt und aus ihrem Tagebuch entnommen wurde. Das Gedicht ist recht lang und so verweise ich lediglich darauf hin.

Erstaunt war ich über den Tod Alas, die zusammen mit Sala in das Arbeitslager ging und die sich wie eine Mutter um Sala gekümmert hatte. Es lagen auch etliche Jahre zwischen ihnen. Ala wurde von den Nazis durch ihr adrettes Aussehen und ihr Können ein wenig privilegiert und bekam die besten Arbeitsaufträge zugeteilt. Sala hatte ihr viel zu verdanken, denn durch Alas Einfluss musste auch Sala keine schweren körperlichen Arbeiten ausführen … Wegen eines Widerstands kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Ala hingerichtet.

Welches weitere Schicksal Sala nach dem Nationalsozialismus und mit dem neuen Leben in Amerika ereilt, das lest selbst. Steht auch schon genug im Klappentext.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten. Die Autorin hat als Mitbetroffene sehr gut recherchiert und zwischen den Briefen immer wieder dokumentarische Berichte eingefügt.

Für mich zählen Kinder, deren Eltern einen oder mehrere Kriege erlitten haben, ebenso zu den Betroffenen. Es gibt mittlerweile recht viel wissenschaftliche Literatur darüber, wie der Einfluss dieser traumatisierten Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder unbewusst übertragen wird.


Mein Fazit

Heute hegen wir Ressentiments gegenüber Ausländern, wie z.B den EU-Krisenländern, den Wirtschaftsflüchtlingen, etc. Die Medien verbreiten hierin gerne viele Halbwahrheiten. Die eine Gruppe bezeichnen wir als Sozialschmarotzer und die andere Gruppe nimmt den Deutschen Arbeitsplätze weg, sodass diese unter dem Strich gesehen den deutschen Steuerzahler langfristig arm machen würden. Und so begreifen sich viele Deutsche als arme Opfer, denn sie stellen sich als die bessere Menschengruppe dar, sie nehmen sich als das Sozialamt der Welt wahr, und dabei vergessen wir, dass Deutschland im Ersten und Zweiten Weltkrieg hochverschuldet war, ähnlich wie heute Griechenland, doch den Deutschen wurden die Schulden von Seiten der Amerikaner erlassen, und konnte ca. zehn Jahre später nach Kriegsende dadurch in das Wirtschaftswunder übergehen. Das Land musste sich mit der Rückzahlung der Schulden nicht belasten. Das Wirtschaftswunder konnte allerdings ohne ausländische Arbeitskräfte nicht bewältigt werden, denn es fanden sich darunter viele Arbeitsangebote, die ein deutscher Bürger definitiv nicht machen wollte ... 

Das will heute niemand mehr hören. Und was die Judenfrage betrifft, gibt es viele Deutsche, die schimpfen, dass den Juden heute noch immer materielle Entschädigungen ausgezahlt werden, wo doch schon so viel Zeit vergangen sei.

______________
Man kann seine Schuld nicht mildern, wenn man sie eingesteht, 
sondern nur, wenn man anfängt, sich zu bessern. 
(Ann Kirschner)

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Samstag, 1. August 2015

Ann Kirschner / Salas Geheimnis

Klappentext
Zuerst dachte sie, dass es nur ein paar Wochen dauern würde. Doch aus sechs Wochen wurden fünf Jahre Zwangsarbeit. Sala war 1940 sechzehn Jahre alt, als sie ihre polnische Heimatstadt verlassen musste, um die von den Nationalsozialisten befohlene Zwangsarbeit abzuleisten. Fünf Jahre lang überlebte die junge Jüdin unter schwersten Bedingungen sieben verschiedene Lager, um dann für lange Zeit darüber zu schweigen. Erst am Vorabend einer schweren Herzoperation vertraute sie sich ihrer Tochter Ann Kirschner an.Anhand der Briefe, die Sala sich in dieser Zeit mit ihrer Familie und Freunden schrieb, erzählt Ann Kirschner die Geschichte der grausamen Odyssee ihrer Mutter durch das besetzte Europa von Salas Leben in den Lagern, den kleinen Fluchten, von Freundschaft und ihrem unbedingten Willen zu überleben. Eine bewegende und grausame Zeit, über die Sala lange schweigt, auch als sie in den USA ein neues Leben findet.

Autorenporträt
Ann Kirschner ist die Tochter von Sala Garncarz Kirschner und Sidney Kirschner. Sie arbeitete als Literaturwissenschaftlerin an der Princeton University und als freie Unternehmerin. Heute ist sie Dekanin am Macauly Honors College der City University of New York.
Mit dem Buch habe ich vor ein paar Tagen begonnen. Es ist sehr interessant geschrieben. Die vielen persönlichen Briefe und Tagebucheintragungen stellen eine historsche Quelle des Nationalsozialismus' dar. Stimmt immer wieder traurig, erinnert zu werden, zu welchen Schreckenstaten Menschen doch fähig sind.

Werde es mit den restlichen hundert Seiten heute wohl beenden.

Dienstag, 28. Juli 2015

Haruki Murakami / Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki (1)

Lesen mit Renie ...

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, zu welcher Meinung ich mich zu diesem Buch entschließen möchte. Es ist wieder eine Lovestory, und irgendwie nach demselben Schema geschrieben wie die letzten auch, mit Ausnahme von IQ84 und Kafka am Strand. Da ringe ich mit mir und erlaube mir zu sagen, dass Murakami kein politisches Profil besitzt, weshalb er immer wieder Liebesromane schreiben muss, in denen er seine Sexualität auch in fiktiver und abstruser Form voll und ganz, so scheint mir, auszuleben versucht. Jede Figur, die ein Autor kreiert, ist aus psychoanalytischer Sicht ein Teil seiner eigenen Persönlichkeit ...

Die ProtagonistInnen erscheinen mir zudem oftmals viel zu flach, viel zu glatt, wie auch hier in diesem Werk Herr Tsukuru Tazaki … Auch dieser kommt mir viel zu brav vor.

Meist helfen mir die vielen Zettelchen in einem Buch, die mich beim zweiten Mal hinsehen schließlich zu einer Meinung führen werden.

Nichtsdestotrotz überlege ich, nun nach zehn Büchern mit Murakami abzuschließen. Es kann aber sein, dass ich nach einer gewissen zeitlichen Distanz doch noch Lust bekommen werde, mit weiteren Bänden fortzusetzen. Ich bin allerdings ein Mensch, der keine Liebesromanzen mag. Anders z. B. bei Isabel Allende, die auch nur Liebesromane schreibt, die aber immer gekoppelt sind an historische Ereignisse dieser Zeit, über die sie zu schreiben pflegt. Das fehlt Murakami völlig.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt. Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.
Tsukuru leidet ein wenig darunter, dass er verglichen mit seinen vier FreundInnen aus seiner Clique von der Bedeutung seines Namens her farblos ist. Er bezieht diese Farblosigkeit auch auf sein gesamtes persönliches Wesen:
Tsukuru hatte jedenfalls keine besondere Begabung, auf die er stolz sein oder mit der er sich vor anderen hervortun konnte. Zumindest fand er das. Er war in allem mittelmäßig. Oder farblos.
Tsukuru wird aus seiner Crew ausgestoßen. Aus scheinbar unbestimmten Gründen und so schleppt er seine seelische Verletzung sechzehn Jahre mit sich herum, bis er schließlich eine zwei Jahre ältere Frau namens Sara trifft, die für eine andere Haltung sorgt.
>>Ich verstehe das nicht<<, sagte Sara. >>Ganz offensichtlich leidest du in deinem Kopf oder in deinem Herzen oder in beidem noch unter der Verletzung von damals. Trotzdem hast du in den ganzen sechzehn Jahren nicht einen Versuch gemacht, der Sache auf den Grund zu gehen und zu erfahren, warum du das durchmachen musstest. 
Tsukuru gelingt insgesamt ein schlechter Zugang zu anderen Menschen und findet sich widerwillig damit ab, um sich nicht damit zu quälen:
Wahrscheinlich war es letzten Endes sein Schicksal, allein zu sein. Alle Menschen, die ihm näher kamen, verließen ihn bald wieder. Sie suchten etwas bei ihm, aber anscheinend fanden sie es nicht, oder das, was sie fanden, gefiel ihnen nicht; jedenfalls gaben sie (…) irgendwann auf. Eines Tages waren sie dann plötzlich verschwunden. Ohne Erklärung und ohne Abschied. Wie man mit einem scharfen Beil eine Ader durchtrennt, durch die eben noch warmes Blut geflossen war.Offenbar hatte er etwas an sich, das andere Menschen enttäuschte. Der farblose Herr Tazaki, sagte er laut. Im Grunde lief es darauf hinaus, dass er anderen nichts zu geben hatte. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal sich selbst etwas zu geben. 
Tsukurus Umfeld, das in seinen Träumen besteht, wird oftmals ein wenig düster beschrieben. Die Landschaft um ihn herum ist karg und leblos. Ein wenig kafkaeske. Es existieren Vögel mit messerscharfen Schnäbeln und hacken auf Tsukurus Fleisch herum …

Oftmals ist er von Albträumen geplagt und schafft es nicht immer, Fiktion und Realität auseinanderzuhalten. Er spricht von Gefühlen der Eifersucht, wenn er in Träumen gewaltsam von jener Frau entrissen wird:
Eifersucht war - das hatte Tsukuru durch diesen Traum begriffen - das trostloseste Gefängnis, das es auf der Welt gab. Denn es war ein Gefängnis, in das der Gefangene sich gewissermaßen selbst einsperrte. Niemand zwang ihn dazu. Er ging aus freien Stücken hinein, schloss von innen ab und warf den Schlüssel durch das Gitter nach draußen. Und niemand auf der ganzen Welt wusste, dass er dort eingekerkert war. Nur wenn er sich selbst dazu entschloss, konnte er es verlassen. Denn das Gefängnis befand sich in seinem Inneren. Doch er war außerstande, diesen Entschluss zu fassen. Sein Herz war von einer unüberwindlichen Mauer umgeben, das war die wahre Natur der Eifersucht.  
Viele Gedanken über den Tod finden sich oftmals auch in meinem Kopf, allerdings mehr in Form einer Wertschätzung dem Leben gegenüber, und um eines Tages bereit dafür zu sein. In diesem Buch fand ich ähnliche Gedanken, weshalb ich diese gerne festhalten möchte, die aus Tsukurus Kopf stammen:
>>Das Sterben bereitet mir keine Sorgen. Wirklich nicht. Ich habe schon eine Menge Gesindel sterben sehen. Und sogar die haben es geschafft. Es ist unmöglich, dass ich es nicht schaffe.<<
Es haben schon viele Menschen vor mir geschafft zu sterben.

 Ein Gedanke, der von mir hätte sein können ... 

Sara ist eine Frau, die sehr wohl partnerschaftliches Interesse Tsukuru gegenüber zeigt, hält sich aber gern noch bedeckt, bis Tsukuru durch Zufall sie auf der Straße mit einem anderen Mann Hand in Hand laufen sieht. Tsukuru ist irritiert. 
Er dachte an Sara. An ihr mintgrünes Kleid, ihr heiteres Lachen und den Mann, mit dem sie Hand in Hand die Straße entlanggegangen war, aber diese Gedanken brachten ihn auch nicht weiter. Die Herzen der Menschen waren wie Nachtvögel. Sie warteten still auf etwas, und wenn die Zeit dafür gekommen war, flogen sie geradewegs darauf zu. Er schloss die Augen und lauschte den Klängen des Akkordeons. Die einfache Melodie übertönte das lebhafte Stimmengewirr. Wie ein Nebelhorn das Rauschen der Wellen. 
Wie entwickelt sich die Beziehung zu Sara? Schafft Tsukuru es, das Geheimnis seiner vier FreundInnen zu lüften?

Da ich nicht noch mehr verraten möchte, beende ich hier meine Aufzeichnungen. Das Wichtigste habe ich weggelassen, denn es trägt eine gewisse Spannung mit sich, die ich jeder Leserin und jedem Leser nicht vorenthalten möchte.

Das Buch erhält von mir neun von zehn Punkten, da ich die literarische Sprache als recht fantasievoll und metaphorisch- und den Schreibstil als recht flüssig erlebt habe. Die Bilder, die der Autor gebraucht, sind allerdings auch Geschmacksache …

Nun bin ich aber ganz froh, dass das Buch doch nicht so schlecht abgeschnitten hat.Vielleicht bin ich intellektuell ein wenig phlegmatisch geworden durch die vielen Murakami-Liebesromane, die nicht zu meinen präferierten Genres zählen.

Lesen mit Renie; kurzer Austausch über eMail, da Renie gerade im Ausland verweilt, doch auch sie hat sich zu einer Meinung ein wenig schwer getan. Sie lobte Murakamis Schreibstil, der recht fantasievoll und mit vielen Metaphern geschmückt sei ...

Renies Buchbesprechung

_____
Nur Tote bleiben für immer siebzehn.
(Haruki Murakami)

Gelesene Bücher 2015: 40
Gelesene Bücher 2014: 88
Gelesene Bücher 2013: 81
Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


Samstag, 25. Juli 2015

Haruki Murakami / Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Lesen mit Renie ...


Klappentext
Der junge Tsukuru Tazaki ist Teil einer Clique von fünf Freunden, deren Mitglieder alle eine Farbe im Namen tragen. Nur Tsukuru fällt aus dem Rahmen und empfindet sich – auch im übertragenen Sinne – als farblos, denn anders als seine Freunde hat er keine besonderen Eigenheiten oder Vorlieben, ausgenommen vielleicht ein vages Interesse für Bahnhöfe. Als er nach der Oberschule die gemeinsame Heimatstadt Nagoya verlässt, um in Tokio zu studieren, tut dies der Freundschaft keinen Abbruch. Zumindest nicht bis zu jenem Sommertag, an dem Tsukuru voller Vorfreude auf die Ferien nach Nagoya zurückkehrt – und herausfindet, dass seine Freunde ihn plötzlich und unerklärlicherweise schneiden. Erfolglos versucht er wieder und wieder, sie zu erreichen, bis er schließlich einen Anruf erhält: Tsukuru solle sich in Zukunft von ihnen fernhalten, lautet die Botschaft, er wisse schon, warum. Verzweifelt kehrt Tsukuru nach Tokio zurück, wo er ein halbes Jahr am Rande des Selbstmords verbringt.Viele Jahre später offenbart sich der inzwischen 36-jährige Tsukuru seiner neuen Freundin Sara, die nicht glauben kann, dass er nie versucht hat, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Von ihr ermutigt, macht Tsukuru sich auf, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen.


Autorenporträt
Haruki Murakami wurde 1949 in Kyoto, Japan geboren und wuchs in Kobe auf. Nach abgeschlossenem Studium verließ er 1975 die Waseda-Universität in Tokio, wo er anschließend sieben Jahre lang Eigentümer einer kleinen Jazz-Bar war.
Sein erster Roman, „Wenn der Wind singt“ (1979), brachte ihm den Gunzou-Förderpreis ein. Zusammen mit „Pinball, 1973“ (1980, dt. 2015) und „Wilde Schafsjagd“ (1982, dt. 1991), für den er mit dem Norma-Förderpreis ausgezeichnet wurde, bildet dieser Roman die sogenannte „Trilogie der Ratte“.
Die Buchvorstellung erfolgt mit ein wenig Verspätung, da ich das Buch am letzten Montag begonnen, und heute am Samstag beendet habe. Es gibt einiges zu dem Buch zu schreiben, weshalb die Buchbesprechung wie üblich in einem separaten Posting erscheinen wird.

Kurz gesagt: Zu einer Meinung kann ich mich noch nicht wirklich durchringen und werde dann nach der folgenden Buchbesprechung mit Murakami ein wenig pausieren.

Kurz zu meiner Lesebegleiterin Renie, die ich in einem Litaraturforum Watch Reading kennenelernt habe, und sie sich das Buch aus der Bibliothek ausgeliehen hat und ich somit mit ihr zusammen das Buch lesen wollte.

Mal schauen, zu welcher Meinung Renie zu dem Buch gekommen ist.

Gelesen habe ich von Murakami:
1. Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
2. Die unheimliche Bibliothek                                            
3. IQ84, BD1                                                                        
4. IQ84, BD2                                                                         
5. IQ84 , BD 3
6. Kafka am Strand
7. Naokos Lächeln
8.  Schlaf 
9. Sputnik Sweetheart
10. Südlich der Grenze, westlich der Sonne 
Buchtitel Nr- 2 - 6 haben mir sehr gut gefallen. Nr. 7 gar nicht.